Finanzmarktregulierung:Alle Macht der Fed

US-Finanzminister Geithner legt neue Regeln für die Finanzmärkte vor und gibt der Notenbank viele Kompetenzen. Trotzdem können noch viele andere Behörden mitreden - Kompetenzstreitigkeiten scheinen vorprogrammiert.

Nikolaus Piper

Mit der größten Finanzmarktreform seit den dreißiger Jahren will die Regierung von Präsident Barack Obama die Lehren aus der Finanzmarktkrise ziehen. Kern der Reform sind umfassende neue Vollmachten für die Notenbank Federal Reserve. Anders als zunächst erhofft, wird es aber bei der Zahl von insgesamt acht zum Teil konkurrierenden Regulierungsbehörden in den USA bleiben. Regulierungslücken hatten zum Ausbruch der globalen Finanzkrise beigetragen.

Geithner, Finanzmarktregulierung, Reuters

Die Lehren aus der Krise: US-Finanzminister Timothy Geithner legt seinen Entwurf zur Regulierung der Finanzmärkte vor.

(Foto: Foto: Reuters)

Finanzminister Timothy Geithner wird den Entwurf am Mittwoch vorstellen und am Donnerstag im Kongress erörtern. Wichtige Details sind aber bereits bekannt geworden. Nach einem Bericht des Wall Street Journal wird die Federal Reserve zur entscheidenden Aufsichtsbehörde für alle systemisch relevanten Finanzinstitute. Die Fed wird die Standards der Banken für Eigenkapital und Liquidität setzen, sie kann ein Institut, das vom Zusammenbruch bedroht ist, unter Zwangsverwaltung stellen, zerschlagen und abwickeln.

Künftige Katastrophen verhindern

Damit soll ein katastrophales Ereignis wie die Pleite der Investmentbank Lehman Brothers im vergangenen September künftig verhindert werden. Hedgefonds müssen sich nach dem Gesetz registrieren lassen, ehe sie bei Anlegern um Geld werben dürfen. Jenseits einer bestimmten Größe fallen sie ebenfalls unter die Bankenaufsicht.

Die neuen Vollmachten für die Notenbank sind nicht unumstritten. Sie machen die Fed politischer und vergrößern den Unterschied zum Kompetenzrahmen der Europäischen Zentralbank, die ausschließlich für die Geldpolitik zuständig ist. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte kürzlich ausdrücklich vor der Macht der Fed gewarnt. Auch im Kongress in Washington dürfte es heftige Debatten darüber geben, was die Notenbank künftig darf und was nicht.

Bereits jetzt hat die staatliche Einlagensicherung FDIC das Recht, kleinere Banken, deren Kundeneinlagen bei ihr versichert sind, unter ihre Kontrolle zu stellen. Künftig wird die FDIC wohl auch große Banken führen, wenn sie von der Fed unter Zwangsverwaltung gestellt werden.

Kompetenzstreitigkeiten

Auch nach der Reform wird es in den Vereinigten Staaten mehrere Regulierungsbehörden geben. Finanzinstitute haben bisher faktisch die Möglichkeit, sich den für sie günstigsten, weil am wenigsten strengen Regulierer auszusuchen.

Einige Unternehmen nutzten zum Beispiel Lücken, die dadurch entstehen, dass sich die Grenzen zwischen einzelnen Klassen von Finanzprodukten immer mehr verwischen. Credit Default Swaps (CDS), die wesentlich zum Untergang mehrerer Finanzinstitute beigetragen haben, sind sowohl Versicherungen als auch Wertpapiere. AIG, die einst größte Versicherung der Welt, wurde durch Investitionen ihrer Abteilung für Finanzprodukte zerstört, ohne dass die Behörden dies rechtzeitig gemerkt hätten.

Auch künftig werden Wertpapiere von einer anderen US-Behörde - der Börsenaufsicht SEC - kontrolliert als Finanzderivate, sie sich von diesen Wertpapieren ableiten. Für die ist weiterhin die Terminhandelskommission CFTC zuständig. Kompetenzstreitigkeiten zwischen beiden Behörden sind normal, denn die meisten Banken, die unter die Aufsicht der SEC fallen, handeln auch mit Derivaten, für die die CFTC zuständig ist.

Der Chef der CFTC, Gary Gensler, hat bereits im Kongress einen Entwurf zur Neuregulierung des Handels mit komplexen Finanzprodukten vorlegt. Danach sollen CDS über zentrale Clearingstellen abgewickelt werden. Eine Behörde immerhin wird abgeschafft: die Sparkassenaufsicht OTS.

Dafür entsteht eine neue, die sich ausschließlich mit Verbraucherprodukten wie Hypotheken auf Wohnimmobilien und Kreditkarten beschäftigen soll. Um Interessenkonflikte und Gesetzeslücken zu vermeiden, ist ein neuer "Rat der Regulierer" vorgesehen, in dem alle acht Institutionen vertreten sind.

Viele gescheiterte Versuche

Geithners Vorschläge sind die letzten in einer langen Reihe von Versuchen, die Finanzmärkte besser zu regulieren. Bereits Geithners Vorgänger Henry Paulson hatte im März 2008 einen vergleichsweise vorsichtigen Entwurf vorgelegt, der aber schnell vergessen wurde.

Im Februar hatte Obamas Wirtschaftsberater, der frühere Notenbankchef Paul Volcker, ein Reformmodell entwickelt, aus dem Geithner wichtige Elemente übernommen zu haben scheint. Jetzt muss sich zeigen, ob die Regierung die Reform unbeschädigt durch den Kongress bekommt.

Das Gesetzgebungsverfahren in Washington gilt als unberechenbar. Sollte die Fed ihre Vollmachten wie vorgesehen erhalten, stellen sich neue Fragen der internationalen Kooperation. Nationale Regulierungen können nur wirken, wenn sie in einen globalen Rahmen gestellt werden und keine Schlupflöcher lassen.

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