Fernsehen:Die Schlacht im Wohnzimmer

Fernsehen: Die Fantasy-Serie "Game of Thrones" ist weltweit ein Erfolg, demnächst kommt die fünfte Staffel.

Die Fantasy-Serie "Game of Thrones" ist weltweit ein Erfolg, demnächst kommt die fünfte Staffel.

(Foto: HBO)

In den USA kämpfen Unternehmen wie Apple, Sony und Dish um den milliardenschweren TV-Markt. Sie bieten immer öfter Filme und Serien auf Abruf an.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Endlich wie Dick Tracy telefonieren, wie Inspektor Gadget Bösewichter erlegen oder wie in "Knight Rider" das Auto anfordern - natürlich war die neue Apple-Uhr wichtig, die vor zwei Wochen präsentiert wurde. Schließlich gehört das futuristische Armband zu den größten Versprechen auf eine spannende Zukunft. Alles andere wirkte fast banal, kaum jemand interessierte sich da dafür, was Tim Cook noch zu vermelden hatte.

Dabei kündigte der Apple-Chef - quasi nebenbei - auch eine Kooperation mit dem amerikanischen Bezahlsender HBO und eine Reduzierung des Preises von Apple TV an. Auf den ersten Blick keine atemberaubende Mitteilung, doch nun kam heraus, dass Apple für Herbst die Einführung eines Streamingdienstes plant und dafür bereits mit Unternehmen wie Disney, Fox und CBS - den großen der amerikanische Unterhaltungsindustrie - über die Aufnahme von deren Sendern in das Angebot verhandelt. Wenn Apple mitmischt in einer Branche, dann gilt das gewöhnlich als nicht zu leugnendes Indiz für signifikante Veränderungen. Zumal mit einem Partner wie HBO. Der Kabelnetzbetreiber, der zu Time-Warner gehört, produziert auch selbst Filme und Serien, wie zum Beispiel den großen Welterfolg "Game of Thrones", der in Europa zuerst beim Bezahlsender Sky läuft.

Ein Gerät, nach dem die Möbel im Wohnzimmer ausgerichtet sind - die Zeiten sind vorbei

Der Fernsehmarkt ist hart umkämpft, die Pläne der Apple-Manager aus Cupertino sind wahrlich nicht die einzigen. Der TV-Satelliten-Betreiber Dish Network verkündete, dass der kürzlich eingeführte Streamingservice Sling TV nun auch auf der Xbox von Microsoft abrufbar sei. Sonys Playstation-Dienst Vue ist seit einigen Tagen in New York, Chicago und Philadelphia verfügbar, Tivo experimentiert mit verschiedenen Online-Projekten, Showtime will ein eigenständiges Online-Programm etablieren. Und natürlich gibt es da noch Amazon Prime, Netflix, Hulu, Opera TV.

Sie alle wollen die Herrschaft über das Wohnzimmer und bestenfalls auch noch über die tragbaren Geräte haben. Was all diese Unternehmen da planen, ist nichts anderes als das Ende der Fernsehwelt, wie wir sie kennen: ein Gerät, nach dem die Möbel im Wohnzimmer ausgerichtet sind; die Fernbedienung als Insigne der Familienhierarchie; eine Programmzeitschrift, die dem geneigten Zuschauer mitteilt, wann er denn welche Sendung sehen darf - kurz: das Ende des konventionellen linearen Fernsehens.

Apple-Chef Tim Cook glaubt bereits an nichts anders als an eine Revolution

Das alles sind laut Cook Utensilien einer längst vergangenen Zeit. "Wenn wir mal ehrlich sind, dann sitzt das Fernsehen in den Siebzigerjahren fest", sagte er bereits im vergangenen Herbst: "Denken Sie mal darüber nach, wie sich unser Leben seitdem verändert hat - und all die Dinge um uns herum. Fernsehen dagegen fühlt sich an, als würde man eine Zeitmaschine betreten und rückwärts reisen. Allein die Benutzerführung ist grausam, und dann schauen wir die Sendungen, wann immer sie laufen." Das Fernsehen soll also tot sein.

Schon seit Jahren heißt es, dass feste Programmzeiten ein Anachronismus seien - der Erfolg von On-Demand-Services wie Netflix, Amazon Prime oder Hulu unterstützte diese These. Die traditionellen Sender konterten mit der oftmals übertriebenen Verführung des Zuschauers, auch in der nächsten Woche wieder einzuschalten. Und sie erhöhten die Anzahl von Live-Sport-Übertragungen, denn: Wer will schon ein Fußballspiel am darauf folgenden Abend sehen, wenn das Ergebnis längst bekannt ist?

Die Pläne von Sony, Apple und Dish drehen sich deshalb neben gut ausgestatteten Videotheken auch um das Live-Fernsehen. Bei Sling TV gibt es für 20 Dollar pro Monat etwa 20 Sender zu sehen, darunter auch den beliebten Sportkanal ESPN - dafür fehlen frei empfangbare Sender wie ABC oder NBC, dazu ist der Service nicht auf mehreren Geräten gleichzeitig verfügbar. Vue bietet für 50 Dollar pro Monat mehr als 50 Kanäle an, jedoch nicht jene von Disney. Bei Apple TV soll es möglich sein, auch auf tragbaren Geräten wie dem Ipad live fernzusehen, dafür sollen die Kanäle von NBC Universal fehlen.

"Jeder einzelne Service wirkt derzeit noch nicht besonders relevant, aber wer verschiedene Optionen miteinander kombiniert, der kann sich tatsächlich sein eigenes Programm zusammenstellen", sagt Rich Greenfeld von der Analysefirma BTIG Research: "Es geht dabei weniger darum, Geld zu sparen." Die Angebote seien eine Befreiung von dem bislang gewohnten Zwang, durchschnittlich 90 Dollar pro Monat zu bezahlen und dafür Sender zu empfangen, die man überhaupt nicht sehen möchte.

Allein im ersten Jahr könnte Apple laut Prognosen über den Abonnementservice, der zwischen 30 und 40 Dollar pro Monat kosten soll, etwa vier Milliarden Dollar einnehmen. Zum Vergleich: Netflix setzte im vergangenen Jahr 5,5 Milliarden Dollar um. Die Einnahmen der Unternehmen könnten jedoch höher liegen, schließlich brauchen die Nutzer Geräte zum Gucken: Vue etwa funktioniert derzeit nur mit einer Playstation von Sony, der gewöhnlich gut informierte Analyst Eugene Munster von der Investmentbank Piper Jeffrey verkündete die Einführung des Apple-Fernsehers für 2016. Das Gerät könnte nach Ansicht vieler Experten auch eine Smart-Home-Zentrale werden und damit in Konkurrenz zu den Plänen von Google oder Microsoft treten. Allerdings: Munster hatte einen Apple-Fernseher auch schon von 2011 bis 2014 prognostiziert und sich nur für dieses Jahr eine Pause gegönnt.

Cook sagte vor zwei Wochen, dass die Zeit der Spielereien nun vorbei sei: "Apple TV wird neu definieren, wie wir fernsehen. Das hier ist nur der Anfang." Die Unternehmen wollen das Fernsehen revolutionieren und von den neuen Gewohnheiten der Zuschauer profitieren - nicht nur in den USA, viele Experten wie die von Baird Equity Research sprechen vom "weltweiten Potenzial von Streamingdiensten". Für die Kunden, die jahrzehntelang gucken mussten, was ihnen da vorgesetzt wurde, scheint sich dieser Konkurrenzkampf derzeit zu lohnen. Das Fernsehen ist tot - es lebe das Fernsehen.

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