Essen:Ladenbesitzer verlangt von Besuchern Eintritt

  • Wer in den Laden "Ideenreich" in der Essener Innenstadt gehen möchte, muss beim Besitzer zwei Euro Eintritt bezahlen.
  • Warum er das macht: Der Ladenbesitzer leidet so sehr unter der Konkurrenz durch Online-Shopping, dass er inzwischen nicht mehr die Miete für sein Geschäft zahlen kann.

Von Michael Kläsgen

Ist der Mann verrückt geworden? So lautet die falsche Frage. Aber viele stellen sie, vor allem auf Facebook, aber auch in der Essener Innenstadt und längst darüber hinaus. Denn Michael Pütz, 40, verlangt jetzt zwei Euro, wenn man in seinem Laden nur bummeln möchte, er aber oben im Atelier an neuen Geschenkideen basteln will. Er hat das mit den zwei Euro auf ein DIN-A4-Blatt geschrieben und den Ausdruck an den Eingang zu seinem Geschenkladen "Ideenreich" in der Essener Innenstadt geklebt. "Du hast sie doch nicht mehr alle", postet eine junge Frau im Netz. "Der will seinen Laden doch nur ins Gespräch bringen, weil der Dekoladen auf der anderen Seite der Innenstadt viel besser ist", giftet eine andere.

Wenn das wirklich seine Absicht gewesen sein sollte, was Pütz bestreitet, wäre es ihm gelungen. Warum er das überhaupt macht, wäre allerdings die bessere Frage. Die Antwort darauf wirft das ganze Elend auf, unter dem Geschäftsinhaber wie er in Zeiten des Online-Shoppings leiden. Händler wie Pütz können kaum mehr überleben. "Ich wäre froh, wenn ich mir den Mindestlohn zahlen könnte", sagt Pütz und meint das durchaus ernst.

Nicht nur das Internet schnappt ihm Kunden weg

Voraussichtlich Mitte des Jahres wird er seinen Laden schließen müssen, weil er die Miete nicht mehr zahlen kann. Dabei hatte er früher mal zwei Geschenkläden und konnte, für seine bescheidenen Ansprüche, gut davon leben. Vor zwei, drei Jahren änderte sich das radikal. Die potenziellen Kunden betraten schweigend sein Geschäft, stöberten lautlos und gingen wieder. "Bin ich hier eigentlich im Museum", fragte sich Pütz irgendwann. Da kam er auf die Idee mit dem Eintritt. Es ist ein Hilferuf. Pütz steht stellvertretend für das Sterben kleiner Händler in den Innenstädten. Umfragen zufolge geht es Zehntausenden wie ihm. Dabei wollen die Menschen, belegen die gleichen Umfragen, genau solche kleinen, inhabergeführten Läden. Denn sie beleben die Innenstädte.

Die Realität ist eine andere: Einerseits ist da das Einkaufszentrum, das neu eröffnet hat und Pütz die Kunden wegschnappt, und andererseits natürlich das Internet. Die Leute kaufen online. Vorher gehen sie aber zu Pütz in den Laden und lassen sich inspirieren und kaufen dann im Internet. Von Beratungsklau, wie das sonst genannt wird, kann man bei Pütz nicht reden. "Im Geschenkladen braucht man keine Beratung", sagt er. Es handelt sich eher um Ideenklau. Denn in seinem Laden findet man nicht die gleichen Sachen wie in den Filialketten, die es in jeder Stadt gibt.

50 Leute im Laden, 12,50 Euro in der Kasse

Bei ihm kann man "Arschkarten" kaufen, Rauschgift-Quartetts, Grubentücher als Geschenkpapier oder "Amélie ihre Lampe": eine Sau im Bademantel, die einen Lampenschirm hält, wie in dem Film "Die fabelhafte Welt der Amélie". Das Problem: All das findet man auch im Netz.

Und so kam es, dass Pütz neulich nur 12,50 Euro in der Ladenkasse hatte, obwohl schon 50 Leute seinen Laden betreten hatten. Daraufhin entschied er sich, den Zettel aufzuhängen. Seither ist er Gesprächsthema und hat endlich wieder Einnahmen "auf Normalstand". Die zwei Euro Eintritt abgeknöpft habe er aber noch niemandem. Natürlich kriege der Kunde mindestens eine Geschenk- oder Glückwunschkarte zum gleichen Preis. Wenn er nicht gewusst hätte, dass ohnehin bald Schluss ist, hätte er sich wohl nicht getraut, die Idee durchzuziehen.

So aber hatte er nichts mehr zu verlieren. Was kommt, weiß er nicht genau. Vielleicht findet er Unterschlupf in einem größeren Laden. Aber in jedem Fall will er weiter eigene schrille Geschenkideen entwickeln und die dann - wen wundert's? - im Internet verkaufen.

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