Finanzkrise erreicht Landwirte:Bauern bleiben auf Getreide sitzen

Weil die Landhandelshäuser keine Kredite bekommen, werden die Landwirte ihre Getreidernte nicht los - und das obwohl die Lager so leer sind, wie seit Jahrzehnten nicht.

Viele Bauern in Deutschland sind in diesem Herbst wegen der Finanzkrise auf großen Teilen ihrer Getreideernte sitzen geblieben. Die Landhandelshäuser hätten den Landwirten nicht wie sonst die Ernte im großen Stil aufgekauft, weil die Kredite dafür fehlten, sagte Bauernpräsident Gerd Sonnleitner der Deutschen Presse-Agentur. "Das ist alles auf Kredit finanziert." Dabei sind die Lager weltweit so leer wie seit Jahrzehnten nicht: Dort lagern laut Sonnleitner nur Getreidereserven für etwa zwei Monate.

Finanzkrise erreicht Landwirte: Die Finanzkrise trifft jetzt auch die deutschen Landwirte: Sie können ihre Getreideernte nicht verkaufen. Das Bild zeigt einen Landwirt in Sachsen bei der Ernte.

Die Finanzkrise trifft jetzt auch die deutschen Landwirte: Sie können ihre Getreideernte nicht verkaufen. Das Bild zeigt einen Landwirt in Sachsen bei der Ernte.

(Foto: Foto: ddp)

Erstmals hatte es heuer überhaupt wieder eine der Nachfrage entsprechende Ernte gegeben, nachdem in den Vorjahren immer wieder von den Vorräten gezehrt werden musste. "Die Versorgungslage ist weltweit knapp", warnte Sonnleitner.

Die Situation am Getreidemarkt werde sich im kommenden Jahr weiter zuspitzen. Denn wegen der - wie auch bei anderen Rohstoffen - gesunkenen Preise fehle es den Bauern an Geld für Düngemittel. "Es wird weltweit dermaßen an Düngung gespart und der Anbau von Getreide eingeschränkt, dass wir 2009 eine enorme Minderernte haben werden." Die diesjährige Ernte liege inzwischen vielfach immer noch auf den Höfen.

Wegen der niedrigen Preise werde wieder mehr Getreide für die Gewinnung von Bioenergie eingesetzt. Der Preisdruck sei enorm. Dies zeige, dass Bioenergie nicht für die steigenden Preise im vergangenen Jahr verantwortlich war. Die Spirale bewege sich weiter abwärts, viele Bauern müssten zu sehr niedrigen Preisen verkaufen, die Produktionskosten seien schon lange nicht mehr gedeckt.

Nicht zuletzt griffen auch die Kunden angesichts von Rezessionsängsten in den Läden verstärkt zu Billigwaren. "Es wird nicht direkt am Essen gespart", betonte Sonnleitner. Wenn aber Waren im mittleren Preissegment verstärkt liegenblieben, weil mehr Billigware gekauft werde, passe die Kostenkalkulation insgesamt nicht mehr.

Sonnleitner warnte schon jetzt vor möglichen extremen Preisschwankungen. Wenn im kommenden Jahr die Ernteerträge zurückgingen und der Mangel in den Vordergrund rücke, könne eine Kostenexplosion folgen. Denn dann seien wieder die Spekulanten am Zug, die nicht nur mit Rohstoffen wie Öl, sondern auch mit Reis und anderen Lebensmitteln spekulierten und damit für die weltweite Nahrungsmittelkrise mitverantwortlich seien.

Deshalb müsse jetzt Vorsorge getroffen werden, um eine Schleuderfahrt der Preise zu verhindern. Vor allem müsse möglichst schnell das Vertrauen in die Märkte wieder hergestellt werden. Hier sei die Politik gefragt. Die Kredite von Banken müssten wieder fließen, um auch wieder einen Warenfluss herzustellen.

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