Flüchtlinge:Lehrling statt Hilfsarbeiter

Firma Samson bildet Flüchtlinge aus

Abdisamed Abdullahi Mohamoud aus Somalia hat vergangenes Jahr eine Lehre zum Industriemechaniker begonnen. Noch ist er einer von wenigen.

(Foto: Andreas Arnold/dpa)

Bildungsministerin Wanka will, dass mehr junge Geflüchtete eine Ausbildung machen. Die Betriebe wären dankbar für den Nachwuchs - der aber verfolgt oft andere Ziele.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Für Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles war immer klar: "Die Integration der Flüchtlinge ist kein Sprint, sondern ein Dauerlauf." Um die Hälfte der Flüchtlinge in Arbeit zu bringen, seien "mindestens fünf Jahre nötig", sagt die SPD-Politikerin. Doch nicht nur hier ist Geduld nötig, auch beim Thema Ausbildung für Flüchtlinge geht es nur langsam voran. Das zeigt jetzt eine erste Bilanz für das Handwerk.

Im Februar 2016 verkündeten Bundesregierung, Bundesagentur für Arbeit (BA) und der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) ein neues Programm, um junge Geflüchtete zu qualifizieren. Damit sollten bis 2018 möglichst 10 000 von ihnen für die Ausbildung in einem Handwerksberuf fit gemacht werden. Schließlich sucht das Handwerk dringend Azubis: Tausende Ausbildungsstellen vor allem bei Metzgern, Bäckern, Klempnern, Gerüstbauern oder Gebäudereinigerin lassen sich Jahr für Jahr nicht besetzen.

Das Ziel von 10 000 Lehrlingen liegt noch in weiter Ferne - der Trend ist aber positiv

Doch das neue Programm ist bislang schleppend angelaufen: Nach Angaben des Bundesbildungsministeriums haben im vergangenen Jahr lediglich 1119 Geflüchtete an den vier bis sechs Monate langen Orientierungskursen im Handwerk teilgenommen. Davon waren nur 48 weiblich. Danach sollen die Geflüchteten in einer sogenannten Vertiefungsphase für drei Monate konkrete Handwerksberufe kennenlernen. Hier zählte das Ministerium 392 Teilnehmer, davon waren 16 Frauen. Wie viele Geflüchtete das Programm abgebrochen haben, ist bisher nicht bekannt. Die Zielmarke von 10 000 jedenfalls ist noch in weiter Ferne.

Trotzdem bleibt Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) optimistisch: "Erste Erfahrungen zeigen, dass die Bereitschaft der Handwerksbetriebe, junge Flüchtlinge auszubilden, sehr hoch ist", sagt sie. Es zeige sich aber auch, dass Geduld und Flexibilität gefragt seien, um Flüchtlinge in eine Ausbildung im Handwerk zu bringen.

Das liege daran, "dass es bisher noch zu wenig Flüchtlinge gab, die jetzt schon die nötigen Voraussetzungen für das Programm mitbringen". Dabei gehe es an erster Stelle um die Sprachkompetenz. "Hinzu kommen häufig erhebliche Defizite in Grundkompetenzen wie Lesen oder Mathematik", sagt Wanka.

Die Bildungsministerin verweist auch darauf, dass viele Geflüchtete die in Deutschland übliche duale Ausbildung in Berufsschule und Betrieb aus ihren Herkunftsländern nicht kennen. Daher müsse man "nicht selten die Motivation der jungen Menschen wecken, eine Berufsausbildung zu machen". Als ein weiteres großes Hindernis gilt dabei der weit verbreitete Wunsch vieler Flüchtlinge, möglichst schnell Geld zu verdienen - nicht zuletzt, um die Familie in der Heimat unterstützen zu können. Viele nehmen deshalb gern Hilfsjobs in Hotels und Gaststätten oder im Reinigungsgewerbe an.

Dennoch gibt sich Wanka zuversichtlich: 2017 werde es mehr geeignete Teilnehmer für das Programm geben, da viele Geflüchtete voraussichtlich ab der Jahresmitte ihren Integrationskurs abgeschlossen haben dürften. Die Ministerin räumt allerdings ein: "Bisher konnten wir leider nur wenige Frauen gewinnen. Ich hoffe, dies wird sich in Zukunft ändern."

Ein neuer Flyer soll für eine klassische Ausbildung im Handwerk werben

Ihr Ministerium will nun zusammen mit dem Handwerk stärker um junge Geflüchtete werben. Dafür gibt es auch einen neuen Flyer in deutscher Sprache, der sich direkt an sie wendet. "Ausbildung lohnt sich", heißt es darin. Von "guten Karrierechancen" und mehr als 130 Berufen im Handwerk ist die Rede. Handwerkspräsident Hans-Peter Wollseifer sagte bereits Ende 2016: "Tausende Betriebe hätten die Flüchtlinge lieber heute als morgen, ihnen geht es nicht schnell genug."

Erste Fortschritte gibt es immerhin schon: 2016 lernten laut ZDH knapp 4600 junge Menschen aus den acht häufigsten Asylzugangsländern Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan, Somalia und Syrien einen Handwerksberuf in Deutschland. Das sind 2900 Personen oder 175 Prozent mehr binnen drei Jahren. "Diese Zahlen stimmen zuversichtlich", heißt es beim Zentralverband.

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