Firmenkontrolle:"Eine Horrorvorstellung"

Corporate-Governance-Chef Manfred Gentz lehnt mehr Kontrolle durch Aktionäre ab. Die EU-Kommission will die Aktionäre oder ihre Vertreter zwingen, sich stärker zu informieren. Gentz meint, die Unternehmen wären damit überfordert.

Von Karl-Heinz Büschemann, Berlin

Als Vorsitzender der Regierungskommission für gute Unternehmensführung (Corporate Governance) ist Manfred Gentz für Strukturen und Transparenz in Aktiengesellschaften zuständig. Doch die Idee der Europäischen Kommission, den Einfluss von Investoren zu stärken, hält er für falsch. Es sei für ihn "eine Horrorvorstellung", wenn institutionelle Anleger verpflichtet würden, sich über den Gang der Geschäfte zu informieren. Das bringe einen "unglaublich hohen Bürokratieaufwand". Für den ehemaligen Daimler-Vorstand gilt die Regel: "Das wichtigste Kontrollorgan ist der Aufsichtsrat".

Die EU-Kommission will die Aktionäre oder ihre Vertreter zwingen, sich stärker zu informieren. Damit wären die Unternehmen überfordert, meint Gentz. "Wie sollen Vorstände und Aufsichtsräte das schaffen"?, fragt der langjährige Chefkontrolleur der Deutschen Börse auf einem Kongress über Corporate Governance der Welt in Berlin. Aktionäre könnten Hauptversammlungen besuchen, sich dort äußern oder Fragen stellen. Der Aktionär habe "ein Recht auf Passivität", so Gentz. Der Aktienbesitzer müsse nicht alles lesen, was Unternehmen oder Medien anböten. "Er ist nicht verpflichtet, sich zu informieren." Der Aktionär könne "alles an Kontrolle dem Aufsichtsrat überlassen." Der sei aber "komplett tot", weil er zu nichts anderem mehr komme, als mit Investoren zu reden.

Das sehen viele anders. Ingo Speich von der Investment-Gesellschaft Union Investment hält es für falsch, die Investoren als Störenfriede zu verdammen. Es gebe bisher zu viel passives Kapital, das sich an der Meinungsbildung im Unternehmen nicht beteilige. "Es ist wichtig, aktiv auf die Unternehmen zuzugehen". Jens Tischendorf von der schwedischen Finanzgesellschaft Cevian, die an Thyssen-Krupp und Bilfinger beteiligt ist, sieht das ähnlich. "Die Passivität von Aktionären führt oft dazu, dass es im Unternehmen zu Problemen kommt." Diesen Satz kann man als Kritik am Volkswagen-Konzern verstehen, in dem die privaten Aktionäre traditionell wenig Gehör finden. Jens Wilhelm von Union Investment sagt: "Es gibt für Kapitalsammelstellen kein Recht auf Passivität".

Gentz dagegen beklagt, dass mit der geplanten Neuregelung neben Vorstand und Aufsichtsrat ein dritter Gesprächspartner geschaffen würde, der "quasi öffentliche und Gemeinwohlinteressen" vertreten solle.

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