Verkehr:Flixbus kann der Deutschen Bahn richtig gefährlich werden

Ein ICE fährt in den Nürnberger Hauptbahnhof ein

Noch hat die Deutsche Bahn im Personenfernverkehr einen Marktanteil von 99 Prozent.

(Foto: Pablo Castagnola/Deutsche Bahn AG)

Der Staatskonzern kennt keine echte Konkurrenz im Fernverkehr. Doch die ist dringend nötig - sonst droht Reisenden ein Rückfall in die Zeit der Monopole.

Kommentar von Markus Balser

Wie sich echte Konkurrenz anfühlt? Im Personenfernverkehr hat die Deutsche Bahn das streng genommen noch nie erlebt. Mit einem Marktanteil von 99 Prozent ist das Unternehmen mit seinen ICE und IC auf Deutschlands Gleisen fast allein unterwegs. Ein paar Nachtzüge, der Schnellzug Thalys von Paris nach Köln. Das war's. Und wenn es in der Vergangenheit tatsächlich doch mal jemand versuchte, ließ sich die Bahn etwas einfallen. Mal verkaufte sie nur sich selbst Strom aus dem Konzernnetz zum Sonderpreis, mal durften Konkurrenztickets in den Bahn-Reisezentren nicht verkauft werden.

Angebote wie der Inter-Connex, der Leipzig, Berlin und Rostock verband, oder auch Locomore von Berlin nach Stuttgart verschwanden entsprechend schnell wieder vom Fahrplan. Nun gibt es einen neuen Versuch. Mit giftgrünen Zügen startet Mitte März der Münchner Konkurrent Flixtrain auf den Schienen des Staatskonzerns. Wieder geht es erst mal nur um ein paar Züge und wenige Verbindungen zwischen Hamburg und Köln sowie Berlin und Stuttgart. Wieder fährt ein privater Anbieter erst mal in der Nische los. Und wieder können Kunden zu Billigpreisen einsteigen. Doch diesmal könnte es für die Deutsche Bahn und ihre Manager erstmals gefährlich werden. Denn es geht um Konkurrenz einer neuen Generation.

Schon einmal hat die Firma, die bereits mehr als 40 Millionen Fahrgäste pro Jahr in Fernbussen durch Europa transportiert, gezeigt, dass sie etwas bewegen kann. Mit Flixbus gelang es ihr in wenigen Jahren, praktisch den gesamten und erst wenige Jahre alten Fernbus-Markt in Deutschland zu dominieren. Und das beinahe ohne eigene Busse. Flixbus arbeitet als digitale Plattform. Das Unternehmen schafft die Marke und ein elektronisches Buchungssystem für Kunden. Den Betrieb übernehmen dann mittelständische Busunternehmen.

Ein Online-Geschäftsmodell, dessen Dynamik die Bahn nun auch auf der Schiene fürchten muss. Denn Flixtrain arbeitet nach dem gleichen System. Auch die Züge betreibt das Unternehmen nicht selbst. Flixtrain lässt auf den ersten Routen einen tschechischen und einen deutschen Anbieter für sich fahren.

Schon auf der Straße machte das Unternehmen so klar: Am Produkt verdient im digitalen Zeitalter nicht zwangsläufig dessen Produzent. Am Kunden verdient, wer es schafft, mit eigenen Plattformen die Verbindung von Anbieter und Nutzer herzustellen. So dürfte der Start von Flixtrain auf der Schiene auch zur ersten ernsten Bewährungsprobe für das bislang so unangreifbare Geschäftsmodell der Deutschen Bahn werden. Wohl auch mit allen Nebenwirkungen, vor denen Gewerkschaften zu Recht warnen. Der Kampf um Billigtickets wird oft zulasten der Beschäftigten ausgetragen.

Die Politik hat den Kampf um mehr Wettbewerb vernachlässigt

Mehr Konkurrenz zu fairen Bedingungen wäre im deutschen Mobilitätsmarkt eigentlich dringend nötig. Nach Jahren stärkeren Wettbewerbs bei Fernbussen auf der Straße und den Fluggesellschaften in der Luft droht den Reisenden derzeit die Rückkehr der Monopole. Zwar hatte die Politik vor gut 25 Jahren damit begonnen, aus Staatsbetrieben wie der Lufthansa und der Bahn private Konzerne zu formen. Das Ziel waren niedrigere Preise und gleichzeitig bessere Angebote für die Kunden.

Doch die Realität sieht derzeit ganz anders aus: Die Konkurrenz nimmt wieder ab. Wer heute auf der Schiene durchs Land reisen will, kommt um die Deutsche Bahn ohnehin nicht herum. Wer sich lieber in den Fernbus setzt, landet nach dem Ausstieg von Konkurrenten inzwischen fast zwangsläufig im grünen Flixbus. Auch in der Luft droht nach der Air-Berlin-Pleite auf vielen Strecken ein Lufthansa-Monopol. Die Politik hat den Kampf um mehr Wettbewerb zuletzt sträflich vernachlässigt. Damit aber bleibt die Frage, wie die neue Bundesregierung mehr Wettbewerb schaffen kann - endlich auch auf der Schiene. Schon der Ausbau des Flixtrain-Netzes könnte einiges bewegen. Doch einen echten Schub würde wohl vor allem eine neue Bahnreform bringen. In deren Zentrum müsste die Trennung von Schiene und Netz stehen.

Noch immer verwaltet die Deutsche Bahn im Auftrag des Bundes selbst, was man zum Bahnfahren eben alles braucht: das Schienennetz, die Stromversorgung und Bahnhöfe. Auch die Preise dafür kann die Bahn festsetzen. Zwar schauen ihr dabei Behörden auf die Finger. Dem Unternehmen aber bleiben genug Möglichkeiten, missliebige Konkurrenz in die Schranken zu weisen.

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