Flächendeckende Staatsanleihekäufe:Draghis Planspiele

Mario Draghi, EZB-Präsident

EZB-Präsident Mario Draghi

(Foto: dpa)

Von seiner Truppe fordert EZB-Präsident Mario Draghi den 360-Grad-Blick: In jeder erdenklichen Richtung soll nach Lösungen für die Euro-Krise gesucht werden. Auch über ein neues Kaufprogramm für Staatsanleihen wird SZ-Informationen zufolge nachgedacht.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Mario Draghi möchte für den Notfall gewappnet sein, und deshalb hat der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) von seiner Truppe den 360-Grad-Blick auf der Suche nach Lösungen gefordert. Sprich: Es soll in jede denkbare Richtung gedacht werden. Denn die Lage in der Euro-Zone ist unverändert ernst, die Zinsen für Anleihen aus Spanien und Italien steigen wieder.

Auch aus diesem Grund diskutiert die EZB nach SZ-Informationen über ein zusätzliches Kaufprogramm für Staatsanleihen, das sich über alle 17 Euro-Staaten erstrecken würde. Die Sache ist nicht spruchreif, die Debatte findet erst auf Arbeitsebene statt. Doch sie zeigt, wie ernst die EZB die aktuelle Lage einschätzt. Die Fachleute sprechen von Quantitative Easing: Es wird flächendeckend Geld ins System gepumpt. Die amerikanische Notenbank Federal Reserve arbeitet mit dieser Strategie.

Hintergrund dieser Überlegungen ist der Rechtsstreit in Deutschland: Das Bundesverfassungsgericht prüft, ob das aktuelle Anleihekaufprogramm der Frankfurter Währungshüter, das sogenannte OMT, mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Das Programm, das bislang noch nicht angewandt wurde, soll es der EZB ermöglichen, die Anleihen einzelner Staaten aufzukaufen, falls diese einen Hilfsantrag beim ESM-Rettungsfonds gestellt haben.

"Das OMT ist ein zahnloser Tiger, denn der Bundestag wird einen solchen ESM-Antrag zumindest vor den Wahlen nicht mehr durchwinken", sagt Joachim Fels, Chefvolkswirt von Morgan Stanley. "Die EZB weiß, dass sie das OMT derzeit nicht einsetzen könnte, selbst wenn Draghi das wollte. Sie braucht daher etwas anderes."

Kauft die EZB Anleihen aller 17 Euro-Staaten, wäre die Situation anders gelagert

Diese Alternative könnten flächendeckende Anleihekäufe sein. Denn der EZB ist es durchaus erlaubt, für geldpolitische Zwecke Anleihen aller Euro-Staaten zu kaufen. Das ist in den Statuten der Notenbank so geregelt. Bei ihren bisherigen Aufkaufprogrammen erwirbt die EZB dagegen nur Anleihen aus einzelnen Krisenstaaten. Diese Staaten genießen dadurch gegenüber anderen Euro-Staaten einen Vorteil.

Die Situation wäre anders gelagert, wenn die EZB Anleihen aller 17 Euro-Staaten kaufen würde und das Volumen nach der Wirtschaftskraft der einzelnen Länder gewichtet. So käme auch Deutschland in den Genuss der EZB-Käufe. Allerdings müsste die EZB dann das Kaufvolumen limitieren, um nicht in den Ruch der Staatsfinanzierung zu kommen.

Doch noch ist es nicht so weit. "Die EZB müsste erst alle anderen konventionellen Maßnahmen ausschöpfen", meint Morgan-Stanley-Ökonom Fels. Das bedeutet vor allem: Die EZB müsste erst mal die Leitzinsen noch weiter senken.

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