Fiat-Chrysler:Etwas Illegales rauchen

EPA Accuses Fiat Chrysler Of Cheating On Emissions Tests

Einige Jeep-Modelle und auch solche Vehikel der Marke "RAM" sollen Software an Bord haben, die das Diesel-Abgassystem unzulässig abregelt.

(Foto: Scott Olson/AFP)

Fiat-Chef Sergio Marchionne weist Betrugsvorwürfe beim Diesel mit markigen Worten von sich. Dabei beklagt Berlin schon seit Monaten erhöhte Abgaswerte.

Von Thomas Fromm, Max Hägler und Klaus Ott

Die Lage ist ernst, aber Sergio Marchionne nimmt es mit Humor. Wer Fiat-Chrysler (FCA) mit Volkswagen vergleiche, der habe "etwas Illegales geraucht", sagt der FCA-Chef. Wer dem italienisch-amerikanischen Autokonzern Lug und Trug bei den Schadstoffmessungen von Diesel-Fahrzeugen unterstellt, soll also etwas, nun ja, benebelt sein.

Marchionne hat seine ganz eigene, humorvolle Art, die Dinge rüberzubringen. So auch hier in einem Interview mit der Zeitung La Repubblica. Nur: Spaß verstehen die US-Beamten nicht. Die nationale und auch die kalifornische Umweltbehörden (Epa und Carb genannt) werfen dem Konzern massive Verstöße gegen das Luftreinhaltegesetz vor. FCA habe eine illegale Software zur Manipulation von Schadstoffemissionen eingesetzt. Auch der französische Rivale Renault bekam an diesem Freitag mächtig Ärger: Amtsrichter leiteten Ermittlungen wegen des Betrugs bei Abgaswerten gegen den Autobauer ein. Es werde untersucht, ob Abgaswerte falsch angegeben wurden und ob der Handel mit den Autos "gefährlich für die Gesundheit" sei, so die Pariser Staatsanwaltschaft. Renault wies den Vorwurf der bewussten Täuschung zurück. Auf Fiat könnten nun Schadenersatzzahlungen und Strafen in Milliardenhöhe zukommen - all das erinnert an die Abgasaffäre bei Volkswagen. Was Marchionne überhaupt nicht versteht - FCA habe keinen Betrug begangen; die Vorwürfe, so der Konzernchef, seien "aus heiterem Himmel gekommen".

Aus heiterem Himmel? Aber da gab es doch schon etwas.

Das Verkehrsministerium in Berlin und das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) in Flensburg haben FCA schon im Mai vergangenen Jahres vorgehalten, eine unzulässige Software (Defeat Device) zu benutzen, mit der die Abgasreinigung angeschaltet werde. Das sei bei einem Fiat 500X nachgewiesen worden. Die Anschuldigung, illegal zu agieren, ist also schon acht Monate alt. Neu ist nur, dass jetzt auch die US-Behörden diesen Vorwurf erheben. Und dass dadurch quasi über Nacht mehr Druck zur Aufklärung entsteht, als nach fast einem dreiviertel Jahr hin und her in Europa.

FCA hatte die Attacken aus Berlin und Flensburg mit dem Hinweis abgewehrt, die deutschen Behörden seien für Fiat nicht zuständig. Die Aufsicht sei Sache des Heimatlandes Italien. Das wiederum hatte dem Konzern bescheinigt: alles in Ordnung.

Am 3. Februar nun treffen sich Vertreter aus Deutschland und Italien mit der EU-Kommission, um nach einer ersten Zusammenkunft am 4. November 2016 weiter zu verhandeln. Um zu schauen, wie man mit dem schweren Verdacht und mit FCA umgehen solle. Derweil verlagert sich das Geschehen in die USA, wo Volkswagen 22 Milliarden Dollar für den Abgas-Betrug bei etwa 555 000 Diesel-Fahrzeugen zahlen muss. Nun könnte FCA an die Reihe kommen. Hier geht es nur um gut 100 000 Diesel-Wagen. Aber das ist immer noch genug, um ziemlich teuer zu werden. Sofern die US-Behörden zu dem Ergebnis kommen, dass die Vorwürfe stimmen.

VW gab kleinlaut alles zu, nachdem die Behörden in Übersee dem deutschen Konzern auf die Schliche gekommen waren. Marchionne macht es anders. Er weist alles zurück und geht zum Gegenangriff über. Könnte es sein, dass Fiat zwischen die Fronten gerät? Zwischen die Amtszeiten von Präsident Barack Obama und seinem Nachfolger Donald Trump? In eine Phase, in der die Umweltbehörde noch schnell "Ordnung auf dem Schreibtisch" machen wolle, bevor die nächste Administration alles neu aufrollt? "Offensichtlich gab es jemanden bei der Epa, der das Dossier schließen musste, bevor die neue Regierung da ist", sagte Marchionne italienischen Medien. "Aber ich will hoffen, dass es keine politische Angelegenheit ist."

Der italo-amerikanische Konzern hat schwere Zeiten hinter sich - und vor sich

Das sind Spekulationen aus einem Land, in dem man nicht so recht glauben kann, dass ausgerechnet Fiat getrickst haben soll wie der Rivale aus Deutschland. Das Transportministerium in Rom hat Fiat-Chrysler gegen die Vorwürfe aus Deutschland stets in Schutz genommen. Hatte erklärt, bei der umstrittenen Software gehe es lediglich um den Schutz des Motors. Alles ganz legal, alles in Ordnung. Ein Land hält zu seinem Konzern. Das hilft, bislang, in Europa. Aber in den USA genügt das nicht.

Fiat-Chrysler hat schwere Zeiten hinter und vor sich. In der Zeit der Finanzkrise 2009 musste Chrysler von der US-Regierung mit Milliardenbeträgen gestützt werden. Immer noch arbeitet Marchionne, der die Konzerne vor wenigen Jahren erst zusammengeführt hat, an der Sanierung. Die im Raume stehende Strafe von bis zu 4,6 Milliarden Dollar würde den Fortgang dieser Reparatur-Arbeiten wohl fürs Erste über den Haufen werfen. Auch deshalb ging der Börsenkurs erst einmal zweistellig nach unten. Marchionne hofft, dass sich die Dinge unter der neuen US-Regierung von selbst erledigen werden. Neuer Umweltminister wird einer, der den Autokonzernen recht gewogen sein dürfte: Scott Pruit, ein der Ölindustrie nahstehender Lobbyist. Und gerade erst hatte der künftige Präsident Trump dem FCA-Chef für die neuen Investitionen des Unternehmens in Amerika applaudiert: Eine Milliarde Dollar will Marchionne in den USA investieren und 2000 neue Jobs schaffen, unter anderem auch in Fabriken, in denen Jeeps hergestellt werden. Einige Wagen dieser Marke laufen mit mutmaßlich betrügerischer Software.

In den USA heißt es, Fiat-Chrysler könne noch offene Fragen ausräumen. Es scheint noch ein wenig Spielraum zu geben. Und die EU-Kommission? Die erklärt, die Angaben aus den USA seien "beunruhigend". Man fordere von Italien nun auch schnelle Aufklärung der deutschen Vorwürfe. Die Zeit werde knapp. "Wir haben die italienischen Behörden wiederholt aufgefordert, überzeugende Erklärungen zu liefern", erklärte eine Sprecherin der EU-Kommission. Plötzlich hat man es auch in Brüssel eilig.

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