Finanzkrise in Europa:Worum es beim EU-Gipfel geht

Sparen - oder die Wirtschaft ankurbeln? Diese Frage müssen sich die 27 Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union am Montag beim nächsten EU-Gipfel stellen. Dabei soll es nicht nur um den ständigen Rettungsschirm ESM gehen, sondern auch um den Fiskalpakt.

von Hannah Beitzer

Griechenland bekommt seine Schulden nicht in den Griff, auch Portugal ist schon wieder klamm, eine Austockung des ständigen Rettungsschirm steht im Raum: Beim EU-Gipfel am Montag wollen die Staats- und Regierungschefs der EU Zuversicht und Entschlossenheit demonstrieren - er birgt jedoch einigen Konfliktstoff.

Wie wird der Gipfel ablaufen?

Am Montag treffen sich in Brüssel die 27 Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union. Das Treffen ist auf vier Stunden angesetzt - von 15 bis 19 Uhr. Das ist deutlich kürzer als der EU-Gipfel im Dezember 2011. Damals verhandelten die Gipfelteilnehmer bis tief in die Nacht, die Stimmung war angespannt, die Verhandlungen hart. Vor allem Großbritannien hatte sich mit seiner Blockadehaltung gegen neue EU-Verträge isoliert.

Worum wird es gehen?

Vor allem soll der ständige europäische Rettungsschirm ESM gebilligt werden. Über die Rahmenbedingungen hatten sich die Staats- und Regierungschefs schon in der Woche vor dem Gipfel geeinigt. Aber auch der neue Fiskalpakt steht auf der Tagesordnung. Letzte Feinheiten werden noch verhandelt - es geht dabei vor allem um eine strengere Haushaltsdisziplin etwa durch die Einführung von Schuldenbremsen. Im März soll der Pakt unterzeichnet werden. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte ihn im Dezember 2011 angestoßen - und ist dessen eifrigste Verfechterin. Aber mit Sparen allein, da sind sich die Teilnehmer einig, ist es nicht getan: Sie wollen auch darüber beraten, wie man das Wirtschaftswachstum ankurbeln kann. Merkel und ihr französischer Amtskollege Nicolas Sarkozy fordern, nicht abgerufene Mittel aus dem EU-Haushalt 2011 für einen Wachstumsfonds zu nutzen.

Wie wird der ESM aussehen?

Im Gegensatz zum derzeitigen Rettungsschirm EFSF soll der ESM dauerhaft zur Verfügung stehen. Die Staaten der Euro-Zone bürgen nicht nur für Risiken, sondern überweisen tatsächlich Geld an den ESM. Der ständige Rettungsschirm kann mit dem einbezahlten Eigenkapital zum Beispiel selbst Staatsanleihen erwerben. Klammen Staaten kann der ESM Notkredite zur Verfügung stellen, aber auch Haftungsgarantien aussprechen, um die Märkte zu beruhigen. Ein Rat - bestehend aus den Finanzministern der Euro-Zone - kontrolliert den Rettungsschirm. Der Fonds soll zunächst 500 Milliarden Euro an Krediten und Garantien vergeben können. (Mehr Informationen finden Sie hier.)

Welche Probleme stehen bevor?

Vor allem Kanzlerin Merkel steht kurz vor dem EU-Gipfel unter Druck. IWF-Chefin Christine Lagarde forderte die Euro-Länder - und damit vornehmlich den größten Geldgeber Deutschland - dazu auf, den ESM zu verstärken. Italien will den Rettungsfonds gar auf eine Billion Euro verdoppeln. Zudem sieht es auch so aus, als bräuchte Griechenland kurzfristig mehr Geld.

Die Bundeskanzlerin hingegen möchte erst nach der Unterzeichnung des Fiskalpaktes über eine Aufstockung verhandeln - und den ESM zunächst mit der vereinbarten Obergrenze von 500 Milliarden Euro unterzeichnen. Auch über ein zweites Rettungspaket für Griechenland will sie erst verhandeln, wenn die Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und IWF ihre Kontrollen in dem hochverschuldeten Euro-Staat beendet haben.

Und auch mit dem angestrebten Konjunkturprogramm wird es wohl nichts: EU-Kommissar Johannes Hahn bezeichnete Merkels und Sarkozys Pläne im Vorfeld des Gipfels als "unrealistisch": Es sei kaum freies Geld verfügbar - selbst wenn er alle überschüssigen Mittel aus den Jahren 2010 und 2011 zusammenfasse, blieben kaum mehr als 30 Millionen Euro übrig. Wenn die Staaten einen Wachstumsfonds wünschten, müssten sie diesen schon selbst finanzieren.

Muss Deutschland bald noch mehr zahlen?

Griechenland, hieß es plötzlich auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos, braucht noch mehr Geld als gedacht. Selbst der geplante Verzicht privater Gläubiger auf einen Teil der Schulden wird nicht reichen, um das Land zu retten, sagte EU-Kommissar Olli Rehn. Auch Euro-Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker hält einen größeren Beitrag der Euro-Länder bei einer Umschuldung für notwendig. "Wenn die griechische Schuldentragfähigkeit unter Beweis gestellt wird und es ein Gesamtverständnis mit dem privaten Sektor gibt, wird sich auch der öffentliche Sektor fragen müssen, ob er nicht die Hilfestellung leistet", sagte Luxemburgs Regierungschef der österreichischen Zeitung Der Standard.

Und da sind ja auch noch die Forderungen nach einer Aufstockung des ESM, nicht nur vom IWF: "Je höher die Brandmauer, desto geringer ist die Gefahr, dass der ESM in Anspruch genommen werden muss", sagte zum Beispiel der französische Finanzminister François Baroin auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos.

Und selbst Angela Merkel hält offenbar eine Aufstockung des ESM grundsätzlich für möglich - nur eben nicht gleich am Montag.

Wie geht es mit Griechenland weiter?

Bei den Verhandlungen zwischen Griechenland und seinen privaten Gläubigern über einen Schuldenschnitt hat es offenbar Fortschritte gegeben. "Wir sind dabei, den Vertrag abzuschließen - vielleicht nicht heute, aber am Wochenende", sagte EU-Währungskommissar Olli Rehn am Freitag beim Weltwirtschaftsforum in Davos. "Ich hoffe sehr, dass das noch im Januar sein wird und nicht erst im Februar."

Charles Dallara, Unterhändler der privaten Gläubiger, sei von der Forderung "nicht weniger als vier Prozent Zinsen" nun auf 3,7 bis 3,8 Prozent zurückgegangen, hieß es aus Bankkreisen in Athen. Die Zinsen sollten aber steigen, wenn die griechische Wirtschaft wieder wachse. Der Zinssatz für die neuen Papiere, die die alten griechischen Staatsanleihen nach der Umschuldung ersetzen sollen, ist ein zentraler Streitpunkt. Außerdem wollen die Banken sicher sein, dass für die neuen Anleihen britisches Recht gilt. So wollen sie sich absichern, dass Griechenland eine Umschuldung künftig nicht mehr rechtlich erzwingen kann. Athen hatte wiederholt gedroht, den Schuldenschnitt gesetzlich zu erzwingen, sollten sich nicht alle Banken freiwillig beteiligen. Der angestrebte Forderungsverzicht der privaten Gläubiger soll Griechenlands Schulden um rund 100 Milliarden Euro drücken.

Aber selbst wenn eine Absichtserklärung über einen Schuldenschnitt zustande kommt, bedeutet das noch keinen endgültigen Erfolg für die Umschuldung. Denn unklar ist nach wie vor, wie viele Investoren tatsächlich mitziehen würden - und um wie viel die Schulden tatsächlich reduziert würden, denn der Schuldenerlass ist eigentlich "freiwillig".

Parallel zu den zähen Schuldenschnitt-Verhandlungen läuft auch eine neue Kontrolle der griechischen Finanzen: Die Troika, also Experten der EU, des Internationalen Währungsfonds IWF und der EZB monierten nach den ersten Inspektionen Verspätungen bei den Reformen - und das nicht zum ersten Mal. Geplant ist, dass die Grundbesitzsteuern um 25 Prozent erhöht werden. Rüstungsausgaben und Zusatzrenten sollen gekürzt werden. Außerdem fordern die Experten, das 13. und 14. Monatsgehalt abzuschaffen und die Arbeitszeiten zu liberalisieren. Anderenfalls werde es kein Geld mehr für Athen geben. Wenn Griechenland zum 20. März seine fälligen Anleihen nicht zurückzahlen kann, ist es pleite. In dem klammen Euro-Staat wächst unterdessen der Widerstand gegen das Spardiktat aus Brüssel.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble kritisierte, Athen dürfe nicht nur Versprechungen machen, "Griechenland muss auch liefern". Man dürfe "hier keine falschen Anreize geben". Auch Eurobonds sorgten für solche falschen Anreize: "Wenn man auf Risiken anderer Geld ausgibt, ist das eine Versuchung, der keiner widerstehen kann."

Wo in Europa gibt es sonst noch Probleme?

Europas Problemkinder sind im Süden - Spanien, Italien, Portugal. Doch zumindestens für Spanien und Italien hat sich die Lage zuletzt ein wenig entspannt: Sie können derzeit relativ günstig frisches Geld für Staatsanleihen am Markt bekommen. Portugal hingegen bereitet nach wie vor Sorgen: Das hochverschuldete Land musste zuletzt hohe Risikoaufschläge auf seine Staatsanleihen hinnehmen.

Dennoch will Portugal es ohne fremde Hilfe schaffen. Regierungschef Pedro Passos Coelho sagte diese Woche, dass Portugal nicht um eine Neuverhandlung seines Rettungsprogramms bitten werde. "Wir werden auch nicht mehr Geld oder Zeit fordern."

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