Finanzkrise:Griechenland schließt seine Banken

Finanzkrise: Stau an einem Geldautomaten in Athen: Die Griechen sorgen sich um ihr Geld.

Stau an einem Geldautomaten in Athen: Die Griechen sorgen sich um ihr Geld.

(Foto: Aris Messinis/AFP)
  • Nach dem Scheitern der Schulden-Gespräche bleiben die griechischen Banken vorerst geschlossen, die Notenbank führt Kapitalkontrollen ein.
  • Regierungschef Tsipras verspricht, Renten und Löhne der Bevölkerung in Griechenland seien sicher.
  • Die Europäische Zentralbank friert die Höhe der Notkredite für die griechischen Geldinstitute ein.
  • Die Bundesregierung ist über Tsipras verärgert.

Von C. Gammelin, Berlin, A. Mühlauer, Brüssel, C. Schlötzer, Athen und M. Zydra, Frankfurt

Der Abbruch der Verhandlungen zwischen den Geldgebern und der Athener Regierung hat in Griechenland massive Unsicherheit ausgelöst. Am Wochenende sollen allein über Geldautomaten mehr als eine Milliarde Euro von den Banken abgeflossen sein. Deshalb werden die Geldhäuser des Landes von Wochenbeginn an vorerst nicht öffnen. Auch die Börse sollte nach Angaben aus Finanzkreisen geschlossen bleiben.

Regierungschef Alexis Tsipras teilte am Sonntagabend nach einer Kabinettssitzung mit, die Notenbank werde Kapitalverkehrskontrollen einführen. Wie lange die Banken geschlossen bleiben, sagte er nicht. Gleichzeitig beteuerte der Premier, die Ersparnisse, Löhne und Renten der Bürger seien "garantiert". Er rief die Bevölkerung auf, "ruhig Blut zu bewahren". Doch vorsichtshalber wurden Bankfilialen in Athen am Abend schon von der Polizei bewacht.

Opposition spricht von "Putsch"

Zuvor war Finanzminister Yanis Varoufakis mit dem Zentralbankchef zu einer Krisensitzung zusammengetroffen. Die Zentralbank empfahl angesichts der Unsicherheit die Schließung der Geldhäuser. Zudem sollen Überweisungen und Abhebungen beschränkt werden. In Medien war die Rede von maximal 100 Euro am Tag. Die Tageszeitung Kathimerini berichtete, die Banken würden erst am 6. Juli wieder öffnen, also einen Tag nach der geplanten Volksabstimmung.

Im griechischen Parlament hatten am frühen Sonntagmorgen 178 Abgeordnete für das Referendum gestimmt, 120 waren dagegen. Zuvor hatte es einen Schlagabtausch zwischen Regierung und Opposition gegeben. Der Chef der konservativen ND, Antonis Samaras, verglich das Referendum mit einem "Putsch". Tsipras wiederum forderte ein "stolzes Nein" zur Vorlage der Gläubiger Griechenlands, die von Athen weiteres hartes Sparen im Gegenzug für 15,5 Milliarden Euro und eine Verlängerung des Hilfsprogramms bis November vorgesehen hatten.

Nach Ankündigung des Referendums zogen die Kreditgeber diese Vorlage zurück - womit die Volksabstimmung keine Grundlage mehr hätte. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble erklärte, Griechenland habe mit der Idee der Volksabstimmung die Verhandlungen "einseitig" beendet. Tsipras machte deutlich, sollte es noch einen "ehrbaren Kompromiss" im Schuldenstreit geben, würde er diesen zur Volksabstimmung stellen und für die Annahme plädieren. Tsipras verkündete am späten Sonntagabend, er habe bei den Euro-Partnern erneut eine Verlängerung des Programms um wenige Tage beantragt. Nach einer Meinungsumfrage würden 47 Prozent der Griechen für einen Verbleib in der Euro-Zone auch einen schmerzhaften Kompromiss in Kauf nehmen. 57 Prozent sagen nach einer zweiten Umfrage, dass ihr Land eine Vereinbarung mit den Geldgebern schließen sollte.

Verärgerung in Berlin

An diesem Dienstag läuft das Hilfsprogramm für Griechenland aus. Am selben Tag muss Athen 1,6 Milliarden Euro an den Internationalen Währungsfonds zahlen. Die Europäische Zentralbank (EZB) erhöhte den Druck auf Griechenland. Der EZB-Rat beschloss am Sonntag, die Höhe der Nothilfekredite für das griechische Bankensystem bei den bislang gewährten 88,6 Milliarden Euro einzufrieren. Dadurch bleiben die Geldinstitute zwar am Tropf der Notenbank, doch sie verfügen nicht mehr über die Mittel, um einem Sturm der Sparer standzuhalten - deshalb nun die Kapitalverkehrskontrollen. "Wir werden eng mit der griechischen Notenbank zusammenarbeiten, um die Finanzstabilität zu sichern", sagte EZB-Präsident Mario Draghi. Die Erlaubnis der EZB läuft bis Mittwoch. Dann wird der EZB-Rat erneut über die Genehmigung für Notkredite beraten.

In Berlin ist der Ärger über die griechische Regierung groß. Das hängt nach SZ-Informationen damit zusammen, dass Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande dem griechischen Premier noch am Freitag ein neues Angebot unterbreitet hatten. Es sah Wachstumsinvestitionen von 35 Milliarden Euro und eine Umschuldung vor, machbar über eine großzügige Ausdehnung der Kreditlaufzeiten. Tsipras jedoch, so heißt es in Berlin, habe das Angebot nicht nur abgelehnt. Er argumentierte in der Ansprache vor dem griechischen Parlament auch so, als hätte es dieses nie gegeben.

Brüssel erwägt Sondergipfel

Vizekanzler Sigmar Gabriel sagte der SZ, er sei "entsetzt, dass die Griechen ein sehr weitreichendes Angebot abgelehnt haben, was ja sogar ein drittes Hilfsprogramm und sogar eine Umschuldung enthalten hat". Diese Angebote seien weiter gegangen als alles, was es bisher gegeben habe. Gabriel betonte, dass Tsipras nach einem Referendum kein besseres Angebot erhalten werde.

Jedoch sicherte Gabriel den Griechen im Falle einer Staatspleite humanitäre Hilfe zu. Die Bundesregierung verwies darauf, dass sich die Folgen einer Zahlungsunfähigkeit Athens für den Bundeshaushalt angesichts der langen Kreditlaufzeiten in Grenzen halten werde. An diesem Montag wollte die Bundesregierung alle Fraktionen im Kanzleramt unterrichten.

In Brüssel wurde am Sonntagabend fieberhaft überlegt, ob es noch vor Auslaufen des Programms einen Sondergipfel geben sollte. Am Sonntagabend telefonierte Merkel mit US-Präsident Obama. Sie kamen überein, alles zu unternehmen, damit Griechenland innerhalb der Eurozone Reformen umsetzen könne.

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