Finanzen:Staat kassiert 367 Millionen Euro durch Steuerzinsen

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Der Staat erhebt sechs Prozent Zinsen auf Steuernachforderungen der Finanzämter. (Foto: Alessandra Schellnegger)
  • Das Finanzamt erhebt unbeirrt hohe Zinsen für Steuernachforderungen. Der Staat verdient gut daran.
  • Der Bundesfinanzhof hat die hohen Zinsen bereits als "grundgesetzwidrig" eingestuft. Doch der Bund hat offenbar keine Eile, die bestehende Praxis zu ändern.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

In den vergangenen Jahren hat vor allem der Staat von den hohen Zinsen profitiert, die auf Steuernachforderungen vom Finanzamt fällig werden. Allein im Jahr 2017 erzielte der Fiskus einen Überschuss von 367 Millionen Euro aus der Verzinsung von Steuernachforderungen. Das geht aus dem Schreiben von Finanzstaatssekretärin Christine Lambrecht an den Linken-Abgeordneten Jörg Cezanne vom 31. Mai hervor, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt.

Die Summe ergibt sich aus der Aufrechnung von Steuererstattungen und Steuernachforderungen. Das meiste Geld nahm der Fiskus über die Nachzahlungszinsen zur Einkommensteuer ein, dicht gefolgt von den Aufschlägen zur Gewerbesteuer und zur Umsatzsteuer. Die Nachzahlungszinsen auf nicht abgeführte Vermögensteuer sind dagegen gering. Aus den Zahlen des Bundesfinanzministerium geht hervor, dass es im vergangenen Jahr durchaus Steuerzahler gegeben hat, die bei Erstattungen von den hohen Zinsen profitieren konnten. Allerdings war der Vorteil zugunsten des Staates deutlich höher.

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Für Jörg Cezanne, den Finanzexperten der Linken im Bundestag, gehören die hohen Verzugszinsen grundsätzlich abgeschafft. "Die Zahlen weisen deutlich darauf hin, dass findige Steuerpflichtige den Fiskus inzwischen als lukrative Geldanlage nutzen", sagte er. Das sei "auch kein Wunder, wenn der Staat Forderungen gegen die Finanzämter mit sechs Prozent verzinst". Cezanne fordert, künftig den Zinssatz "als Zuschlag auf einen Basiszinssatz" auszugestalten.

Mitte Mai hatte bereits der Bundesfinanzhof die hohen Zinsen auf Steuerforderungen als "grundgesetzwidrig" eingestuft. Der Bundesfinanzhof bezeichnete den Zinssatz von sechs Prozent, den Finanzämter bei Steuernachforderungen erheben, angesichts der Nullzinspolitik als "realitätsfern und unbegründet". Damit zweifelte das oberste Finanzgericht erstmals die Verfassungsmäßigkeit der hohen Nachzahlungszinsen an. Konkret ging es bei dem Beschluss um die Verzinsungszeiträume ab dem Jahr 2015. Es bestünden "schwerwiegende verfassungsrechtliche Zweifel", ob der Zinssatz dem Rechtsstaatsprinzip des Übermaßverbots entspreche, urteilten die Richter.

Die Bundesregierung lässt sich Zeit

Das Urteil des obersten Finanzgerichtes hat bisher nicht zu Konsequenzen geführt. Wie aus dem Schreiben der Finanzstaatssekretärin Lambrecht hervorgeht, sieht der Bund offenbar keine Eile, die bestehende Praxis zu ändern. Zudem bleibt unklar, ob der Bund überhaupt handeln will. Welche Schlussfolgerungen aus der Auffassung des Bundesfinanzhofs zu ziehen sind, schreibt Lambrecht dazu lediglich, "wird mit den obersten Finanzbehörden der Länder zeitnah erörtert". Details werden nicht genannt.

Der Bund muss sich mit den Ländern abstimmen, da das Absenken des Zinssatzes auf Steuernachforderungen und Erstattungen auch dazu führen würde, dass die Länder weniger Geld einnehmen. Bund, Länder und Gemeinden erhalten jeweils einen bestimmten Anteil am Steueraufkommen.

Steuerprofessor Frank Hechtner von der Freien Universität Berlin sagte, Handlungsdruck für die Bundesregierung entstünde erst dann, wenn das Bundesverfassungsgericht die Praxis als verfassungswidrig einstufen würde.

© SZ vom 08.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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