Finanzmärkte:Gute Aussichten

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SZ-Grafik; Quelle: Deutsches Aktieninstitut (Foto: N/A)

Der Sommer ist oft eine kritische Zeit für Aktien, meist gehen die Kurse im August und September nach unten. In diesem Jahr sind jedoch wichtige Börsenindikatoren auf Rekordkurs - kein Grund zur Sorge also für Anleger und Einsteiger.

Von Simone Boehringerund Harald Freiberger, München

Der Sommer befindet sich gerade auf seinem Höhepunkt. Das ist genau die Zeit, in der die Stimmung an der Börse einen Niedrigstand erreicht. Anlegern stehen, statistisch gesehen, schwere Zeiten bevor, wie eine Auswertung für den Deutschen Aktienindex über 50 Jahre zeigt: August und September sind demnach die Monate, in denen die Kurse durchschnittlich am stärksten fallen (Grafik). Von Sorgen im Sommer zeugt auch die alte Börsenweisheit: " Sell in May and go away", die manchmal auch ergänzt wird durch "but remember to come back in September".

Doch Statistik hin oder her: Diesmal deutet wenig darauf hin, dass es zu einem größeren Einbruch kommen könnte. Die meisten Experten sehen die Stimmung für Aktien nach wie vor positiv - und das, obwohl die Kurse nun schon im achten Jahr in Folge steigen und der Dax heute dreimal so hoch steht wie auf dem Tiefpunkt in der Finanzkrise 2009.

Der Sommer ist an der Börse deswegen kritisch, weil Fondsmanager und Vermögensverwalter im Juli und August in den Urlaub gehen. Das bedeutet: Die Handelsumsätze an den Börsen gehen tendenziell zurück, unerwartete Ereignisse können die Kurse stärker bewegen als sonst. Erst mit dem amerikanischen Labor Day, dem ersten Montag im September, sind die Geldhäuser in den Finanzmetropolen wieder voll besetzt. Dazwischen herrscht erhöhte Alarmbereitschaft. Im August 2011 etwa flammte die Euro-Krise auf und führte zu einem extremen Kursverfall. Solch ein schlummerndes Risiko ist derzeit nicht in Sicht. Im Gegenteil - die Voraussetzungen sind in allen Bereichen überwiegend positiv.

Die Zinsen

Aktien kommen dann unter Druck, wenn die Notenbanken die Zinsen erhöhen, weil es dann Konkurrenz durch Anleihen und Bankprodukte gibt. Die Signale der Notenbanken in den vergangenen Wochen deuteten aber nicht auf schnelle, starke Zinserhöhungen hin. Die US-Notenbank Fed hat die Zinswende zwar schon eingeleitet, zuletzt bremste sie aber eher wieder. Und Mario Draghi, Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), hat in der vergangenen Woche mal wieder das gemacht, was Zentralbanker am besten können: alles offenlassen. " We aren't there yet", wir sind noch nicht so weit, sagte er. Er äußerte sich auch nicht dazu, ob er die monatlich 60 Milliarden Euro schweren Anleihenkäufe zurückzufahren gedenkt. Dieses Kaufprogramm hält die Anleihenmärkte stabil, die Nullzinsen der EZB machen zudem Aktieninvestments im Vergleich zu Anleihen rentabler. Es ist nicht absehbar, dass sich das so schnell ändert. "Die Zinsen werden auf lange Zeit niedrig bleiben", erwartet Klaus Bauknecht, Chefvolkswirt der Bank IKB. Und falls es zu Eintrübungen komme, stünden die Notenbanken weiter als Rückversicherung bereit, um die Finanzmärkte im Notfall erneut zu fluten und damit zu stützen. Von der Zinsseite sind die Risiken für die Aktienmärkte demnach nicht allzu groß.

Die Konjunktur

Die Aussichten für die Weltwirtschaft haben sich im Lauf des Jahres immer weiter verbessert. Inzwischen erwarten Ökonomen für 2017 ein weltweites Wachstum von 3,5 bis vier Prozent, so viel wie seit Jahren nicht. "Die Weltwirtschaft wächst derzeit überdurchschnittlich, die Aussichten sind weiter gut", sagt IKB-Ökonom Bauknecht. Das ist deshalb positiv für Aktien, weil es die Gewinnaussichten für Unternehmen deutlich verbessert. "Der Aufschwung ist bei den deutschen Unternehmen angekommen, das ist eindeutig positiv", sagt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank. In den vergangenen Monaten hätten Analysten ihre Gewinnprognosen deutlich erhöht, für 2017 erwarten sie bei den 30-Dax-Konzernen ein Plus von elf Prozent. Es gebe Chancen auf mehrere Jahre mit Wachstum in Deutschland. Für den Euro-Stoxx-50, der die Aussichten der größten Unternehmen im Euro-Raum widerspiegelt, schätzen Analysten für die nächsten zwölf Monate das Gewinnwachstum sogar auf 30 Prozent. Ein Minuspunkt: In vielen Ländern Europas ist der Aufschwung stark kreditgetrieben. So führt das billige Geld in manchen Sektoren zu höheren Investitionen und kurbelt etwa den Bausektor an. Die Gefahr von Blasen, etwa am Immobilienmarkt, ist gegeben, das bestätigt auch die Bundesbank.

Die Politik

Wer Volkswirte derzeit nach politischen Risiken fragt, bekommt gleich ein ganzes Sammelsurium genannt: Ökonom Bauknecht erwähnt etwa die unkalkulierbaren Folgen des Brexit, die Probleme der Schuldenstaaten in Europa, die Gefahr nachlassenden Wachstums in China und die latenten Risiken, die von der unberechenbaren Politik des US-Präsidenten Donald Trump ausgehen. Bei der Fondsverwaltung Fiduka richten sich die Augen auch in Richtung Naher Osten, wo neue Spannungen die Energieversorgung beeinträchtigen könnten und damit die Preise nach oben treiben. Dies hätte unmittelbar Auswirkungen auf die Inflation, was wiederum die EZB dazu veranlassen könnte, die Leitzinsen doch schneller zu erhöhen. Auch der immer härtere Kurs der Türkei gegenüber der EU und Deutschland könnte sich zum Risiko entwickeln. Doch trotz aller Sorgen: Die politischen Risiken sind geringer als noch zu Jahresanfang, besonders in Europa. Die Wahlniederlagen rechter Parteien in den Niederlanden und Frankreich haben die Lage etwas beruhigt.

Die Kurse

"Es gibt nur einen Grund, warum Anleger derzeit vorsichtig sein sollten: die hohen Kursniveaus", sagt Krämer. In Deutschland liege das Kurs-Gewinn-Verhältnis leicht über dem langfristigen Durchschnitt, in den USA schon deutlich. Deshalb könne es zwar zu Kursrückschlägen kommen, aber es sei kein Umfeld für einen größeren Einbruch. Die Aufwärtsbewegung an den Aktienmärkten sei auf Sicht von zwölf bis 18 Monaten nicht vorbei, sie werde unterstützt von der guten Konjunktur. Auch Ökonom Bauknecht sieht das so: "Es gibt derzeit kein Potenzial für drastische Korrekturen bei Aktien", sagt er. Obwohl die Kurse im Dax schon stark gestiegen sind, sieht er "eher Einstiegsniveaus als Abwärtsrisiko". Denn nicht das Kursniveau sei entscheidend, sondern das Gewinnpotenzial der Unternehmen, und das sei wegen der florierenden Konjunktur nicht zu unterschätzen. Bauknecht hält Aktien, besonders in Deutschland, deshalb nicht für zu teuer. Die Chancen stehen gut, dass der Sommer 2017 für Anleger nicht zu einem Sommer der Sorgen wird.

© SZ vom 24.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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