Fleischkonsum international:Deutschland, die Billigfleisch-Weltmacht

Das Filet bleibt hier, der Rest geht um den Globus: Deutschland entwickelt sich zum größten Fleischexporteur der Welt. Das hat drastische Folgen, für Tiere, Menschen und die Umwelt.

Von Max Biederbeck

Die Geflügelwurst auf der Frühstückssemmel hat eine Geschichte. Sie war einmal ein Huhn und lebte mit rund 40.000 Artgenossen dicht gedrängt unter einem Dach. Spezielles Futter machte es besonders fett. Dann kam es unters Messer. Große Schlachthöfe töten bis zu 27.000 Tiere pro Stunde.

Hühnerfleisch ist weltweit besonders beliebt, weil es billig ist. Die weltweite Nachfrage wächst. Mittlerweile kommt jedes dritte verspeiste Fleischstück vom Huhn. Die Deutschen mögen am liebsten das Filet, dafür bezahlen sie auch mehr als für andere Geflügelteile. Deswegen wird der Rest meistens zerhackt und billig exportiert, etwa ins westafrikanische Ghana.

"Wir stellen fest, dass Deutschland auf dem Weg ist, der größte Fleischexporteur der Welt zu werden", sagt Hubert Weiger, Vorsitzender des BUND. Die Umweltschutzorganisation hat in Zusammenarbeit mit der grünen Heinrich-Böll-Stiftung und der Zeitung Le Monde Diplomatique den Fleischatlas 2013 erarbeitet (hier eine Zusammenfassung interessanter Infografiken).

Ihm zufolge kommen nicht nur Hühner meist aus Deutschland, sondern auch Schweine und Rinder. Allein im Jahr 2011 wurden hierzulande 5,6 Millionen Tonnen Schweinefleisch produziert. Dadurch entsteht laut BUND ein gewaltiges Umweltproblem. Zum einen führe die massive Züchtung zu einer Überdüngung des Bodens und das Trinkwasser werde mit giftigen Abfallstoffen belastet. "Das Fleisch geht in den Export, die Gülle bleibt", sagt Weiger.

Zum andern entstünden immer öfter antibiotikaresistente Bakterien, weil Mastbetriebe das Medikament in die Nahrung der Tiere mischen. Die Neue Osnabrücker Zeitung berichtet, dass bei einer Stichprobe in zehn deutschen Städten 16 Prozent der getesteten Mettwurst mit solchen resistenten Keimen belastet waren. Für den Verbraucher sind sie deshalb so gefährlich, weil es sich bei den Bakterien auch um schädliche Salmonellen handeln kann. Laut BUND sterben EU-weit jährlich 25.000 Menschen an resistenten Keimen.

Fleischproduzenten nennen häufig die Gesundheit des Tieres als Grund für das Verabreichen von Antibiotika. BUND-Vorstand Weiger hat aber eine andere Erklärung: "Es geht nie um die Gesundheit des Tieres. Es geht darum, möglichst viel Vieh auf möglichst engem Raum zu konzentrieren, ohne dass die Seuchengefahr steigt."

Die Massentierhaltung hat aber noch andere Auswirkungen: Sie macht Europa zum zweitgrößten Importeur von Soja. Nur China kauft mehr Soja vom Weltmarkt. Die Mastbetriebe stellen daraus Futtermittel her. "Wegen der großen Nachfrage entstehen vor allem in Brasilien und Argentinien riesige Monokulturen. Das hat massive ökologische Konsequenzen", sagt Barbara Unmüßig vom Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung. Nicht nur würden große Konzerne in diesen Ländern immer mehr Kleinbauern die Lebensgrundlage entziehen, auch drängten die riesigen Anbaufelder den Regenwald immer weiter zurück. Flugzeuge versprühen Unkrautvernichter, die Menschen und Umwelt vergiften.

Dem Verbraucher bleiben die Probleme der Massentierhaltung oft verborgen. 60 Kilogramm Fleisch essen die Deutschen laut Fleischatlas pro Jahr. Der BUND vertritt den Standpunkt, dass jedes billige Stück Fleisch Folgen hat: Menschen, Tiere und Umwelt in Not.

Unmüßig von der Böll-Stiftung glaubt, dass sich die wenigsten Menschen Gedanken darüber machen, was sie da kaufen. Letztens sah sie ein Kind in Texas, das nicht wusste, wie eigentlich Milch hergestellt wird. Erst eine Smartphone-App brachte die bahnbrechende Erkenntnis. Das Kind scannte die Milch und stellte fest: Sie kommt aus der Kuh. "Das ist doch unfassbar", sagte Unmüßig.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: