Fender:Die Legende lebt

Seit beinahe 70 Jahren stellt Fender seine Gitarren in Kalifornien her, seit 60 Jahren gibt es die Stratocaster. Die Instrumente verkauft das Unternehmen mit großem Pathos.

Von Jürgen Schmieder

Es gibt eine Szene in dem Film "Wayne's World", kurz bevor die Protagonisten ihre wild behaarten Köpfe zum Song "Bohemian Rhapsody" von Queen schütteln. Wayne steht vor einem Geschäft, er drückt seine Nase gegen die Scheibe und blickt sehnsüchtig auf das dahinter ausgestellte Produkt. Diese legendäre Gitarre, eine weiße Fender Stratocaster aus dem Jahr 1964, sie ist für ihn mindestens so bedeutsam wie die Kunst von Alice Cooper. "Excalibur", sagt er, kniet nieder und verneigt sich: "Eines Tages wird sie mir gehören."

Es gibt nur wenige Produkte, bei denen das Aussprechen des Namens genügt, um im Gehirn eine Melodie und damit Erinnerungen und Emotionen zu erzeugen. Wer Stratocaster oder Telecaster hört, der hat sofort "Purple Haze" von Jimi Hendrix im Ohr, "Smoke on the Water" von Deep Purple, "Cocaine" von Eric Clapton. Das Kopfkino liefert Bilder von Hendrix, wie er seine Strat 1967 im Finsbury Park erst niederknüppelt und dann in Brand setzt.

Bei Fender wissen sie um diese emotionale Verbindung und dass die Marke größer ist als das Unternehmen. Darüber verkaufen sie ihre Instrumente - das wird jedem klar, der diese Fabrik im kalifornischen Kaff Corona betritt. Bilder von Buddy Holly, Kurt Cobain und Jeff Beck, die zerstörte Telecaster von Hendrix, Gitarrenhälse von Mark Knopfler, John Mayer oder David Gilmour. Wer Fender nicht cool findet, das ist die Botschaft, hat keine Ahnung von Rock'n'Roll. Vizepräsident Justin Norvell sagt: "Der Typ, der die Äxte von Eric Clapton gebaut hat, der kann auch eine für Dich bauen, wenn Du sie im Shop für Sonderanfertigungen bestellst."

Natürlich ist das goldig und auch ein wenig lächerlich, so wie alles Romantische ein bisschen lächerlich ist. Es ist diese Illusion, über nur einen Menschen und das von ihm gefertigte Instrument irgendwie mit einem begnadeten Künstler verbunden zu sein. Das tun auch andere, bei Fender jedoch treiben sie das Romantische derart zum Extrem, dass selbst das Lächerliche goldig wirkt.

Sie erzählen dann Geschichten wie die von Abigail Yabarra, die beinahe 60 Jahre lang bei Fender gearbeitet hat und als Königin der Tonabnehmer gilt - für Einzelteile mit ihrer Signatur darauf wird bisweilen das Zwanzigfache des normalen Wertes geboten. Als Ybarra vor zwei Jahren in Rente ging, da schickte ihr Keith Richards eine Limousine nach Los Angeles, er holte sie während eines Konzerts der Rolling Stones auf die Bühne und verabschiedete sie in den Ruhestand.

Jimi Hendrix

Juni 1967, Jimi Hendrix beim Monterey Pop Festival. Im Beitrag des Sammelbandes über Jimi Hendrix herrscht demonstrative Farbenblindheit: Dass Hendrix Afroamerikaner war, wird nicht erwähnt.

(Foto: Bruce Fleming/AP Images)

Vor knapp 70 Jahren hat Leo Fender die Firma im nur 45 Kilometer von der jetzigen Fabrik entfernten Fullerton gegründet, der Mann war eher Handwerker denn Künstler. "Von 100 Dollar investierte er 99 Dollar, damit das Ding funktioniert - und nur einen, damit es gut aussieht", sagt Norvell. Zunächst wurde Fender belächelt ob seines Ansatzes, die einzelnen Teile nicht zu verkleben, sondern zu verschrauben - doch war genau das laut Norvell der Grund für den Erfolg: "Aufgrund der einfachen Austauschbarkeit konnten die Künstler experimentieren. Eric Clapton etwa hat seine Blackie aus drei verschiedenen Strats zusammengesetzt." Seit 60 Jahren gibt es die Stratocaster nun, sie gilt als die meistverkaufte Gitarre der Musikgeschichte.

Seit einigen Monaten können die Kunden auch direkt beim Hersteller ordern

Wie die Karriere eines ordentlichen Rockstars bewegte sich auch die von Fender in kräftigen Wellenbewegungen. Leo Fender verkaufte sein Unternehmen bereits 1965 für 13 Millionen Dollar an CBS, 20 Jahre später kauften es die Mitarbeiter zurück. Dadurch indes begann eine Spirale nach unten. Die Investoren wollten ausbezahlt werden, also verkaufte Fender im Jahr 2011 für 57,8 Millionen Dollar Anteile an Weston Presidio, benötigte zur Rückzahlung im Jahr 2005 aber ein 320-Millionen-Dollar-Darlehen von Goldman Sachs. Im Jahr 2012 wurde dann ein zuvor groß angekündigter Börsengang abgesagt. Wegen des kniffligen Marktes, hieß es offiziell - Experten vermuten, dass die Schulden des Unternehmens zu hoch, die Aussichten nicht rosig genug waren.

Sie brauchen noch eine andere Geschichte, ein zweites Verkaufsargument dafür, damit jemand zwischen 500 und 2500 Dollar ausgibt für eine E-Gitarre. Sie führen nun jeden durch die Fabrik mit den etwa 350 Mitarbeitern, der bereit ist, nach Corona zu kommen - das sind pro Jahr etwa 10 000 Menschen. Denen zeigen sie die 140 Arbeitsschritte vom Stück Sumpfesche bis zur fertigen Gitarre, der komplette Fertigungsprozess dauert etwa einen Monat. "Die meisten Dinge werden im Laufe der Zeit verbessert, das ist hier nicht der Fall", sagt Keith Richards: "Leo Fender hat von Beginn an eine perfekte Gitarre gebaut."

Also ist nun eine Maschine zu sehen, die seit exakt 60 Jahren im Einsatz ist. Sie stellen einem Mitarbeiter wie Josefina Campos vor, seit 24 Jahren dabei und als neue Königin der Tonabnehmer von Abigail Ybarra höchstselbst angelernt. Und natürlich lernt der Besucher Todd Krause kennen, der gerade an einem schwarzen Sondermodell der Stratocaster bastelt. Krause ist tatsächlich der Typ, der einst die Äxte von Eric Clapton gebaut hat. Nicht irgendwo in Südostasien, sondern hier, in Kalifornien.

Genau so vermarkten sie ihre Instrumente nun: Made in California, gebaut von so genannten Master Buildern wie Campos oder Krause, die in der Szene durchaus berühmt sind. Es mag billigere Gitarren geben auf der Welt, es gibt aber - da sind sie bei Fender durchaus selbstbewusst - keine besseren. Es gibt nun einen Shop mit T-Shirts und Mützen und Tassen, die Kunden können seit wenigen Monaten Instrumente direkt bei Fender bestellen (wogegen Einzelhändler kräftig protestierten) und auch Sonderanfertigungen anfordern. Sie sprechen nicht gerne über Zahlen, als privates Unternehmen können sie sich das leisten. Experten schätzen, dass Fender pro Jahr etwa 700 Millionen Dollar umsetzt.

"Vielleicht bauen wir hier gerade die Gitarre, auf der das nächste 'Purple Haze' erschaffen wird", sagt Norvell und präsentiert ein letztes Symbol. Er führt den Besucher in eine Halle, in der 2000 Gitarren von der Decke baumeln. Eine Treppe führt hinauf, oben kann man dem Lack beim Trocknen zusehen. Bei Fender, dieses Bild drängt sich auf, hängt der Himmel voller Gitarren.

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