Finanztransaktionssteuer:Ein Promille für die Gerechtigkeit

Die Transaktionssteuer gibt den Menschen in Europa das Gefühl von Gerechtigkeit. Was im jüngsten Politik-Getöse völlig unterging, ist die Frage, was die Transaktionsteuer in der Praxis eigentlich leisten kann. Wird sie den Spekulanten das Handwerk legen können?

Claus Hulverscheidt

Sigmar Gabriel gehört zu denjenigen Politikern, die gerne mit dem Hintern einreißen, was sie zuvor mit ihrer Hände Arbeit aufgebaut haben. In dieser Woche war dieser ebenso drollige wie ineffiziente Politikstil einmal mehr zu besichtigen: Monatelang hatte die SPD insbesondere die FDP mit der Forderung nach Einführung einer Finanztransaktionsteuer gepiesackt. Als jedoch die Liberalen in der jüngsten Verhandlungsrunde mit der Opposition gerade im Begriff waren, den geordneten Rückzug anzutreten, stimmte Gabriel mit seinem Gerede über eine angebliche "180-Grad-Wende" der Regierung ein derart überzogenes Triumphgeheul an, dass mancher Koalitionär flugs in den Schützengraben zurückkehrte.

Frankfurter Skyline unter Wolken

Die Institute würden wohl ein Gutteil der Kosten auf die Kunden abwälzen, in deren Auftrag sie Wertpapiere kaufen. Und ja: Manches Geldhaus wird auch einzelne Geschäftsteile in Länder verlagern, in denen der Fiskus nicht zugreift.

(Foto: dpa)

Tatsache ist: Die Chance, dass eines Tages auch Finanzgeschäfte mit einer Umsatzsteuer belegt werden, wie sie für Babykost und Trinkwasser völlig selbstverständlich ist, hat sich in den vergangenen Tagen erhöht. Mehr aber auch nicht. Vielmehr birgt die Detailarbeit noch so viele Stolperfallen, dass völlig ungewiss ist, wann ein konkretes Konzept vorliegt, das am Ende wenigstens neun oder zehn EU-Länder mittragen können.

Was im jüngsten Politik-Getöse völlig unterging, ist die Frage, was die Transaktionsteuer in der Praxis eigentlich leisten kann - und was nicht. Grundsätzlich gilt: Die Steuer wird weder den Spekulanten auf den Finanzmärkten das Handwerk legen, noch die Haushaltsprobleme der EU-Staaten beheben. Sie wäre auch keine Buße der Banken für die von ihnen verursachte Finanzkrise des Jahres 2008. Die Institute würden wohl ein Gutteil der Kosten auf die Kunden abwälzen, in deren Auftrag sie Wertpapiere kaufen. Und ja: Manches Geldhaus wird auch einzelne Geschäftsteile in Länder verlagern, in denen der Fiskus nicht zugreift.

Viele Geschäfte würden unattraktiver

Dass die Steuer trotz dieser Bedenken eingeführt werden sollte, hat zwei wesentliche Gründe. Zum einen wären da die positiven Wirkungen: Viele Geschäfte würden unattraktiver, darunter der sogenannte Hochfrequenzhandel, den Rechenmaschinen in Sekundenbruchteilen untereinander abwickeln und der kritische Kursbewegungen dramatisch verstärken kann. Auch der aufgeblähte, in weiten Teilen unnütze Handel mit Devisen und Derivaten würde eingedämmt.

Zudem kämen Jahr für Jahr hohe Milliardenbeträge zusammen, die in Energieeffizienz, die Bildung, die Entwicklungshilfe und die Haushaltskonsolidierung fließen könnten. Dass ein Teil des Geldes auch von Kleinanlegern käme, wäre dabei kein Versehen, sondern nur folgerichtig: Wer auf der Suche nach einer hohen Rendite etwa in einen täglichen umschichtenden Aktienfonds investiert, der ist Teil der Spekulationsmaschinerie und muss entsprechend zahlen.

Menschen haben das Gefühl, es geht nicht mehr gerecht zu

Ebenso wichtig aber ist der zweite Grund: Seit Ausbruch der Finanzkrise haben viele Menschen in Europa das Gefühl, dass es nicht mehr gerecht zugeht. Dass einerseits unvorstellbare Summen zur Rettung der Banken bereitgestellt werden, während andererseits Sozialabbau, Jobverlust, an manchen Stellen gar Armut um sich greifen.

Nun ist die Lage in Deutschland noch vergleichsweise entspannt. Aber auch hierzulande herrscht der Eindruck vor, dass es überall an Geld mangelt - außer bei der Bankenhilfe. Das ist zwar insofern Unsinn, als die Kreditinstitute ja vor allem deshalb gestützt werden, um die Einlagen der Bürger zu sichern. Dennoch erodiert das Vertrauen in das Wirtschaftssystem in einem Maße, das sich zunehmend als demokratiegefährdend erweist.

Wenn die Politik diesen Trend aufhalten will, dann reicht es nicht, mit Fachbegriffen wie "Basel III" und "CRD 4" um sich zu werfen - so wichtig diese Maßnahmenpakete zur Verbesserung der Kapitalausstattung von Banken auch sind. Politik muss mehr sein als bloßes Verwaltungshandeln, sie lebt auch von Symbolen, die dem Bürger signalisieren: Wir haben verstanden! Die Finanztransaktionsteuer ist ein solches Symbol.

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