Flughafen Heathrow:Bitte billiger

FILE: Heathrow Airport Recommended For Third Runway Expansion

Eine Maschine im Landeanflug auf London-Heathrow: Europas größter Flughafen will eine dritte Startbahn bauen, doch das ist umstritten.

(Foto: Peter Macdiarmid/Getty)

Der Londoner Flughafen ist seit langer Zeit überlastet. Eine dritte Startbahn soll für Entlastung sorgen - doch sie ist umstritten. Nun will das Management die Pläne für das Großprojekt deutlich abspecken - um sechs Milliarden Pfund.

Von Björn Finke, London

Es wird ein riesiges Bauprojekt, allerdings soll es ein bisschen billiger ausfallen: Europas größter Flughafen London-Heathrow will eine dritte Startbahn errichten, denn er ist schon seit Jahren komplett ausgelastet. Die Kosten dafür sollen 16,8 Milliarden Pfund betragen, umgerechnet 19 Milliarden Euro, wie die Betreibergesellschaft vorrechnet. Zumindest galt das bislang. Doch nun versucht das Unternehmen, mit weniger Geld auszukommen - und reagiert damit auf Kritik von Fluggesellschaften, die höhere Landegebühren befürchten. Heathrow sollte bis Ende August Pläne für den Ausbau vorlegen, aber jetzt heißt es, dass dies nicht vor Dezember geschehen werde. Die Ingenieure und Architekten brauchen mehr Zeit, um das Vorhaben abzuspecken und sechs Milliarden Pfund einzusparen, also mehr als ein Drittel der bisher genannten Summe.

Die Kosten sind nicht die einzige Sorge des Managements. Das britische Parlament muss den Ausbau noch bewilligen; die Abstimmung soll im kommenden Sommer stattfinden. Diese Abstimmung ist der Höhepunkt eines langen politischen Streits - und Heathrow kann sich einer Mehrheit nicht sicher sein. Über eine dritte Piste für den Flughafen wird seit Jahrzehnten diskutiert, aber Regierungen schreckten lange vor dem Projekt zurück, um nicht den Zorn der Anwohner auf sich zu ziehen. Der frühere Premier David Cameron betraute eine Expertengruppe mit dem Thema. Die sprach sich 2015 für eine dritte Landebahn aus, doch Cameron verschob die Entscheidung.

Der Wahlkreis der Premierministerin liegt in der Einflugschneise

Nach dem vergeigten Brexit-Referendum löste ihn im vergangenen Sommer Theresa May ab. Die wollte das Thema schnell vom Tisch bekommen; im Oktober 2016 beschloss das Kabinett, dass Heathrows private Betreibergesellschaft die dritte Piste bauen darf. Allerdings fehlt weiterhin die Einwilligung des Parlaments, die Abstimmung wurde verschoben. Im Juni verloren Mays Konservative bei vorgezogenen Neuwahlen ihre absolute Mehrheit der Sitze im Unterhaus. Das macht es nun schwieriger, eine Mehrheit für den Ausbau zu finden.

Schließlich ist das Projekt auch in der Konservativen Partei umstritten. Außenminister Boris Johnson - früher Bürgermeister von London - sagte nach dem Kabinettsbeschluss vor einem Jahr, das Vorhaben könne unmöglich verwirklicht werden: "Der Tag, an dem die Planierraupen anrücken, ist weit entfernt, wenn sie denn überhaupt mal kommen." Premier May hatte sich früher ebenfalls kritisch über den Ausbau geäußert; ihr Wahlkreis Maidenhead liegt in der Einflugschneise.

Die Erweiterung ist deshalb so schwierig, weil Heathrow direkt an die Millionenstadt grenzt. 783 Häuser müssten abgerissen werden, bis zu 180 000 Menschen mehr als heute würden unter Fluglärm leiden. Die Landebahn, die in zehn Jahren einsatzbereit sein soll, würde zudem den Verlauf der Autobahn M25 kreuzen.

Das Parlament muss noch abstimmen, und eine Mehrheit ist nicht sicher

Zunächst hieß es, dass die viel befahrene Autobahn mit sechs Spuren in jeder Richtung in einem Tunnel verschwinden könnte. Heathrow könnte aber Geld sparen, wenn die Landebahn stattdessen mit einer Brücke über die M25 geführt würde, sagen Fachleute. Auch bei den geplanten neuen Terminalgebäuden oder den Gepäckabfertigungs-Systemen könnte gespart werden, um die Kosten wie vorgesehen um sechs Milliarden Pfund zu senken.

Unter anderem warnt British Airways, die wichtigste Fluggesellschaft in Heathrow, die hohen Ausgaben dürften nicht über die Landegebühren auf sie abgewälzt werden. Heathrow ist für die Airlines schon jetzt der teuerste Flughafen der Welt. Im vergangenen Jahr starteten oder landeten dort 76 Millionen Passagiere; 81 Fluggesellschaften steuern 82 Länder an.

Bei der alles entscheidenden Parlamentsabstimmung im kommenden Sommer könnten bis zu 60 Abgeordnete der regierenden Konservativen gegen den Ausbau votieren. Auf der anderen Seite wollen die 35 Parlamentarier der schottischen Nationalistenpartei SNP das Projekt unterstützen. Ausschlaggebend wird voraussichtlich sein, wie sich die größte Oppositionspartei Labour verhält. In ihrem Wahlprogramm haben die Sozialisten versprochen, die dritte Landebahn in Heathrow nur zu unterstützen, wenn Bedenken über Fluglärm und Abgase ausgeräumt würden. Beobachter schätzen, dass Parteichef Jeremy Corbyn gegen das Vorhaben stimmen wird, weil die Bedenken eben nicht ausgeräumt sind. Allerdings ist es gut möglich, dass zahlreiche Labour-Abgeordnete trotzdem für die dritte Piste votieren. Das würde dann für eine Mehrheit reichen.

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