Flughäfen:Ankunft im Nirgendwo

Von Landratspisten ist oft abfällig die Rede: Regionalflughäfen gelten als nicht mehr zukunftsfähig. Der Verkauf von Frankfurt-Hahn ist gerade gescheitert. Nur im Allgäu läuft es ganz gut.

Von Caspar Busse, Memmingen

Von seinem Bürofenster aus kann Ralf Schmid auf das Rollfeld schauen. Gerade ist eine Boeing 737 gelandet, in kyrillischer Schrift steht der Name der Fluggesellschaft auf der Maschine. Es ist die russische Pobeda, die Aeroflot-Billigtochter unterhält seit März einen täglichen Flug von Moskau nach Memmingen. Eine Million Passagiere peilt Schmid, der Geschäftsführer des Allgäu-Airports, für das kommende Jahr an. Es sind Ziele wie Moskau, die hier, tief im Allgäu, für steigende Zahlen sorgen. Demnächst werden sogar Hermannstadt in Rumänien und Kutaissi, die zweitgrößte Stadt in Georgien, angeflogen, insgesamt sind es mehr als 30 Ziele, zu denen die Jets aus dem Allgäu abheben.

Regionalflughäfen sorgen gerade für mächtig negative Schlagzeilen. "Es ist schon seit Jahren üblich, auf Regionalflughäfen rumzuhacken", klagt Schmid, der auch Chef der Interessensgemeinschaft der regionalen Flugplätze e.V. ist. Kleine Airports in der Provinz und dezentraler Flugverkehr seien aber wichtig, besonders für die wirtschaftliche Entwicklung in den Regionen, sagt er. Aber es läuft oft nicht.

Über den geplanten Verkauf des Airport Frankfurt-Hahn ist in Rheinland-Pfalz eine veritable Regierungskrise ausgebrochen. Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) hat gerade ein Misstrauensvotum überstanden. Sie wollte den Standort, der seit vielen Jahren Verluste macht, an einen chinesischen Investor verkaufen. Doch der entpuppte sich als Luftnummer, obwohl die Wirtschaftsprüfer von KPMG angeblich seine Solidität überprüft hatten. Die Transaktion wurde abgeblasen.

Allgäu-Airport Memmingen eröffnet

So ging alles los: Eine Allgäuer Blaskapelle empfängt die ersten Flug-Passagiere in Memmingen.

(Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Kein Einzelfall: Auch in Lübeck ist der Verkauf des Flughafens an Chinesen kläglich gescheitert. Viel Geld ging schon verloren. In Kassel-Calden wurden mehr als 250 Millionen Euro in einen Flugplatz investiert, aber es herrscht gespenstische Stille. Gegen die Geschäftsführung gibt es Vorwürfe, die Staatsanwaltschaft ermittelt. Zweibrücken wurde inzwischen stillgelegt. Die nächste Krise könnte in Friedrichshafen heraufziehen. Dort muss die Regionalfluggesellschaft VLM aufgeben.

In Memmingen, gut hundert Kilometer westlich von München, sei die Lage dagegen anders, sagt Schmid. Der Flughafen wird von der regionalen Wirtschaft, nicht vom Staat, getragen. Insgesamt 75 meist mittelständische Unternehmen halten 93 Prozent der Anteile, der Rest ist in den Händen einiger Landkreise. "Die Passagiere stimmen mit den Füßen ab", sagt Schmid. Die Bürger in der Nachbarschaft hätten bei einem Bürgerentscheid für den Flughafen gestimmt. Der Region habe der Flughafen gut getan. Etwa 40 Prozent der Passagiere kommen nach Memmingen, zum Beispiel, um im Allgäu, in Österreich oder in der Schweiz Urlaub oder Geschäfte zu machen. Der Allgäu-Airport hat derzeit rund hundert Arbeitsplätze, dazu kommen weitere 200 Jobs auf dem Flughafengelände sowie 1400 in Betrieben im Umfeld.

Flughäfen: Ralf Schmid, 49, ist seit Beginn Chef des Allgäu-Airports in Memmingen. Er vertritt auch die Interessen regionaler Flughäfen.

Ralf Schmid, 49, ist seit Beginn Chef des Allgäu-Airports in Memmingen. Er vertritt auch die Interessen regionaler Flughäfen.

(Foto: oh)

Ein Großteil des deutschen Flugverkehrs läuft über die großen internationalen Flughäfen, knapp 80 Prozent aller Passagiere starten und landen in Frankfurt, München, Berlin, Düsseldorf und Hamburg. Daneben gibt es aber viele mittlere und kleine Flughäfen, die ebenfalls Linienverkehr anbieten. Fast alle haben mit Verlusten zu kämpfen. Der Grund: Der Unterhalt eines Verkehrsflughafens ist teuer, die Sicherheitskontrollen werden immer schärfer. So muss zum Beispiel eine Flughafenfeuerwehr unterhalten werden, außerdem gibt es eine Betriebspflicht. Bei geringer Auslastung können diese Kosten kaum gedeckt werden. Verluste werden dann in der Regel von den Eigentümern, meist der öffentlichen Hand, getragen. Oft ist deshalb von Landratspisten die Rede. Kommunalpolitiker haben sich nicht selten Luxusprojekte gegönnt, die vielleicht gut für das eigene Image, aber schlecht für die Staatskasse sind.

Nach Angaben von Schmid hat der Allgäu Airport in den vergangenen zehn Jahren staatliche Gelder in Höhe von nur 7,5 Millionen Euro erhalten. Insgesamt wurden 30 Millionen Euro investiert. Alles hier ist betont schlicht: Die Abfertigungshalle ist ein ehemaliger Flugzeughangar aus den 50er-Jahren. Die Geschichte in Memmingen ist wechselhaft. 1935 baute die Wehrmacht einen Militärflughafen, noch steht eine Halle aus dieser Zeit. Nach dem Krieg nahm die US Air Force 1956 den Standort wieder in Betrieb, 1959 kam die Luftwaffe und stationierte Tornados und Starfighter. 2001 beschloss die Bundeswehr, den Standort stillzulegen, 2003 endete die militärische Nutzung. 2007 dann wurde der Passagierflugbetrieb aufgenommen. Memmingen ist heute hinter München und Nürnberg der drittgrößte Airport Bayerns. Die privaten Eigentümer hätten sehr auf Kostendisziplin geachtet, heißt es in Memmingen.

In der Luft

SZ-Grafik: Mainka; Quelle: ADV (Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen)

"Wir wollen 2017 unter dem Strich einen kleinen Gewinn erwirtschaften", sagt Schmid. 2015 lag das Minus noch bei knapp einer Million Euro. Reibungslos ist es aber auch im Allgäu nicht gelaufen. 2014 noch schrammte der Betreiber angeblich knapp an einer Pleite entlang. Nach der Ukraine- und Russlandkrise war der Verkehr Richtung Osteuropa zusammengebrochen. Außerdem wurden die innerdeutschen Verbindungen - früher gab es teilweise mehrmals täglich Verbindungen von Memmingen nach Berlin, Hamburg und Köln - aufgegeben, wegen mangelnder Attraktivität. Doch Schmidt gelang es, andere Fluggesellschaften anzulocken, etwa die ungarische Wizz Air oder Pobeda aus Russland. Auch Ryanair ist stark vertreten, obwohl sich die Iren künftig stärker auf große Flughäfen konzentrieren wollen.

Inzwischen prüft der Freistaat Bayern sogar einen Einstieg in Memmingen, anders als Rheinland-Pfalz, das verzweifelt Hahn loswerden will. "Konkrete Gespräche mit dem Flughafen Memmingen, wie eine Beteiligung gelingen kann, laufen derzeit", teilte das Finanzministerium in München mit. Das Land könnte Kapital für die Modernisierung bereitstellen, die Start- und Landebahn soll auf 45 Meter verbreitert werden. Im Gegenzug könnte Bayern bis zu 25 Prozent der Anteile bekommen. "Wir haben keine Angst vor einer Beteiligung des Freistaats", versichert Schmid. Und er fügt mit Blick auf Frankfurt-Hahn an: "Von einem chinesischen Investor für einen deutschen Flughafen halte ich gar nichts, in Infrastrukturfragen können solche Investoren nichts besser als wir."

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: