Fluggesellschaften:Air Berlin prüft LTU-Verkauf

Ende des Expansionskurses: Wegen der Wirtschaftskrise erwägt die Fluggesellschaft Air Berlin die Einstellung aller Langstreckenflüge - und den Verkauf der Airline LTU.

Jens Flottau

Die Fluggesellschaft Air Berlin will mit harten Schritten auf die sich deutlich verschlechternde wirtschaftliche Lage des Unternehmens reagieren. Der Aufsichtsrat des Konzerns hat "beschlossen, eingehend einen Verkauf der Fluggesellschaft LTU zu prüfen und gegebenenfalls auch umzusetzen", heißt es in einem Schreiben des Vorstands, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Darüber hinaus soll der Vorstand prüfen, das gesamte Langstreckengeschäft dicht zu machen.

LTU, dpa

Expansionskurs vor dem Aus: Die Fluggesellschaft Air Berlin prüft den Verkauf der Linie LTU.

(Foto: Foto: dpa)

Air Berlin nennt zwei Gründe für seine Pläne. Einerseits sei die Nachfrage nach Geschäftsreisen wegen der weltweiten Wirtschaftskrise eingebrochen. Hinzu komme "die noch immer sehr schlechte Buchungslage bei den Reiseveranstaltern, die Hauptkunden für unsere touristischen Langstrecken sind." Andererseits verweist der Vorstand in dem Schreiben auf aus seiner Sicht "nicht akzeptable Forderungen der Tarifkommission und die Haltung der (Pilotengewerkschaft) Vereinigung Cockpit" in den aktuellen Verhandlungen. Dadurch werde die schon herausfordernde Lage "sehr erschwert."

Kontakte mit Interessenten

Unternehmenskreisen zufolge würden die Tarifforderungen der Piloten bei der LTU Mehrkosten in Höhe von 30 Millionen Euro jährlich verursachen. Air Berlin hat im vergangenen Jahr nach eigenen Angaben nur einen kleinen operativen Gewinn gemacht, die genauen Zahlen gibt das Unternehmen Ende des Monats bekannt.

Zwar gibt es laut Informationen aus Branchenkreisen bereits Kontakte zu möglichen Interessenten. Jedoch ist zweifelhaft, ob es Air Berlin in der aktuellen wirtschaftlichen Lage und angesichts der schlechten Aussichten bei LTU wirklich gelingt, die Tochtergesellschaft zu verkaufen. Die Pläne seien aber "deutlich mehr als eine Drohung", so ein Insider.

Allerdings: Der Aufsichtsratsbeschluss wurde genau in dem Moment bekannt und mehreren Medien offiziell bestätigt, da die Vereinigung Cockpit ihre Mitglieder bei der LTU zu einer Urabstimmung für einen möglichen Streik aufgerufen hat. Er wird deswegen in der Branche auch als letzte Warnung des Unternehmens an die Piloten gewertet. Bei LTU haben die Gewerkschaften traditionell eine starke Stellung.

Würde sich Air Berlin tatsächlich von LTU trennen, so wäre von den ehrgeizigen Expansionsplänen von Konzernchef Joachim Hunold nicht mehr viel übrig. Hunold hatte Mitte 2006 die auf Inlandsstrecken spezialisierte DBA gekauft, im März 2007 dann die LTU. Im vergangenen Jahr versuchte Air Berlin erfolglos, auch noch den Ferienflieger Condor zu übernehmen. Derzeit verhandelt das Unternehmen noch über einen Einstieg bei der TUI-Tochter TUIfly.

Warnstreiks belasten

Im vergangenen November machte Hunold bereits kurzerhand die DBA dicht, nachdem ebenfalls die Piloten mit Warnstreiks gedroht hatten. Noch wenige Monate zuvor hatte er ihnen in einem Tarifvertrag garantiert, sie 2009 mindestens elf Flugzeuge fliegen zu lassen. Stattdessen erhielten Piloten und Flugbegleiter Kündigungen und Vertragsangebote zu deutlich schlechteren Air-Berlin-Bedingungen. Etwa zwei Drittel der DBA-Crews haben die Verträge trotz allem akzeptiert. Der Rest, etwa 200 Mitarbeiter, bleibt seit vier Monaten und bis auf Weiteres bei voller Bezahlung am Boden.

Ein Ziel bei den Übernahmen war es, das Langstreckengeschäft deutlich auszubauen. Deswegen bestellte die Airline 25 Maschinen vom Typ Boeing 787. Doch Anfang 2008 musste Air Berlin gerade neu aufgenommene Linienflüge nach Peking und Schanghai nach nur wenigen Wochen einstellen, weil die Maschinen oft fast leer unterwegs waren.

Nach dem gescheiterten Experiment, das Branchenkreisen zufolge einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag kostete, konzentrierte sich Air Berlin auf die traditionellen touristischen Langstrecken der neuen Konzerntochter LTU, die angesichts der damals guten Wirtschaftslage besser ausgelastet waren. Würde Air Berlin den mehr als drei Milliarden Dollar großen Auftrag bei Boeing stornieren, wären hohe Vertragsstrafen fällig. Die ersten Maschinen sollen 2013 ausgeliefert werden.

Zwei Vorteile hatten die Übernahmen für Air Berlin allerdings trotz allem: Dank LTU und DBA konnte sich der Konzern viele zusätzliche Start- und Landezeiten an den chronisch verstopften Flughäfen Düsseldorf und München sichern. Und er hat zwei Konkurrenten vom Markt beseitigt.

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