Felix Hufeld:"Unwucht in der Bankbilanz"

Der Chef der deutschen Finanzaufsichtsbehörde Bafin fordert von Instituten mehr Kapitalpuffer, um Risiken aus Immobilienkrediten abzufedern. Niedrigzinsen seien gefährlich, sagt er.

Interview von Meike Schreiber und Markus Zydra

Felix Hufeld, 55, hatte eine internationale Karriere hinter sich, bevor er 2015 den Chefposten der deutschen Finanzaufsicht Bafin übernahm. In mancher stillen Stunde fragte er sich damals, ob ihm die neue Aufgabe bei der Behörde auch "international" genug sei. Diese Bedenken sind zerstreut. Hufeld ist unterwegs - in Deutschland und in der Welt. Er wirkt zufrieden.

SZ: Herr Hufeld, wenn Marine Le Pen die Präsidentschaftswahl in Frankreich gewinnt, will sie Euro-Staatsschulden in französischen Franc begleichen. Haben Sie durchgerechnet, was das für den europäischen Finanzsektor bedeuten würde?

Felix Hufeld: Das ist eine hypothetische Situation. Es gibt Probleme, die man löst, wenn sie da sind.

Wie schwer ist es, die Konsequenzen eines solchen Szenarios zu prognostizieren?

Sehr schwierig. Wir erleben ja schon, wie kompliziert das beim Brexit ist, und das ist ja im Vergleich zu dem von Ihnen genannten Szenario noch ein geordnetes Verfahren. Ich kann nur hoffen, dass es nicht so kommen wird.

Wenn doch, dann hätten die Banken große Probleme?

Nicht nur die Banken. Allerdings gilt: Wer die Euro-Zone verlässt, muss seine Euro-Verbindlichkeiten in Euro bedienen. Man kann die Schulden in einer Währung nicht einfach wegzaubern.

Italien sorgt für Unruhe im Europäischen Bankensektor. Der italienische Staat rettet einige Institute mit Steuergeld. Das sollte doch nicht mehr passieren.

Die Möglichkeit einer vorsorglichen Rekapitalisierung auch unter Einbeziehung staatlicher Mittel ist Teil des europäischen Rechts und an Bedingungen geknüpft. Die betroffene Bank muss solvent sein, und das frische Staatskapital darf nicht nur zur Abdeckung absehbarer Verluste genutzt werden. Wenn EZB und EU-Kommission zu dem Ergebnis kommen, dass diese Bedingungen erfüllt sind, dann ist die Rekapitalisierung kein Privileg, sondern ein regelkonformes Instrument.

Das macht doch Schule. Jede Regierung in der Euro-Zone wird sich auf die Lex Italien berufen können und niemals eine Großbank pleitegehen lassen.

Diese Staatshilfen dürfen nicht missbraucht werden. Wir stehen hier vor einer schwierigen Aufgabe, denn es gibt noch keine etablierte Praxis für solche Situationen. Gerade deshalb müssen die Präzedenzfälle so genau geprüft werden, damit man für spätere Fälle eine belastbare Vorgehensweise hat.

Der Mond in Frankfurt

Was passiert, wenn die Zinsen wieder steigen? Die Süddeutsche Zeitung diskutiert über solche Fragen mit Experten auf dem SZ-Finanztag.

(Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

Derzeit jammern die deutschen Banken über niedrige Zinsen. Wie gefährlich wird es, wenn die EZB die Leitzinsen erhöht?

Die Banken haben den Kunden zu niedrigen Zinsen Kredit gegeben, die sehr lange Laufzeiten haben, vor allem für Immobilien. Gleichzeitig leihen sich die Banken das dafür notwendige Geld sehr kurzfristig. Die größte Gefahr entsteht, wenn die Zinsen sehr stark und schnell steigen. Das führt zur Unwucht in der Bankbilanz und schwächt die Erträge. Wir fordern deshalb bei einigen Banken entsprechende individuelle Kapitalpuffer. Je länger die Niedrigzinsphase dauert, desto gefährlicher wird es, wenn die Zinsen wieder steigen.

Der Finanzwissenschaftler Martin Hellwig fordert, die Aufsicht müsste die Banken bei Immobilien viel strenger an die Kandare nehmen. Plagt Sie die Kritik?

Das ist eine philosophische Debatte. Professor Hellwig sagt, die Banken würden die aktuelle Regulierung nutzen, um die Aufseher durch Anwendung der internen Risikomodelle hinters Licht zu führen. Er fordert eine simple Regulierung mit sehr hohen nicht risikosensitiven Kapitalanforderungen für Banken. Wir halten diesen Ansatz für falsch.

Warum?

Pauschale Ansätze verleiten Banken dazu, sehr riskante Geschäfte zu machen, ohne dass sie dafür regulatorisch bestraft werden. Und je höher diese pauschalen Limits gesetzt werden, desto stärker ist dieser Anreiz. Die heutige Bankenwelt ist nun mal sehr komplex. Der Glaube an einfache Lösungen ist naiv. Wir müssen der komplexen Realität mit angemessener Regulierung begegnen, sonst geht es schief.

Bei den Verhandlungen zu Basel III geht es im Kern genau darum, um einfache versus komplexe Modelle für die Eigenkapitalausstattung. Scheitert das jetzt?

Die Suche nach einem tragfähigen globalen Standard geht unvermindert weiter. Das wird noch einige Monate dauern, nicht zuletzt weil die USA noch dabei sind, die politischen Linien zu entwickeln. Wir streben sehr ernsthaft einen Kompromiss an, aber nicht um jeden Preis.

Wie hoch ist das Risiko des Scheiterns?

Schwer zu sagen. Ich wünsche mir diesen gemeinsamen Standard, und wir sind zu vielen Kompromissen bereit, aber das Prinzip, dass die Banken je nach Risiko mehr oder weniger Eigenkapital vorhalten sollen, geben wir nicht auf. Das sagen wir aus sehr grundsätzlichen Überlegungen und nicht etwa, weil wir dem Lobbygeklingel der Banken erliegen.

Felix Hufeld
(Foto: Frank Beer/BaFin)

Wie viele Banken gehen nach dem Brexit von London nach Frankfurt?

Das weiß ich in ein paar Wochen, wenn die meisten großen amerikanischen und japanischen Institute ihre Entscheidung fällen. Wir sind mit einer beachtlichen Zahl an Instituten im Gespräch.

Sind die von der SPD vorgeschlagenen Regeln zur Managervergütung ein Standortnachteil für Frankfurt? Ab 500 000 Euro drohen steuerliche Nachteile.

Nein, mit dem Brexit hat das nichts zu tun.

Also keine Nachteile für den Standort?

Ich denke nicht. Die Finanzkrise hat aber generell gezeigt, dass überhöhte Gehälter zu Fehlanreizen des Managements bei einer Bank führen können, etwa weil die Führung verleitet wird, hohe Risiken einzugehen.

Banker brauchen eben strenge Regeln.

Ja, stimmt, daher haben wir die Institutsvergütungsverordnung, die das abstellen soll. Nun müssen Banken die Bonuszahlungen an Vorgaben koppeln. Erfüllt der Vorstand diese nicht, dann gibt es keinen Bonus. Und wenn ein Vorstand persönlich schwerwiegende Fehler macht, dann kann man sogar bereits ausbezahlte Boni zurückfordern. Das ist vernünftig, und möglicherweise ist die Finanzbranche da ja sogar ein Trendsetter.

Das Gesetz zwingt die Banken jetzt, Klauseln in Arbeitsverträgen zu ergänzen, damit sie Boni zurückholen können. Bis wann sollen die Verträge geändert sein?

Wir setzen keine feste Frist, denn das wäre ein Verstoß gegen das Verfassungsrecht, weil abgeschlossene Verträge zu respektieren sind. Es gibt aber eine sogenannte Hinwirkungspflicht der Banken; die prüfen wir. Ich hoffe, dass alle Verträge geändert werden.

Der deutsche Bankensektor soll schrumpfen, auch durch Fusionen. Wie würden Sie auf einen Fusionsversuch von Deutscher Bank und Commerzbank reagieren?

Wenn sich Bank A darum bewirbt, Bank B zu übernehmen, müssen wir als Aufseher prüfen, ob das Institut überhaupt stark genug ist, das zu tun. Wenn ein Fusionsplan Harakiri ist, dann klappt das Geschäft nicht. Aber wichtig ist auch: Wir als Aufseher machen da keine strategischen Vorgaben. Es ist Aufgabe der Unternehmen, das selbst zu entscheiden.

An der Deutschen Bank halten chinesische Investoren bereits drei Prozent. Wenn sie mehr kaufen, verhindert das dann die Bafin?

Wir leben im Zeitalter der Globalisierung, da ist so etwas selbstverständlich möglich. Dennoch werden wir jeden Einzelfall prüfen, ohne Ansehen von Land und Person und ohne politische Geschmacksfragen zu bemühen. Es geht um die Zuverlässigkeit der Investoren. Das ist ein breiter Begriff, da geht es nicht nur um deren Kontostand.

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