Flüchtlinge:Wieso Banken vielen Asylbewerbern ein Konto verweigern

Wirtschaft will stärker auf Migranten setzen

Zwei Flüchtlinge arbeiten in einer Fortbildungswerkstatt in Dresden.

(Foto: Oliver Killig/dpa)
  • Etwa eine Million Menschen sind hierzulande ohne Konto, darunter auch viele Flüchtlinge.
  • Die Banken sind dazu angehalten, Flüchtlingen ein Konto zu eröffnen, jedoch nicht dazu verpflichtet. Im Frühjahr soll ein neues Gesetz zum "Konto für jedermann" kommen.

Analyse von Vivien Timmler

Mit einer einfachen Büroklammer hält Saifi Shashavari seine Lebensgrundlage für die nächsten vier Wochen zusammen. Knapp 150 Euro, zusammengefaltet in der Innentasche seiner Daunenjacke. Er bekommt immer alles auf einmal, viele kleine Scheine. Ein paar davon auf seinem Zimmer zu lassen, das traut sich der 19-Jährige nicht. Hin und wieder werden Schränke aufgebrochen, hier in der McGraw-Kaserne im Osten Münchens.

Er hat gehört, dass man sein Geld speichern kann, auf einer kleinen Plastikkarte mit einem schwarzen Streifen hinten drauf. Zu Hause in Afghanistan hatte er so etwas nicht. Aber er stellt es sich himmlisch vor: Nie wieder stundenlang auf dem Amt auf das Bargeld warten, nicht mehr ständig nachzählen, ob noch alles da ist. "Noch habe ich keine Aufenthaltsgenehmigung, aber ich hoffe bald", sagt er, "und dann möchte ich auch so eine Karte. Meine Freunde sagen, das wäre machbar."

Das Gesetz soll im Frühjahr kommen

Offenbar hatten seine Freunde entweder viel Geduld - oder viel Glück. Denn "machbar", das ist so eine Sache. Etwa eine Million Menschen sind hierzulande ohne Konto, darunter auch viele Flüchtlinge. Die Banken sind zwar angehalten, gesetzlich aber nicht dazu verpflichtet, für sie ein Konto zu eröffnen - zumindest noch nicht.

Im Frühjahr soll das entsprechende Gesetz zum "Konto für jedermann" in Kraft treten. Dann dürfen die Banken niemandem mehr ein sogenanntes Basiskonto verwehren, weder Flüchtlingen noch Deutschen. Dabei handelt es sich um ein Konto auf Guthabenbasis, das Ein- und Auszahlungen, Lastschriften und Überweisungen ermöglicht - das aber nicht überzogen werden kann. Aktuell befasst sich der Bundestag mit dem Gesetzesvorhaben. Es ist nicht zustimmungspflichtig. So sehr sich die Banken auch dagegen sträuben, das Gesetz wird kommen.

Umso erstaunlicher ist es daher, dass die meisten Geldinstitute das Gesetz offenbar keinen Tag eher umsetzen wollen als vorgeschrieben. Lediglich die Sparkassen bieten anerkannten Asylbewerbern ein solches Konto an, alle anderen Banken versuchen, anerkannte Asylbewerber als potenzielle Neukunden abzuwehren. Häufig berufen sie sich dabei auf Paragraf IV des Geldwäschegesetzes. Darin steht, dass Geldinstitute die Identität ihrer Kunden anhand eines gültigen Ausweises prüfen müssen. Diesen besitzen Geflohene jedoch häufig nicht. Sie können lediglich eine Aufenthaltsgenehmigung als Ausweisersatz vorweisen, und das lehnt ein Großteil der Banken kategorisch ab.

Dabei hatte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) erst im September die Bedingungen gelockert, unter denen die Banken Flüchtlingen ein Konto ausstellen dürfen. Statt eines Lichtbildausweises reicht seitdem ein behördliches Dokument mit Namen, Nationalität, Geburtsdaten und Meldebestätigung, zumindest in der Theorie.

Das Risiko von Geldwäsche und Terrorfinanzierung sei groß, meint Jürgen Fitschen

Denn Deutsche Bank, Postbank und Commerzbank bezeichnen die Empfehlung der Bafin als "nicht ausreichend". Die internationale Gesetzeslage habe sich dadurch nicht verändert. Noch immer sei das Risiko von Terrorfinanzierung und Geldwäsche groß, findet der Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken, Jürgen Fitschen: "Die Banken würden dann Personen den Zugang zum Zahlungsverkehr gewähren, die ihn missbrauchen wollen."

Erst mit Inkrafttreten des Gesetzes zum "Konto für jedermann" gebe es eine verlässliche Rechtsgrundlage, urteilen die Bankenverbände. Aus dem Bundesfinanzministerium heißt es hingegen, "die Einwände werden von den Instituten nicht mehr aufrechterhalten." Man sei sich einig, dass die Banken durch die Umsetzung der Bafin-Empfehlung nicht gegen das Geldwäschegesetz verstoßen.

Meist begründen die Banken ihre Entscheidung nicht

Bis in die einzelnen Filialen ist diese Einigung jedoch noch nicht vorgedrungen. Gespräche mit Flüchtlingen und ihren Betreuern zeigen: Noch immer werden sie als Kunden abgewiesen. Meist begründen die Banken ihr Vorgehen nicht einmal. Das weiß auch der 22-jährige Syrer Diaa. Er hat eine Aufenthaltsgenehmigung, ein Zimmer im Studentenwohnheim, seit Kurzem endlich auch einen Studienplatz - nur ein Bankkonto, das hat er nicht. Vier Mal war Diaa in der Zentrale der Aachener Commerzbank, um eines zu eröffnen. Denn ohne Konto kann ihm das Geld aus seinem Stipendium nicht überwiesen werden und er sein Studium nicht finanzieren.

Lange haben ihn Mitarbeiter der Commerzbank hingehalten, ihn vertröstet, ihm gesagt, er solle ein andermal wiederkommen. Erst als Diaa einen Freund zu Hilfe holte, bekam er eine Antwort: Es sei Mitarbeitern der Commerzbank untersagt, Syrern ein Konto zu eröffnen. Grund seien "Sanktionen der Bundesregierung gegen Syrien". Er solle bitte nicht mehr wiederkommen. Auf Nachfrage möchte sich bei der Aachener Commerzbank niemand zu den Vorfällen äußern, auch eine schriftliche Anfrage bleibt unbeantwortet. Diaa versteht das nicht: "Ich will doch keinen Kredit aufnehmen. Ich möchte einfach nur ein Guthabenkonto."

Ein Konto ist für Flüchtlinge weit mehr als nur ein Gelddepot, weiß Schuldnerberater Klaus Hofmeister. "Ein Mensch kann ohne Bankkonto langfristig nicht am gesellschaftlichen Leben teilnehmen", sagt er. Gehalt zu empfangen, eine Mietwohnung zu bezahlen, selbst Mitglied in einem Sportverein zu werden, all das sei ohne Konto quasi unmöglich.

"Kein Arbeitgeber war bereit, mir den Lohn in bar auszuzahlen."

Diese Erfahrung hat auch Nursu Ayash gemacht. Die 25-jährige Syrerin ist schon lange in Deutschland, vor zwei Jahren wurde ihr Asylantrag genehmigt. Fast genauso lange musste die junge Frau einen Ausbildungsplatz suchen, weil sie einfach kein Konto bekam. "Kein Arbeitgeber war bereit, mir den Lohn in bar auszuzahlen. Und ich hatte bestimmt vierzig Bewerbungsgespräche." Irgendwann habe sie einfach das Konto ihrer Schwester angegeben und bekam prompt einen Ausbildungsplatz. "Es kann doch nicht sein, dass ein Konto schwieriger zu bekommen ist als Arbeit."

Hofmeister glaubt, dass die Banken keine Flüchtlinge als Neukunden haben wollen, weil sie keine lukrativen Kunden sind. Zwar wird das Basiskonto nicht kostenfrei sein, der Verwaltungsaufwand ist jedoch groß und die voraussichtlichen Einzahlungen gering. Die Konten sind für die Banken anfangs also ein Zuschussgeschäft.

Ab dem Frühjahr werden sie das jedoch akzeptieren müssen. Wird einem Flüchtling dann ein Konto verwehrt, kann er sich an die Bafin wenden, die wiederum die Banken dazu zwingen kann, den Kunden anzunehmen. Notfalls kann sie ein Bußgeld verhängen. Diaa sagt: "Ich habe es geschafft, aus Syrien zu fliehen, da werde ich es auch schaffen, ein Konto zu eröffnen."

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