Finanzierungbedarf der Euro-Länder:Summen, die Investoren überfordern

Es fehlt an Geld. Immer mehr Euro-Länder haben Probleme, laufende Kosten zu decken. Für Italien, Spanien und Frankreich wird es in den kommenden Monaten eng - doch woher sollen all die riesigen Summen kommen?

Simone Boehringer

Europas Schulden werden immer teurer. Während die Politik in Brüssel, Berlin und anderswo immer neue Konzepte zur Rettung des Euro diskutiert und wieder verwirft, haben immer mehr Länder Schwierigkeiten, sich für ihre laufenden Kosten frisches Geld am Kapitalmarkt zu beschaffen.

Finanzierungbedarf der Euro-Länder: Harte Wochen für Frankreich, Italien und Spanien: Staatsanleihen werden fällig und müssen finanziert werden.

Harte Wochen für Frankreich, Italien und Spanien: Staatsanleihen werden fällig und müssen finanziert werden.

Mamma mia: Am Montag musste der klamme Staat Italien Investoren mehr als sieben Prozent dafür bezahlen, dass sie über zwölf Jahre hinweg neues Geld leihen. Das politisch zerstrittene Belgien bot fast 5,7 Prozent für eine Anleihe über zehn Jahre, soviel wie seit einer Dekade nicht mehr. Und es wird noch schlimmer: Bis zum Ende des Jahres müssen die Regierungen der Euro-Zone mehr als 70 Milliarden Euro aufnehmen, allein in dieser Woche fast 20 Milliarden. Summen, die die Investoren auf dem Markt überfordern. Die Europäische Zentralbank (EZB) kauft daher regelmäßig Staatstitel auf, um die Zinsen für die jeweiligen Länder einigermaßen stabil zu halten.

Allein in der vergangenen Woche summierten sich die Aufkäufe auf 8,6 Milliarden Euro, teilt die EZB. Das Gesamtvolumen ist damit seit Beginn dieser umstrittenen Notenbank-Politik auf mehr als 203 Milliarden Euro gestiegen. Die Grenze von 200 Milliarden ist gefallen. Geht es jetzt auf die 300 Milliarden zu?

Trotz des Einspringens der EZB überlegen immer mehr Großinvestoren offenbar, Titel der Euro-Zone abzustoßen, berichten Anlagemanager. Der größte japanische Fonds Glosov erklärt, sämtliche Anleihen der Euro-Staaten Italien, Spanien und Belgien verkauft zu haben. Die Gewichtung europäischer Schuldentitel in dem Milliarden-Fonds werde ab sofort halbiert. Auch viele europäische Großbanken, bisher Hauptabnehmer europäischer Staatsanleihen, tun sich schwer mit Neuemissionen. Die meisten benötigen selbst frische Mittel, um die bald strengeren Eigenkapitalanforderungen aus Brüssel erfüllen zu können.

So dürfte es Ländern wie Frankreich, Spanien und Italien schwer fallen, ihre für diese Woche geplanten neuen Papiere unterzubringen. "Das ist eine Herausforderung in einem angeschlagenen Markt", sagt Jamie Searle, Anlagestratege bei der Citigroup in London. Insgesamt werden die Länder der Euro-Zone in diesem Jahr Schuldscheine von rund 850 Milliarden Euro ausgeben. Trotz der jüngsten Sparbemühungen vieler Regierungen dürfte der Finanzierungsbedarf 2012 ähnlich hoch sein, schätzt David Schnautz, Anleihenexperte der Commerzbank. Wichtigster Grund: Das Wachstum und damit die Steuererlöse gehen zurück. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) geht inzwischen sogar von einer "milden Rezession" aus.

Lösungen ohne Erfolg

"Die Märkte werden erst wieder positiv reagieren, wenn die europäischen Politiker eine Lösung für die Schuldenkrise präsentieren, die funktioniert", erklärt Philipp Vorndran, Kapitalmarktstratege beim Kölner Vermögensverwalter Flossbach von Storch. An genau solchen Lösungen strickt die Politik nun aber schon seit Monaten - bislang ohne dauerhaften Erfolg. Die Folge: es fehlt an Vertrauen.

"Von Ankündigungen auf Gipfeln ließen sich die Märkte jeweils nur wenige Wochen oder Tage beeindrucken. Damit gewinnt die Politik nur Zeit", führt Vorndran aus. Am 8. Dezember treffen sich die Regierungschefs zum nächsten Euro-Gipfel. Kurz davor will Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Regierungserklärung abgeben. Bis dahin werden vermutlich noch eine Menge weiterer Ideen zur Rettung des Euros auftauchen und dementiert werden. Die Politik testet die Märkte, sagen Börsianer dazu.

Zwei dieser Ideen wirkten sich am Montag ganz unterschiedlich auf die Kurse aus. So blieben angeblich in Berliner Regierungskreisen diskutierte Pläne über "Elite-Bonds" zunächst ohne große Reaktionen am Markt. Demnach sollten die sechs Staaten mit der besten Bonität in Euro-Land Anleihen zu günstigen Konditionen aufnehmen und damit den Finanzbedarf klammer Länder bedienen. Die Bundesregierung dementierte postwendend. Zwischenzeitlich zeigte FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle Sympathie mit der Elite-Idee, ehe er dann doch davon wieder abrückte.

Ganz anders dagegen die Reaktion auf gleichfalls dementierte Pläne für ein Superrettungspaket des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Italien. Nach einem Bericht von La Stampa könne der IWF Italien mit bis zu 600 Milliarden Euro stützen. Der Aktienmärkte in Europa und Amerika legten daraufhin zu. Kommentar eines Händlers in Frankfurt: "Hauptsache viel Geld fließt und die Party geht weiter, woher es kommt, ist egal."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: