Fiat:Dobrindt fordert härteres Vorgehen wegen verdächtiger Fiat-Autos

The Fiat logo is seen on the steering wheel of a Fiat 'Freemont' model at a mechanic's workshop in Rome

Das deutsche Verkehrsministerium ist überzeugt, dass auch Fiat bei der Abgasreinigung unzulässig trickste.

(Foto: REUTERS)
  • Verkehrsminister Dobrindt fordert von der EU-Kommission ein entschiedeneres Vorgehen wegen möglicher Abgastricks des italienischen Autoherstellers Fiat.
  • Die EU müsse allen Hinweisen nachgehen, "wobei es keine Differenzierungen zwischen den Fahrzeugherstellern geben darf", heißt es in einem Brief an die Kommission.
  • Dobrindt will den Fall nutzen, um auf europäischer Ebene die Vorschriften zu verschärfen, welche die Zulässigkeit von Abschalteinrichtungen regeln.

Von Markus Balser, Klaus Ott und Katja Riedel

Mit Diplomatie hat dieses Schreiben wenig zu tun. Nach kurzen Höflichkeitsfloskeln kommt Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) schnell zur Sache: Im Streit mit dem italienischen Fiat-Konzern um unerlaubte Abgastricks fordert Dobrindt die EU-Kommission zum Handeln auf. "Deutschland bleibt, auch im Lichte der Ergebnisse der Überprüfungen der italienischen Genehmigungsbehörde, bei seiner Auffassung, dass bei den Fahrzeugen des Herstellers Fiat-Chrysler unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut wurden", schreibt der deutsche Minister vor wenigen Tagen an EU-Binnenmarkt-Kommissarin Elżbieta Bieńkowska.

Der Brief liegt Süddeutscher Zeitung, WDR und NDR vor. Die Kommission müsse jetzt ihrer Rolle als Hüterin der Verträge nachkommen, fordert Dobrindt darin. Neben Leitlinien für die Anwendung von Abschalteinrichtungen und Emissionsstrategien solle Brüssel auch auf eine entsprechende Gesetzesänderung hinwirken. Es geht demnach also auch um strengere Abgasvorschriften.

Der Ärger in Berlin sitzt offenbar tief. Die Bundesregierung habe bei VW ohne Zögern aufgeklärt. Die EU müsse nun allen Hinweisen nachgehen, "wobei es keine Differenzierungen zwischen den Fahrzeugherstellern geben darf", heißt es in dem Papier weiter. Schon Ende August war durchgesickert: Die deutsche Untersuchungskommission zur Abgasaffäre ist überzeugt, dass auch bei vier Typen des italienischen Autobauers technische Auffälligkeiten vorhanden sind.

Sie lassen darauf schließen, dass der Wagen merkt, wenn er gerade einen Testzyklus durchläuft und demnach stärker das Abgas reinigt, dieses also vorübergehend sauberer ist als im alltäglichen Straßenverkehr. Tatsächlich sollen unter wirklichen Fahrbedingungen neun bis 15 Mal mehr giftige Stickoxide aus dem Auspuff der Fiat-Dieselautos kommen als bei den Zulassungstests auf dem Prüfstand. Da sind die deutschen Experten überzeugt. In Italien weist man dies bislang zurück.

Weil die auffälligen Fahrzeugtypen jedoch nicht in Deutschland, sondern in Italien geprüft und zugelassen worden sind, kann das deutsche Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) derzeit keine Maßnahmen gegen den Konzern Fiat Chrysler Automobiles (FCA) unternehmen. Das EU-Recht sieht vor, dass nur derjenige Sanktionen verhängen und Zulassungen entziehen kann, der sie erteilt hat. Im Fall Fiat wäre das also Italien. Doch Rom zeigt wenig Interesse. Ein rechtlicher Ausweg, den das EU-Recht böte, wenn Gesundheit oder Umwelt in Gefahr sind, kann in Deutschland nicht beschritten werden, weil die entsprechende EU-Richtlinie nur unvollständig in nationales Recht umgesetzt worden ist.

Dobrindt könnte einen politischen Erfolg dringend gebrauchen

Seit Monaten streiten das deutsche und das zuständige italienische Ministerium nun schon in der Causa Fiat. Dobrindt will den Fall nutzen, um auf europäischer Ebene die Vorschriften zu verschärfen, welche die rechtliche Zulässigkeit von Abschalteinrichtungen bei Motoren regeln. In den USA sind diese Abschalteinrichtungen gänzlich verboten. In Europa wird von den Herstellern vielfach ein angeblich notwendiger Schutz des Motors genannt, um eine Abschaltung der Abgasreinigung zu rechtfertigen.

Das haben Untersuchungen des KBA im Auftrag von Dobrindt ergeben. Der Verkehrsminister will nun durchsetzen, dass die entsprechenden EU-Vorschriften verschärft werden. Auf das Argument des Motorschutzes sollen sich nur noch Hersteller berufen dürfen, deren Motoren dem neuesten Stand der Technik entsprechen. Könnte sich Dobrindt damit durchsetzen, dann hätten viele Hersteller keinen Vorwand mehr, um sich die Abgasreinigung weitgehend zu ersparen. Bisher steht der Minister mit dieser Forderung in Brüssel allerdings ziemlich isoliert da. Doch einen politischen Erfolg in Brüssel könnte Dobrindt dringend gebrauchen. Seit Beginn der Abgasaffäre steht er unter hohem politischem Druck.

Im Konflikt mit Italien soll nun die EU-Kommission den Schiedsrichter geben. Dobrindt habe "positiv zur Kenntnis genommen", dass die Kommission Italien und Deutschland wegen eines Schlichtungstermins kontaktiert habe, heißt es in dem Brief an Kommissarin Bieńkowska vom 13. Oktober. Ende August hatte Dobrindt bereits die Generaldirektion Binnenmarkt in Brüssel um Hilfe ersucht und zudem seinem italienischen Amtskollegen Graziano Delrio mitgeteilt, er sei überzeugt, dass auch die Fiat-Abschalteinrichtung unzulässig sei. Das heißt: Sie sei technisch nicht notwendig, sondern nur ein Abgastrick, um die Grenzwerte zu umgehen.

Besonders umstritten ist der Kleinwagen Fiat 500X

Offiziell haben die italienischen Behörden ihre Prüfergebnisse, mit denen sie die deutschen Messungen kontrolliert haben, nie veröffentlicht. Italiens Verkehrsminister Delrio hatte schlicht und einfach mitgeteilt, es sei dabei nicht Unzulässiges gefunden worden. Es sei "ausgeschlossen", dass bei Fiat etwas nicht stimme. Das Ministerium hat den Bericht nicht veröffentlicht, Anfang Oktober war er jedoch im Internet aufgetaucht, lanciert von Kritikern der italienischen Behörde.

Auf Nachfrage von WDR, NDR und SZ sagte das Ministerium: "Die Untersuchung zeigt, dass die Fiat-Automobile die Standards erfüllen, die derzeit gültig sind." Weder würden zu viele Abgase ausgestoßen noch sei eine unzulässige Abschalteinrichtung eingebaut.

Die Italiener räumten ein, dass es einen weiteren, gesonderten Untersuchungsbericht zum besonders umstrittenen Kleinwagen Fiat 500X gebe, der bei den deutschen Tests im realen Straßenverkehr sehr viele giftige Stickoxide ausgestoßen hatte. Was dieser zusätzliche Test ergeben habe, dazu wollte sich das italienische Ministerium nicht äußern. Beide Berichte sollen nach Angaben des Ministeriums, wenn sie endgültig abgeschlossen sind, veröffentlicht werden. Wann das sein wird, blieb offen.

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