Finanzen:Zinsfrei

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Die Geschichte des Geldes ist lang und abwechslungsreich. Ganz am Anfang gab es den Tauschhandel, in Kufstein in Österreich wurde mal mit Schwundgeld experimentiert - und schon bei den Sumerern, den Römern und den alten Griechen gab es den Zins.

Der Zins ist nicht weniger als der Lohn dafür, dass man warten kann. Warten, bis man Geld ausgibt, warten, bis etwas angespart ist und natürlich warten und hoffen, dass der Schuldner das Geld eines Tages zurückzahlt. Es ist ein Prinzip, das wohl älter ist als Geld oder Währungen und dem die Menschheit seit Jahrtausenden folgt.

In der Epoche der Sumerer war der Zins bereits ebenso üblich wie im antiken Griechenland und im Römischen Reich. Aus der heutigen Zeit ist er kaum noch wegzudenken, das gesamte Wirtschaftssystem beruht auf ihm. Sie brauchen einen Kredit? Zahlen Sie Zinsen. Ich soll investieren? Zahlen Sie Zinsen.

So vermehrt sich jedes Jahr das Geld von selbst. Auch und gerade deswegen ist der Zins immer wieder auf Widerstand und harte Kritik gestoßen. Aristoteles soll einst gesagt haben, dass nur durch den Zins plötzlich Geld aus Geld entstehe und urteilte darüber scharf: "Diese Art des Gelderwerbs ist also am meisten gegen die Natur." Hinzu kommt, dass man auf den Zins einen Zinseszins aufschlagen kann, aus einem Zinseszins schnell Wucher wird und wer in der ungünstigen Position des Schuldners ist, dem droht dank des Zinses womöglich der Ruin.

Das Judentum verbot ihn zeitweise ebenso wie das Christentum. Im Islam gelten Zinsen sogar bis heute als haram, also verboten. In islamischen Ländern wie Indonesien oder Bahrain gehört das zinsfreie Banking ganz selbstverständlich zum Finanzwesen, auch hierzulande gibt es solche Angebote. Um wirtschaftlich zu arbeiten, tricksen die Banken ein wenig. Will der Kunde ein Haus kaufen, erwerben er und die Bank es gemeinsam. Die Bank erhebt dann einen Finanzierungsaufschlag und in den kommenden Jahren kauft der Kunde die Beteiligungen von der Bank zurück.

Abseits der Religion gibt es bis heute immer wieder Strömungen des zinsfreien Banking. Die Kunden der schwedischen JAK-Mitgliedsbank etwa leihen sich seit Jahrzehnten Geld, ohne Zinsen zu verlangen. Und die Europäische Zentralbank hat mit ihrer Politik schon vor einiger Zeit eine Welt ohne Zinsen ausgerufen.

NILS WISCHMEYER

Ganz ohne Geld: Tauschhandel

Der Mensch, davon war Adam Smith überzeugt, hat eine natürlich Neigung zum Tauschen. Aber nicht jeder Tauschpartner will immer genau das, was man ihm anbietet. Und weil viele Sachen viel zu leicht verderben, als dass man sie gut tauschen könnte, entwickelte sich das Geld.

So richtig stimmt das wohl nicht. Ethnologen wissen von keiner ursprünglichen Gesellschaft, in der es vorrangig Tauschhandel gegeben hätte. Träte er auf, dann hauptsächlich unter Fremden oder Feinden. Mit der natürlichen Neigung zum Tauschen dagegen dürfte Smith dennoch recht gehabt haben. Denn trotz der Erfindung des Geldes haben Menschen immer weitergetauscht, teils aus ökonomischem Zwang, etwa weil eine stabile Währung fehlte. Immer öfter aber auch aus idealistischen oder egoistischen Gründen.

Überzeugt davon, dass mit dem Geld auch die Gier kommt, arbeiteten Utopisten schon im 19. Jahrhundert an Gesellschaften, deren Mitglieder tauschten statt kauften. Später experimentierten Aussteiger mit dem Verzicht auf Geld. Es entstanden Tauschringe, Tauschtreffen und Tauschläden. Zu einem Durchbruch auf breiter Ebene verhalf dem Tauschhandel erst eine weitere Neuerung: das Internet.

Leguan gegen Notebook, im realen Leben müssten Tauschwillige wohl viele Zettel in Supermärkten aufhängen, um einen Tauschpartner zu finden. Im weltweiten Internet läuft das einfacher. Auch Unternehmen nutzen das Internet inzwischen für Tauschringe im industriellen Maßstab. Etwa 15 Prozent des Welthandels sollen Experten zufolge bereits im Tauschverfahren ablaufen.

Dass Tauschgeschäfte nicht nur etwas für Aussteiger und Alternative sein müssen, stellte 2008 der Kanadier Kyle McDonald unter Beweis. Zunächst tauschte er eine rote Büroklammer gegen einen fischförmigen Stift. So weit, so unspektakulär. Doch binnen eines Jahres schaffte es der Mann zu einem kleinen Vermögen, ertauschte sich immer teurere Gegenstände. Am Ende konnte er ein zweistöckiges Häuschen sein Eigen nennen. Nun will er vermutlich mit niemandem mehr tauschen.

VICTOR GOJDKA UND CHRISTOPH GURK

Es verflüchtigt sich: Schwundgeld

Zinsen runter, dann horten weniger Menschen ihr Erspartes und kurbeln die Konjunktur an. Diese Logik kommt einem in fast zinslosen Zeiten bekannt vor. Es ist fast 130 Jahre her, da entwickelte der Wirtschaftstheoretiker Silvio Gesell bereits eine ähnliche, noch radikalere Idee. Er sprach sich nicht nur gegen Zins und Zinseszins aus, weil sie dazu führten, dass die Vermögen ungleich verteilt würden, sondern er fand es grundlegend problematisch, Geld zu horten. Das löse mittelfristig Absatzstörungen und Arbeitslosigkeit aus. Stattdessen, so seine Idee, müssten Banknoten rosten und mit der Zeit automatisch an Wert verlieren. Das würde den Anreiz senken, es dem Wirtschaftskreislauf zu entziehen.

In den Dreißigerjahren griff der Bürgermeister der österreichischen Gemeinde Wörgl die Idee Gesells auf und brachte ein solches Schwundgeld an den Start. Damit sie ihre Geldscheine weiterhin nutzen konnten, mussten die Bürger von Wörgl jeden Monat eine Marke darauf kleben und ein Prozent des Werts zahlen. So wollte die von der Weltwirtschaftskrise geplagte Gemeinde das Geschäftsleben reanimieren und die Arbeitslosigkeit senken. Zunächst gelang das, doch nach etwas mehr als einem Jahr stoppte die Nationalbank das Experiment, weil sie ihr Geldausgabemonopol verletzt sah.

In den vergangenen 15 Jahren entwickelten einige Städte und Regionen ihr eigenes Schwundgeld, mit dem sie in Zeiten der Globalisierung die Händler vor Ort unterstützen wollten. Diese Vision ging nur bedingt auf; wirklich durchgesetzt hat sich bis heute keine dieser Regionalwährungen. Einige Städte haben es sogar wieder gänzlich abgeschafft. Ökonomen hatten das Konzept ohnehin eher kritisch gesehen. Man betreibe damit auch Abschottungspolitik, anstatt überregionalen Wettbewerb zu fördern.

Silvio Gesell, der Erfinder des Schwundgeldes, starb bereits 1930 und erlebte die Umsetzung seiner Ideen nicht mehr. Doch die EU-Zinspolitik passt ganz gut zu seiner Lehre. Die Inflationsrate übersteigt die Zinsen und das Geld auf den Konten verliert an Wert. Wie wenn es rostet.

FELICITAS WILKE

© SZ vom 07.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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