Moody's warnt Europa:Großbritannien im Sog der Krise

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Moody's hat die Kreditwürdigkeit mehrerer Euro-Staaten herabgestuft. Für Aufruhr sorgt die Ratingagentur aber auch außerhalb der Währungszone: Erstmals seit Ausbruch der Krise steht Großbritannien unter besonderer Beobachtung. Deutschland hingegen kann sich vorerst sicher fühlen.

Die Ratingagenturen gehen erneut hart mit den europäischen Staaten ins Gericht. Moody's hat die Kreditwürdigkeit von Italien, Portugal, Spanien, Malta, der Slowakei und Slowenien herabgestuft. Frankreich und Österreich droht die Aberkennung ihrer bislang guten Noten - und erstmals seit Ausbruch der Krise ist auch für Großbritannien der "Ausblick" bei einer großen Ratingagentur heruntergestuft worden. Statt "stabil" ist er nun "negativ". Das Vereinigte Königreich ist in Aufruhr.

Die "Gherkin" (Essiggurke), das markante, von Norman Foster designte Gebäude im Londoner Finanzdistrikt. (Foto: REUTERS)

Großbritannien drohe von den Schocks der Krise auf dem Kontinent in Mitleidenschaft gezogen zu werden, warnte Moody's, obwohl das Land nicht selbst Mitglied der Euro-Zone sei. Die engen Handels- und Finanzbeziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und der Währungsunion machten die Insel anfällig. Die schlechten Aussichten beim Wirtschaftswachstum seien ein weiterer Faktor. Sollte es ökonomisch abrupt schlechter gehen, könnte die Regierung möglicherweise mit der Rückzahlung der Schulden Probleme bekommen, begründet Moody's seine Entscheidung. Das Land behält sein Spitzenrating Aaa, steht allerdings unter verschärfter Beobachtung.

Bisher war Großbritannien als Nicht-Euroland von der Krise größtenteils verschont geblieben. Während das Vertrauen in andere Staaten der Währungsunion immer weiter schwand, flohen viele Anleger in britische Staatsanleihen.

Der britische Schatzkanzler George Osborne sagte, die Nachricht sei als "Realitätstest" aufzufassen. Sie belege, dass Sparanstrengungen nötig seien. "Das ist der Beweis, dass Großbritannien sich in der derzeitigen weltwirtschaftlichen Lage mit seinen Schulden befassen muss", sagte Osborne. In Großbritannien übernimmt der Schatzkanzler Aufgaben, die in vielen anderen Demokratien getrennt von Finanz- und Wirtschaftsminister übernommen werden.

Die Drohung von Moody's löst gleichwohl innenpolitischen Streit aus: Osbornes Gegenspieler, der Schatten-Schatzmeister Ed Balls von der Labour-Partei, macht den Amtsinhaber persönlich verantwortlich: Die Entscheidung der Agentur sei "eine ernsthafte Warnung für einen Schatzkanzler, der sich messen lassen will an einem ausgeglichenen Haushalt bis 2015 und dem Urteil der Ratingagenturen".

Andere Staaten wurden von Moody's am Montagabend direkt herabgestuft. Besonders hart traf es Spanien mit einer Absenkung der Kreditwürdigkeit um gleich zwei Stufen, von A1 auf A3. Bis auf Portugal, das von Ba2 auf Ba3 fiel, sind aber die Staatsanleihen aller genannten Länder immer noch von Ratingstufen entfernt, die als "non-investment grade" gelten, also als spekulativ. Italien und Malta wurden von A2 auf A3 herabgestuft, Slowenien und die Slowakei von A1 auf A2. Alle wurden außerdem mit der Prognose "negativ" bedacht. Dies bedeutet, dass Moody's eine mindestens 40-prozentige Wahrscheinlichkeit sieht, dass die Kreditwürdigkeit in den kommenden 18 Monaten erneut herabgestuft werden könnte.

Eine verschlechterte Kreditwürdigkeit bedeutet in der Regel, dass Staaten höhere Zinsen für Kredite zahlen müssen oder Probleme bekommen, überhaupt an frisches Geld zu gelangen. Herabstufungen verstärken so die Staatsschuldenspirale.

Warnung an die Schwergewichte

Die führende Ratingagentur Standard & Poor's hatte im Januar für einen Schock gesorgt, indem sie unter anderem Frankreich und Österreich die Bestnote AAA aberkannte. Die kleinere Agentur Fitch stufte anschließend ebenfalls mehrere Euro-Länder herab. Bei Moody's behalten Franzosen und Österreicher zwar ihr Spitzen-Rating, doch der Ausblick bei beiden Staaten ist nun ebenfalls negativ.

Als Grund für die Herabstufungen führte Moody's die Schuldenkrise an. Es sei unklar, ob und wie die Probleme gelöst werden könnten. Die wirtschaftlichen Aussichten verschlechterten sich vor diesem Hintergrund, hieß es. Das wiederum belaste die Finanzmärkte und könnte in Zukunft für weitere Schocks sorgen.

Frankreichs Finanzminister François Baroin bezeichnete die Moody's-Entscheidung zur Abstufung der sechs Staaten als unverständlich. Er betonte, dass die Länder der Euro-Zone "kraftvolle Anstrengungen zur Sanierung der Staatsfinanzen" unternähmen.

Deutschlands AAA-Spitzenrating ist dagegen derzeit nicht gefährdet, wie die Agentur betonte. Der Ausblick bleibt stabil. Das gilt auch für die Bewertungen von Dänemark, Finnland, Luxemburg, den Niederlanden, Schweden (alle ebenfalls AAA), Belgien (Aa3), Estland (A1) und Irland (Ba1). Eine Überprüfung der Einstufung Zyperns mit Baa3 dauert an, Griechenland verharrt bei Ca - dem schlechtestmöglichen Rating vor dem offiziellen Zahlungsausfall.

Ebenfalls unverändert bleibt die Kreditwürdigkeit des Rettungsfonds EFSF. Er hat bei Moody's weiterhin das Spitzen-Rating mit einem stabilen Ausblick. Standard & Poor's dagegen hatte das Rating um eine Stufe gesenkt.

© Süddeutsche.de/dpa/Reuters/infu/jab - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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