FDP-Haushaltsexperte Fricke:"Die Regierung hat versagt"

Generalabrechnung mit Schwarz-Rot: Der Bund hat die Opel-Rettung versemmelt, meint FDP-Haushaltsexperte Otto Fricke. Sie habe sich von der Verlockung kurzfristiger Erfolge leiten lassen.

Tobias Dorfer

Derzeit tritt der Verwaltungsrat von General Motors zusammen, um über die Zukunft von Opel zu entscheiden. Dass die Amerikaner ihre deutsche Tochter tatsächlich ziehen lassen, glaubt fast niemand mehr. Unklar ist, was dann mit dem Überbrückungskredit in Höhe von 1,5 Milliarden Euro geschieht, den Deutschland bereits gezahlt hat. Otto Fricke, 43, ist Vorsitzender des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestags. Der FDP-Politiker kritisiert die Taktik der Bundesregierung. Die Verhandlungsführer hätten sich zu schnell auf den Interessenten Magna festgelegt.

sueddeutsche.de: Herr Fricke, der Verkauf von Opel ist wahrscheinlich gescheitert. Worüber ärgern Sie sich eigentlich mehr: die Taktiererei von General Motors oder das Krisenmanagement der Bundesregierung?

Otto Fricke: Mit der Taktiererei von General Motors habe ich gerechnet, viel mehr ärgere ich mich über die Regierung. Eigentlich dachte ich, die Verhandlungsführer müssten von Anfang an damit rechnen, das GM Spielchen spielt - und dass sie das bei den Gesprächen mit den Amerikanern berücksichtigen.

sueddeutsche.de: Das haben sie nicht?

Fricke: Nein. Wenn ich mich an die ganzen sonntäglichen Sondersitzungen erinnere, dann muss ich sagen, die Bundesregierung hat versagt und das Verhalten von General Motors völlig falsch eingeschätzt.

sueddeutsche.de: Angenommen, die deutsche Regierung wäre nicht von Angela Merkel sondern von Otto Fricke angeführt worden: Was hätten Sie anders gemacht?

Fricke: Unter Beteiligung der FDP wäre das Opel-Krisenmanagement anders gelaufen. Ich hätte von GM ein klareres Bekenntnis für den Verkauf gefordert.

sueddeutsche.de: Ganz einfach war die Verhandlungsposition der deutschen Regierung jedoch nicht. Die Ansprechpartner haben gewechselt, der Vorstand von GM ist entmachtet und das Sagen in Detroit hat nun die US-Regierung.

Fricke: Richtig. Aber warum ist in den Absichtserklärungen der Verkauf von Opel nirgendwo fest fixiert worden? So hat die Bundesregierung auch den früheren Verhandlern die Tür offen gelassen, dass GM Opel behalten kann. So etwas nenne ich inkonsequentes Handeln.

sueddeutsche.de: Mit anderen Worten: Die Bundesregierung hat sich über den Tisch ziehen lassen?

Fricke: Sie hat sich eher von der Verlockung des kurzfristigen Erfolgs leiten lassen. Es ist immer eine große Gefahr, wenn Politik nicht ökonomisch denkt, sondern nach dem Motto der Heilsbringung verfährt. General Motors dagegen hat immer langfristig gedacht und geschaut, wie man sich eine gute Verhandlungsebene bewahren kann.

sueddeutsche.de: Das Resultat ist ein Überbrückungskredit von 1,5 Milliarden Euro aus Deutschland für Opel. Haben die deutschen Steuerzahler damit nur den Sanierungsprozess von General Motors unterstützt?

Fricke: Ich befürchte es. Denn trotz aller Äußerungen hat die Bundesregierung keinen Hebel, um etwas anderes aus dem Geld zu machen als eine Subvention für GM.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, ob die Regierung eine Chance hat, den Überbrückungskredit zurückzubekommen - und was sich in der Causa Opel ändern wird, sollte die FDP nach der Bundestagswahl Regierungspartei werden.

"Natürlich zockt GM"

sueddeutsche.de: CDU-Fraktionschef Kauder hat bereits gesagt, sollte Opel nicht verkauft werden, müsste GM die Brückenfinanzierung zurückzahlen.

Fricke: Ich kann nicht erkennen, wie die Bundesregierung auf General Motors gegenwärtig Druck ausüben kann. Trotzdem rechne ich damit, dass es eine Rückzahlung geben wird. Die muss natürlich verzinst sein. Ich hoffe nur, dass das im Vertrag auch festgehalten ist.

sueddeutsche.de: Als Vorsitzender des Haushaltsausschusses müssten Sie doch eigentlich wissen, was in dem Vertrag steht, oder?

Fricke: Die Bundesregierung hat den Haushaltsausschuss bisher nur partiell und kurzfristig am vergangenen Pfingstsonntag über deren geplantes Vorgehen unterrichtet. In der aktuell verworrenen Situation besteht weiterer Unterrichtungsbedarf. Ich werde mich daher auch in den kommenden Tagen weiter informieren müssen. Wir werden sehen, wie kooperativ sich die Bundesregierung hierbei zeigt.

sueddeutsche.de: Ganz nebenbei stellt sich auch noch die Frage, wie es mit Opel und den 26.000 Mitarbeitern weitergeht. Haben Sie die Hoffnung schon aufgegeben, dass GM verkauft?

Fricke: Das ist aus meiner Sicht völlig offen und hängt davon ab, welche Interessen sich bei General Motors durchsetzen. Mir persönlich ist es völlig egal, ob der Opel-Investor aus Amerika, Belgien oder Russland kommt - solange er möglichst viele Arbeitsplätze rettet.

sueddeutsche.de: Wenn es Ihnen nur um die Sicherung von Jobs geht, dann sind Sie von SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier gar nicht so weit weg ...

Fricke: Moment. Im Vergleich zu Steinmeier lege ich mich nicht voreilig und ohne Not auf einen Investor fest, sondern sage: Es gilt, mit möglichst wenig Steuergeld möglichst viele Arbeitsplätze dauerhaft zu sichern. Die Frage, ob Opel gute Autos baut und auf dem Markt bestehen kann, kann ich nicht beantworten. Ich bin schließlich kein Auto-Spezialist.

sueddeutsche.de: Andere haben sich dagegen weit aus dem Fenster gelehnt und sich für Magna ausgesprochen. Präferieren Sie das Modell auch?

Fricke: Ich halte die Festlegung auf Magna für vollkommen falsch. Darin liegt auch einer der Gründe für das Verhalten von General Motors. Wenn die eine Seite genau weiß, dass sich die andere Seite bereits festgelegt hat, dann kann sie das für ihre Verhandlungsposition nutzen. Natürlich zockt GM - die Frage ist nur: Wer hat zum Zocken eingeladen?

sueddeutsche.de: Ein betroffener Politiker hat in den vergangenen Monaten geschwiegen: Ihr Parteikollege Dieter Posch hat als Wirtschaftsminister des Opel-Landes Hessen stumm den Magna-Kurs von Ministerpräsident Koch mitgetragen. Hätten Sie sich nicht gewünscht, dass er sich mehr für die FDP-Positionen einsetzt?

Fricke: Herr Posch hat die Verantwortung für das Land Hessen und entsprechend verhält er sich. Ich habe dagegen von meiner Fraktion den Vorsitz des Haushaltsausschusses übertragen bekommen, und damit eine entsprechend andere Aufgabe.

sueddeutsche.de: Nach einer klaren Position der FDP klingt das nicht. Dabei findet in knapp drei Wochen die Bundestagswahl statt und die Chancen für eine schwarz-gelbe Mehrheit stehen nicht schlecht. Spätestens dann müssen Sie Farbe bekennen: Was wird sich in der Causa Opel ändern, wenn Sie mitmischen?

Fricke: Wir werden auf jeden Fall verhandeln und uns nicht schon vorher auf einen Investor festlegen. Und dann würden wir versuchen, so viele Arbeitsplätze wie möglich zu retten - jedoch ohne uns in ein Abenteuer zu stürzen, dessen Ausgang wir nicht absehen können.

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