FDP lehnt Finanztransaktionssteuer ab:Merkel fordert die gelbe Dagegen-Partei heraus

Die Steuer soll kommen. Zur Not auch nur in den Euro-Ländern. So will es die Kanzlerin, aber ihr Koalitionspartner FDP ist strikt dagegen. Sie hat zwar eine Alternative zur Finanztransaktionssteuer, doch die dürfte der Spekulation an den Märkten kaum entgegenwirken. Und das könnte sich im Wahlkampf zu einem Problem auswachsen.

Thorsten Denkler, Berlin

Es war nur ein Versprecher, aber er zeigt, wie wenig die FDP eigentlich noch von einer Zustimmung zu einer Finanztransaktionssteuer entfernt ist. Philipp Rösler, FDP-Chef, Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister, stellte am Mittwoch den Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung vor. Nach der Steuer gefragt, sagte er: Es bleibe bei der Linie der Bundesregierung, dass sie nur komme, wenn sie "in der Euro-Gruppe" eingeführt werde. Später flüsterte ihm sein Staatssekretär etwas ins Ohr. Rösler danach: "Ich muss mich korrigieren", nicht in der Euro-Gruppe - in "ganz Europa", habe er sagen wollen. Auch das ist nicht ganz richtig. Präziser hätte er auf die 27 Staaten der Europäischen Union verweisen müssen, aber geschenkt.

Die Debatte um die Finanztransaktionssteuer, eine Art Umsatzsteuer auf alle Geldgeschäfte, wird der FDP auch so noch mächtig zu schaffen machen. Kanzlerin Angela Merkel treibt die Einführung einer solchen Abgabe voran. Das geht aus einem gemeinsamen Papier der deutschen und der französischen Regierung zur Vorbereitung des EU-Gipfels Ende Januar hervor, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt.

Die deutsche Zwei-Prozent-Partei FDP und die notorischen Europaskeptiker in Großbritannien, das sind die derzeit entschiedensten Gegner der Finanzmarkttransaktionssteuer. Die Briten, weil sie um ihren Finanzplatz London fürchten, der schon wieder kräftig Gewinne abwirft. Und die FDP weil ... ja, warum eigentlich?

Steuer "muss kommen"

Das können sich immer weniger Personen in der Partei erklären. Da ist etwa Wolfgang Kubicki, wahlkämpfender Fraktionschef der Liberalen in Schleswig-Holstein. Er will die Nord-FDP davor bewahren, bei der Wahl Anfang Mai aus dem Landtag zu fliegen. Das Nein zur Transaktionssteuer sieht er dabei nicht als Gewinner-Thema für seine Partei. Die Steuer "muss kommen", forderte er kürzlich. Er halte es "nicht für klug, in dieser Frage einen Konflikt mit der Union aufzubauen".

Ein volle Breitseite gegen Parteichef Rösler und den Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, Rainer Brüderle, war das. Kubicki kann sich das erlauben. "Parteivorsitzende haben immer recht", flötete Brüderle zwar am Mittwoch vor Journalisten. Doch Wahlkämpfer haben in der Regel noch mehr recht.

Brüderle will das nicht schmecken. Die Finanzmarkttransaktionssteuer sei keine "wahlkampftaktische Frage" rüffelte er Richtung Kiel. Ginge es nach ihm, dann würde die Steuer, wenn überhaupt, im Rahmen der G-20-Staaten und nur zur Not in der gesamten EU eingeführt. Einen Alleingang der Euro-Gruppe hält er für falsch. Mit dieser Haltung wird die Finanzmarkttransaktionssteuer nie eingeführt. Brüderle weiß das. Und das stört ihn auch nicht.

Das Problem der FDP ist: Sie hat keine echte Alternative zu bieten, die auf ähnliche Art Finanzspekulationen entgegenwirken könnte. Brüderle nennt zwar gerne die Finanzaktivitätssteuer. Doch damit würden lediglich die Gewinne der Finanzinstitute aus Finanzgeschäften besteuert. Machen sie keine Gewinne, müssen sie auch nichts zahlen. Die Idee geht auf einen Vorschlag des Internationalen Währungsfonds (IWF) zurück.

Problem Hochfrequenzhandel

Ein Ziel würde immerhin erreicht: Die Beteiligung der Finanzinstitute an den Folgen der Geldmarktkrise. Gegen die Zockereien aber etwa im Hochfrequenzhandel an den Börsen würde eine solche Steuer kaum etwas ausrichten können. Das räumt auch Brüderle ein.

Der Hochfrequenzhandel ist ein automatisiertes Handelssystem, bei dem in kürzester Zeit mit Wertpapieren große Umsätze gemacht werden. Die Finanzmarkttransaktionssteuer könnte da Wirkung zeigen, weil jedes einzelne Geschäft am Umsatz bemessen besteuert und den Handel verteuern würde.

Einen nennenswert besseren Vorschlag, wie der spekulative Hochfrequenzhandel eingedämmt werden kann, hat die FDP nicht. In einem gemeinsamen Positionspapier von Brüderle und dem FDP-Steuerfachmann Hermann Otto Solms vom 10. November 2011 schreiben sie nebulös, der Hochfrequenzhandel dürfe "nicht zu Übertreibungen und spekulativen Exzessen führen". Er müsse deshalb auf " funktionstüchtigen Systemen beruhen, die einer effektiven Kontrolle durch die Aufsichtsbehörden unterliegen".

Überzeugend klingt das nicht. Genau das macht wohl neben den miesen Umfragewerten die Schwäche die FDP-Position aus. Die ist so schwach, dass es etwa Peter Altmaier, Parlamentarischer Geschäftsführer der Bundestagsfraktion von CDU und CSU, nur noch für eine Frage der Zeit hält, bis die FDP umfällt. CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt ist noch deutlicher: Wenn es nicht gelänge, "die Briten mit ins Boot zu nehmen", dann müsse die Steuer eben in den Euro-Staaten eingeführt werden.

Die deutsche und die französische Regierung haben offenbar genau das vor. Es gebe auch schon eine deutsch-französische Arbeitsgruppe auf Beamtenebene, die ein Konzept ausarbeite, schreibt das Handelsblatt.

Nachdem Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel sich "persönlich" klar zu einer Finanztransaktionssteuer im Zweifel auch nur in der Euro-Gruppe bekannt hat, sind offenbar alle Dämme gebrochen. Auf die FDP jedenfalls will keiner mehr Rücksicht nehmen.

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