Finanzielle Hilfe:Klagen trotz leerer Kasse

Kein Geld im Portemonnaie - für viele ist es schwierig, einen Prozess zu führen. Aus Scheu vor hohen Rechungen lassen sie den Rechtsstreit sein. Oft zu Unrecht - auch bei wenig Mitteln gibt es Möglichkeiten, die Anwaltskosten zu bezahlen.

Von Melanie Zerahn

Das Recht ist nur für Reiche da - stimmt das wirklich?

"Nein", betont Rechtsanwältin Ines Burrer von der Kanzlei Brodski & Lehner in München, "jemand der wirtschaftlich nicht in der Lage ist, einen Prozess zu führen, hat grundsätzlich Anspruch auf Prozesskostenhilfe" (PKH), "dann trägt nicht der Mandant die Kosten eines Gerichtsverfahrens, sondern die Staatskasse - auch wenn er verliert."

Voraussetzung: Das Verfahren hat hinreichend Aussicht auf Erfolg und ist nicht mutwillig. Der Antrag ist bei Gericht zu stellen. In der Regel übernimmt das der Anwalt - mit Einreichung der Klageschrift fügt er die erforderlichen Unterlagen bei.

Besteht ein Anspruch auf PKH, ordnet das Gericht dem Antragsteller einen Rechtsanwalt bei - das ist normalerweise der Anwalt, der schon vorher vom Mandanten beauftragt wurde. Der Mandant ist dann von der Zahlung der Gerichtskosten, der Vorlage der Auslagenvorschüsse für Zeugen und Sachverständige und sogar den Kosten seines eigenen Anwalts befreit.

Allerdings erhält der Anwalt geringere Gebühren als ein Kollege, der nach den gesetzlichen Gebühren tätig wird. Manche verweigern deshalb, auf PKH abzurechnen- das ist ihr gutes Recht.

"PKH wird besonders häufig in familienrechtlichen Streitigkeiten gewährt," weiß Burrer. Vor allen Dingen Scheidungsprozesse laufen oft mit der Hilfe vom Staat.

Beratungshilfe für zehn Euro

Bei sehr geringem Einkommen besteht auch die Möglichkeit sich außergerichtlich durch einen Rechtsanwalt beraten zu lassen. Anträge zur Beratungshilfe gibt es bei Gericht. Dort wird geprüft, ob die Rechtsberatung notwendig und der Antragsteller bedürftig ist. Falls ja, stellt das Gericht einen Berechtigungsschein aus.

Gegen eine Gebühr von zehn Euro kann der Antragsteller einen Anwalt zur Erstberatung aufsuchen. Der widerum erhält vom Staat die Vergütung - allerdings sind auch hier die Gebühren niedriger als sonst.

Selten: Prozessfinanzierung

Gerichtsprozesse können ebenfalls über gewerbliche Anbieter finanziert werden. Die Unternehmen, darunter auch Rechtschutzversicherer, übernehmen die Vorfinanzierung sowie das gesamte Kostenrisiko der Klage. Dafür berechnen sie ein Erfolgsbeteiligung.

Die Sache hat gleich mehrere Haken: Erstens besteht die Möglichkeit nur für Kläger, nicht für Beklagte und zweitens muss es sich um eine beträchliche Summe handeln, um die gestritten wird - in der Regel mehr als 50.000 Euro. Dabei ist "die Bonität des Beklagten eine wesentliche Voraussetzung für das Modell der Prozessfinanzierung", sagt Hansjörg Staehle, Präsident der Rechtsanwaltskammer München.

Rechtschutz: Familien- und Erbrecht oft ausgeschlossen

Um Kosten zu sparen, sind auch Rechtschutzversicherungen beliebt: Mittlerweile haben sich etwa 40 Prozent aller Haushalte für den Rechtsfall versichert. Die Versicherung übernimmt die gesetzlichen Gebühren für den Anwalt, die Gerichtskosten, die Vollstreckungskosten und die Verwaltungskosten, sowohl gerichtlich als auch außergerichtlich.

Wer allerdings glaubt, für alle Fälle gewappnet zu sein, der irrt: "Es gibt keine Versicherung, die bei jedem Rechtsstreit eintritt. In der Regel sind familien- und erbrechtliche Streitigkeiten, also auch die Scheidung nicht abgedeckt - allenfalls eine Erstberatung beim Anwalt", erläutert Burrer. Bauprozesse sind ebenfalls ausgeschlossen. Mietrechtsschutz ist nur gegen Aufpreis erhältlich.

"Honorarfrage ansprechen"

Um Kosten zu vermeiden, ist meist der eigene Anwalt der beste Ansprechpartner. "Es ist sinnvoll, vom Anwalt vorab eine möglichst konkrete Aufstellung der Gebühren zu verlangen", weiß Rechtsanwalt Dr. Daniel Rohlff von der Kanzlei Groll, Gross & Steiner.

Schlägt der Anwalt zum Beispiel eine außergerichtliche Einigung vor, soll er die Kosten möglichst genau berechnen und auch auf kostengünstigere Alternativen hinweisen. Dazu ist er verpflichtet. "Der Anwalt muss unnötige Kostenrisiken für seinen Mandanten vermeiden und ihn entsprechend beraten. Ist das Honorar des Anwalts vom Gegenstandswert abhängig, muss er seinen Mandanten hierüber informieren," erklärt Rohlff.

"Oft bestehen seitens des Mandanten Hemmungen, die Honorarfrage anzusprechen. Das ist völlig unbegründet," sagt Rohlff. Gerade diese Frage solle als Erstes geklärt werden. Aber der Mandant sollte auch Nachsicht üben, so Rohlff: "In vielen Fällen ist es nicht möglich die Rechtsanwalts- und Prozesskosten genau vorauszusagen."

"Der Anwalt ist kein Automat"

Denn: Zu Beginn ist es oft nicht absehbar, in welchem Umfang ein Anwalt tätig werden muss - nur Beratung oder umfangreicher Prozess mit Beweisaufnahme, Terminvertreter und mehreren Vollstreckungsversuchen. Die Einzelheiten einer gerichtlichen Auseinandersetzung und der Verlauf eines Verfahrens entscheiden, wie teuer der Rechtsstreit vor Gericht wird.

"Der Anwalt ist kein Automat," sagt Hansjörg Staehle, Präsident der Rechtsanwaltskammer München, "er muss sich einem Problem nähern - das ist nicht schändlich. Schließlich funktioniert er nicht auf Kommando." Seriöse Anwälte klären erst mal in Ruhe den Sachverhalt, anstatt die Hauruck-Methode anzuwenden.

Die friedliche Lösung

Und die günstigste Lösung? "Eine friedliche Einigung ist meist für die Parteien die günstigste Variante", betont Burrer. Für einen gerichtlichen Vergleich erhält der Anwalt eine zusätzlich Gebühr. Gleichzeitig ermäßigen sich die Gerichtsgebühren vor dem Zivilgericht auf ein Drittel der für das Urteil anfallenden Gebühren. "Im Arbeitsgerichtsverfahren entfallen die Gerichtsgebühren sogar ganz", weiß Burrer.

Einigen sich die Parteien im Beisein von Anwälten oder in einem Gerichtstermin, so kann der Vergleich wie ein Urteil wirken, also auch vollstreckt werden. Berufung oder Revision gegen einen Vergleich sind aber nicht zulässig.

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