Flexible Arbeitkräfte:Alexas Flüstern

Das Produkt kommt zum Kunden, nicht umgekehrt: Oliver Suchy vom Deutschen Gewerkschaftsbund warnt vor Konsequenzen.

Von Alexander Hagelüken, Berlin

Wie die Wirtschaft heute und morgen funktioniert, wird derzeit häufiger aus den USA vorgegeben. Ob es die Forschungen zu künstlicher Intelligenz sind, die den Stellenwert menschlicher Arbeit neu bestimmen. Oder die großen Internetkonzerne, die mit ihren Algorithmen und der Schaffung dominanter Plattformen das Geschäft umkrempeln. Manche diese Trends verändern schon jetzt den Berufsalltag, andere dürften das künftig stärker tun.

Plattformen wie Amazon im Handel, Google bei der Internetsuche oder Facebook für soziale Kontakte prägen zunehmend, wie Waren an den Mann oder die Frau gebracht werden. "Der Kunde muss nicht mehr zum Produkt kommen, das Produkt kommt immer mehr zum Kunden - stark beeinflusst von der Plattform", beobachtet Oliver Suchy vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Persönliche Assistenten wie Alexa von Amazon "organisieren Konsumwünsche und beeinflussen, was und wo ich kaufe".

Nun ist Suchy kein Konsumforscher, er leitet das Projekt Zukunft der Arbeit. Er beschäftigt sich mit den erwähnten Trends, weil sie auf die Arbeitnehmer wirken. Kunden wollen Produkte schneller geliefert haben - und individueller ausgestaltet. Sucht man nach einem Schlagwort, was dies Beschäftigten abfordert, passt am ehesten: Mehr Flexibilität. "Das erhöht den Druck auf Arbeitnehmer in der Entwicklung, Produktion und Lieferung", sagt Suchy.

Das Angebot von Amazon, Waren nach der Bestellung binnen einer Stunde zu liefern, während Kunden früher mindestens einen Tag warteten, ist nur ein besonders plakatives Beispiel. Untersuchungen zeigen, dass Beschäftigte generell mehr Aufgaben gleichzeitig erledigen müssen. Und dass zumindest teilweise ihre Belastung zunimmt, etwa durch höheres Tempo. Offensichtlich ist die Tendenz zur Flexibilität auch hinter der Forderung der deutschen Arbeitgeberverbände zu erkennen, den gesetzlichen Achtstundentag zu kippen - zugunsten einer Wochenarbeitszeit. Unterm Strich soll es für die Beschäftigten nicht auf Mehrarbeit hinauslaufen, betonen die Verbände. Die Gewerkschaften halten dagegen. Sie befürchten etwa, dass der Beruf für Beschäftigte weniger planbar wird. Weil sie auf einmal am Mittwoch elf Stunden ransollen und am Freitag nur fünf - und dies erst kurzfristig erfahren.

Flexibler werden Firmen auch, wenn sie Stammbelegschaften reduzieren und Aufgaben an Externe vergeben - die sie exakt dann beschäftigen, wenn sie sie benötigen. Dabei gibt es durchaus Hochqualifizierte, die in der Crowd gut verdienen. Aber es gibt auch andere. So klagen Handwerksbetriebe, Einzel-Selbständige unterböten sie. "Das Problem ist, dass der Status in der Crowd gerade bei prekären Jobs oft nicht geklärt ist und viele als Scheinselbständige arbeiten ohne Sozialversicherung", sagt Oliver Suchy. "Deshalb braucht es hier faire Regeln". Er erwartet zudem, durch neue digitale Technologien könnten Routinejobs ersetzt werden. Gerade bei Dienstleistungen. "Wir werden in ein paar Jahren vermutlich keine Callcenter mehr haben."

Eine zentrale Antwort auf all das ist eine bessere Qualifizierung. Weiterbildung findet heute in der Bundesrepublik vor allem statt, wenn dies Firmen für sinnvoll halten. Beschäftigte glauben oft, mit Ausbildung oder Studium genug gelernt zu haben. Für einen Kulturwandel brauche es die Politik, fordert Suchy - kaum ein Beschäftigter könne es sich leisten, für seine Weiterbildung unbezahlt freizunehmen. Er setzt auf tarifliche Vereinbarungen mit öffentlich geförderten Fonds. Und er verweist darauf, dass die Jobagenturen beginnen, Beschäftigte über die richtige Weiterbildung zu beraten.

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