Flughäfen:Abheben in Memmingen

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Memmingen, Altenburg oder Hof: Die Größe einer Stadt scheint mittlerweile kein Kriterium mehr für den Betrieb eines Regionalflughafens zu sein. Sind diese Klein-Airports aber sinnvoll?

Paul Katzenberger

Der Billigflieger Ryanair machte es vor: Statt auf dem Flughafen Frankfurt teure Start- und Landerechte zu erwerben, verschob er das Drehkreuz für seine Ferienflieger in das über hundert Kilometer westlich gelegene Lautzenhausen/Hahn. Seither boomt dort der dortige Flughafen mit dem etwas irreführenden Namen Frankfurt Hahn: Knapp vier Millionen Passagiere fertigte der 400-Seelen-Ort im Jahr 2007 ab und rangiert damit vor dem Großstadtflughafen Leipzig/Halle (2,4 Millionen Passagiere) und nur knapp hinter dem fränkischen Drehkreuz Nürnberg (4,2 Millionen).

Inzwischen tun es viele andere Regionen den Hunsrückern aus Lautzenhausen gleich - und so verwundert es nicht, dass in der Provinz eine Gründerzeit in Sachen Flughäfen angebrochen ist. Egal, ob in Baden-Baden, Strausberg oder seit vergangenem Sommer auch in Memmingen - zu klein kann ein Ort für einen Flughafen inzwischen gar nicht mehr sein.

Wachstumssprung bei den Regionalflughäfen

Das macht sich auch in den Zahlen bemerkbar. Wiesen die deutschen Regionalflughäfen und Verkehrslandeplätze im vergangenen Jahr ein Wachstum von 16,7 Prozent bei den Fluggästen auf, so erhöhten die Großstadtflughäfen ihre Passagierzahlen lediglich um 6,3 Prozent.

Dennoch ist die Kluft zwischen Provinz- und Metropolenairports immer noch groß. Nutzten im vergangenen Jahr 184 Millionen Fluggäste einen Großstadtflughafen (zu denen inzwischen auch Hahn zählt), so kamen die der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV) angeschlossenen Regionalflughäfen zusammen gerade einmal auf 5,8 Millionen Passagiere.

In der Summe tummelten sich im vergangenen Jahr damit circa 190 Millionen Fluggäste auf Deutschlands Flughäfen, bis zum Jahr 2020 sollen es über 300 Millionen sein. Schon heute wissen die Großflughäfen Frankfurt und München allerdings nicht mehr, wie sie dem Ansturm von immer mehr Fliegern gerecht werden sollen. Und schon heute können sie zu den Hauptverkehrszeiten keine weiteren Startrechte (Slots) vergeben.

Grund zu Optimismus

Der ADV hat daher allen Grund zu Optimismus: Bis zum Jahr 2020 rechnet er mit einem Anstieg der Verkehrsnachfrage bei Regionalflughäfen um mehr als 200 Prozent, während er den prognostizierten Zuwachs im gesamten Luftverkehr bei lediglich etwa 80 Prozent ansiedelt: "In Deutschland müssen für den regionalen Linienluftverkehr und die individuelle Geschäftsluftfahrt an den Flughäfen sinnvolle Ausweichmöglichkeiten geschaffen werden, wo die Nachfrage aller Slot-Wünsche in absehbarer Zukunft nicht mehr bedient werden kann", sagt dazu ADV-Geschäftsführer Ralph Beisel.

Entsprechend viele Pläne für den Ausbau von Regionalflughäfen liegen bereits auf dem Tisch: Münster, Paderborn/Lippstadt und Stade wollen erweitern, ebenso Jagel bei Schleswig, Karlsruhe, Lahr in Baden, Zweibrücken, Hahn, Kassel-Calden, Cochstedt bei Magdeburg, Oberpfaffenhofen, Hof-Plauen und Leipzig. In Schwerin-Parchim erwarb die chinesische Global-Link-Gruppe für 100 Millionen Euro den Baltic Airport. Er soll zwar zunächst ein Güterumschlagsplatz werden, doch die Chinesen denken offenbar auch an Passagierverkehr.

Lesen Sie auf Seite zwei, was Experten vom Ausbau der Flughafen-Infrastruktur in Deutschland halten.

Allerdings glauben nicht alle Experten, dass dieser unkontrollierte Ausbau einer Flughafen-Infrastruktur sinnvoll ist: "Wenn überspitzt formuliert jeder zweite Landkreis einen Flughafen baut, wird das nicht funktionieren", sagt Eric Heymann, der für die Deutsche Bank Research eine Studie zu dem Thema verfasst hat.

Untersuchung der EU

Heymann beruft sich dabei auf eine Untersuchung der EU. Diese kommt zu dem Ergebnis, dass die kritische Größe zum kostendeckenden Betrieb eines Flughafens bei 500.000 bis zwei Millionen Fluggästen liege.

Von den 29 im ADV organisierten Flughäfen kommen nur die Airports Friedrichshafen, Karlsruhe/Baden-Baden, Lübeck, Niederrhein und Paderborn/Lippstadt auf mindestens 500.000 Passagiere. Der Rest lag 2007 zum Teil deutlich darunter.

Mit sehr wenigen Passagieren ließen sich die Personalkosten und die Abschreibungen für Start- und Landebahnsysteme sowie Gebäude aber nicht decken: "Die Einnahmen, die sich aus Start- und Landegebühren sowie Parkentgelten und vielleicht noch einem Gastronomiebetrieb speisen, reichen dann bei weitem nicht aus", sagt Heymann.

In der Folge blieben die Eigentümer auf den Verlusten sitzen: "Da es sich in aller Regel um Kommunen oder Landkreise handelt, fehlt das Geld dann für andere wichtigen Aufgaben, beispielsweise für Schulen", warnt der Deutsche-Bank-Experte.

Dieser Auffassung widerspricht der Luftverkehrsexperte Richard Klophaus von der Fachhochschule Trier. Denn für einen staatlichen Betreiber sei das Kalkül anders: "Selbst wenn der Staat mit dem Flughafenbetrieb als solches Verluste macht, kann er sich für ihn dann lohnen, wenn er durch den Betrieb des Airports langfristig höhere Steuern einnimmt."

Wichtiges Bekenntnis

Die reine Passagierbetrachtung greife außerdem dann zu kurz, wenn ein Unternehmen seine Standortentscheidung von der Existenz eines Flughafens abhängig mache: "Die Firma Würth wäre nicht in Schwäbisch Hall geblieben, wenn die Stadt ihr nicht beim Ausbau des Flughafens entgegengekommen wäre", so Klophaus. Der reine Betrieb des Flughafens Schwäbisch Hall sei also möglicherweise defizitär, doch das Bekenntnis Würths zu dem Ort sei von ungleich größerer Bedeutung.

Deutsche-Bank-Experte Heymann fordert dennoch eine auf Bundesebene abgestimmte Flughafenpolitik, bei der regionalpolitische Interessen nüchterner beurteilt würden. Dies könne Dauerverlustbringer vermeiden.

Klophaus hält es hingegen für richtig, die Standortentscheidungen für Flughäfen bei den Ländern zu lassen. Denn wenn sich ein Land für einen Flughafen entscheide, müsse es ihn auch bezahlen: "Dieses Prinzip, dass Bestellung und Bezahlung in einer Hand liegen, könnte nicht mehr durchgehalten werden, wenn der Bund über die Ansiedlung von Flugplätzen entschiede", so der Luftverkehrsexperte.

Zwar gebe es durchaus Flughäfen, die zu nah beieinander lägen und sich dadurch kannibalisierten, wie etwa im Falle Saarbrückens und Zweibrückens, die nur 40 Kilometer voneinander entfernt seien. Doch das sei eine Ausnahme, da die saarländisch-rheinland-pfälzische Landesgrenze eben genau zwischen den beiden Flughäfen verlaufe.

Subventionen fließen unterschiedlich

Eine solche Konkurrenzsituation unter Ländern kann also zur Verschleuderung von staatlichen Subventionen führen. Wie hoch sich die eventuelle Verschwendung bei den Regionalflughäfen beziffert, ist nach Meinung der Experten allerdings schwer zu beziffern, da die Subvention bei jedem Flughafen anders fließt.

"Belastbare Zahlen für die Subventionen von Regionalflughäfen für alle 16 Bundesländer sind kaum zu bekommen", sagt Heymann.

Allerdings bewegten sich die regionale Förderung für die Regionalflughäfen häufig auf einem deutlich geringeren Niveau als für die großen Airports, merkt Luftverkehrsexperte Klophaus an. So seien beispielsweise in den Internationalen Verkehrsflughafen Erfurt Mittel in Höhe von mehr als 200 Millionen Euro geflossen, während der Regionalflughafen Leipzig-Altenburg vergleichsweise bescheidene 16 Millionen Euro erhalten habe.

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