Flugverkehr:Europas Kampf um die Lufthoheit

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Das Druckmittel der EU-Kommission: Wer sich nicht an die europäischen Regeln hält, soll Start- und Landerechte verlieren. (Foto: dpa)
  • Die EU-Kommission will künftig Luftverkehrsverhandlungen mit Drittstaaten zentral führen.
  • Beobachter vermuten hinter der Initiative aus Brüssel den Versuch, die europäischen Fluglinien vor der Konkurrenz aus Nah- und Fernost zu schützen.

Von Jens Flottau und Thomas Kirchner, Frankfurt/Brüssel

Viele Monate hat die EU-Kommission an diesen sechzehn Seiten gefeilt. Es gab einen langen Anhörungsprozess für betroffene Interessengruppen. Wenn Verkehrskommissarin Violeta Bulc am Montag die lang erwartete europäische Luftverkehrsstrategie vorstellt, geht es um zwei Kernpunkte: "Vorkehrungen für fairen Wettbewerb" und das Mandat, künftig zentral EU-weite Luftverkehrsverhandlungen mit Drittstaaten zu führen - und die Frage, ob die Vorhaben den nächsten großen Handelskonflikt im Luftverkehr auslösen.

Die EU-Strategie hat, wenn sie konsequent umgesetzt würde, das Potenzial dazu. Denn was sich hinter den beiden Stichpunkten tatsächlich verbirgt, ist der Versuch, die klassischen großen europäischen Fluggesellschaften wie Lufthansa und Air France besser gegen die neuen Konkurrenten zu schützen, auch wenn die Kommission ihren Vorstoß als Wachstumsidee verpackt. "Ich habe mich gefragt, was man tun kann, um europäischen Unternehmen einen Schub zu geben", sagt Verkehrskommissarin Violeta Bulc der SZ. Und: "Es geht auch darum, gleiche Bedingungen für alle zu schaffen, die auf dem europäischen Markt tätig sind."

Schutz vor der staatlich subventionierten Konkurrenz

Gleiche Bedingungen sind nach Ansicht von Lufthansa und Air France nicht gegeben. Die außereuropäische Konkurrenz profitiere von unfairen staatlichen Subventionen, niedrigen Löhnen und laschen Arbeitsgesetzen, beklagen sie schon länger. Die amerikanischen Fluggesellschaften haben in den USA parallel eine millionenschwere Kampagne gegen die drei Golf-Airlines Emirates, Etihad und Qatar Airways gestartet. Darin werfen sie den neuen Konkurrenten vor, mehr als 40 Milliarden Dollar an staatlichen Hilfen erhalten zu haben. Diese bestreiten das vehement. Qatar-Airways-Chef Akbar Al Baker betont, es gebe einen Unterschied zwischen Eigenkapital und einer Subvention (Katar hat der staatlichen Airline oft in Form von Eigenkapitalspritzen geholfen). Emirates weist den Vorwurf kategorisch zurück und betont, man habe im Gegenteil fast vier Milliarden an Dividenden an das Emirat Dubai gezahlt.

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Die Kommission will sich von den Mitgliedstaaten deshalb beauftragen lassen, auf EU-Ebene Luftverkehrsabkommen zu schließen und dabei die Wettbewerbsbedingungen anzusprechen. Genannt werden neben den sechs Golfstaaten China, die Staaten der Asean-Gemeinschaft, die Türkei, Mexiko und Armenien. Solche Abkommen existieren unter anderem schon mit den USA, Kanada, Brasilien und haben laut der Kommission zu einem deutlich höheren Passagieraufkommen geführt.

Wer sich nicht an EU-Vorgaben hält, darf nicht mehr landen

Die Luftfahrt unterliegt nicht den Regeln der Welthandelsorganisation, bei Verdacht auf Wettbewerbsverzerrung kann keine Schlichtungsstelle angerufen werden. Im Prinzip hält die EU zwar ein Mittel in der Hand, um gegen aus ihrer Sicht unfaire Praktiken vorzugehen. Die Verordnung 868 aus dem Jahr 2004, in der es um Subventionen und unlautere Preisbildung geht, wurde aber noch nie angewendet. Sie richtete sich ursprünglich gegen Preisdumping amerikanischer Fluggesellschaften. "Sie war mit gutem Willen geschrieben", sagt Bulc, "diente aber ihrem Zweck nicht." Sie soll nun so geändert werden, dass sie auf die derzeitige Wettbewerbssituation Anwendung findet. Es muss also eine neue Definition her, was genau unter einer "unfairen Praxis" zu verstehen wäre.

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Als Hebel, um die Konkurrenten in Asien und Nahost zu überzeugen, nennt Bulc schlicht den "Zugang zum europäischen Markt". Mit anderen Worten: Wer sich nicht an die von Europa definierten Regeln hält, darf nicht mehr (oder nicht mehr so viele) europäische Ziele ansteuern. Das Problem ist die Umsetzung. Denn es gibt gültige Abkommen zwischen den einzelnen europäischen Ländern und Drittstaaten, die nicht einfach geändert werden können. Länder wie Indien, Russland und die Arabischen Emirate müssten überhaupt erst einmal bereit sein, mit der Kommission anstatt der Bundesregierung zu verhandeln. Indien und Russland haben die Idee bereits abgelehnt. Die meisten nicht-europäischen Airlines sind schon deswegen dagegen, weil sie befürchten, dass Verhandlungen auf EU-Ebene locker fünf Jahre dauern würden. In dieser Zeit könnten sie keine neuen Flugrechte bekommen. Böse Zungen behaupten, genau das sei das Ziel.

Flughäfen fürchten um ihr Geschäft

Was eine zu offensive Politik im internationalen Luftverkehr auslösen kann, hat die Kommission vor knapp zwei Jahren erfahren. Damals wollte sie auch Flüge nach Europa ihrem Emissionshandel unterwerfen. Nur massive Drohungen mit Handelssanktionen brachten sie im letzten Moment davon ab.

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Und bei der Definition der Klauseln zum fairen Wettbewerb ist Streit programmiert, denn die Vorstellungen, was fair ist oder nicht, gehen auseinander. Ralph Beisel, Chef des deutschen Flughafenverbandes ADV, kritisiert, ein Schutzinstrument, das gegen die Golf-Airlines konzipiert wurde, könne "zu einer umfassenden Marktabschottung gegenüber allen nicht-europäischen Fluggesellschaften führen." Von den 30 größten nicht-europäischen Airlines erfülle so gut wie keine die Bedingungen, die der Kommission in Sachen fairem Wettbewerb vorschweben. Auch in der Kommission gibt es nach SZ-Informationen massive rechtliche Bedenken gegen das Vorhaben.

Unter den Leidtragenden der neuen EU-Strategie könnten nicht nur ausländische Airlines sein, sondern auch europäische Flughäfen. Denn wenn sie nicht zu den wenigen Drehkreuzen wie Frankfurt oder London-Heathrow zählen, bringen die Anbieter aus Drittstaaten den nötigen Verkehr und die Gebühren. Sicher könnten kleinere Flughäfen leiden, räumt auch Bulc ein. Es gebe eben "sehr viele Flughäfen" in der EU, und viele seien auch nicht ausgelastet. Ihr sei es daher wichtig, dass Schnellzugnetz in Europa auszubauen.

© SZ vom 07.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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