FC-Bayern-Präsident:Steuerfahnder half Hoeneß bei Selbstanzeige

Uli Hoeneß Steueraffäre Selbstanzeige FC Bayern München

Uli Hoeneß im Jahr 2012 in München

(Foto: dpa)

Die Steueraffäre des Uli Hoeneß ist eine Geschichte voller Missverständnisse und Absurditäten. Die Kanzlerin und ein Journalist spielen dabei keine unwesentliche Rolle. Jetzt taucht in dem Drama auch noch ein Steuerfahnder auf, der Hoeneß nach SZ-Informationen bei seiner missglückten Selbstanzeige zur Seite stand. Und: Eine Morddrohung gegen den Bayern-Präsidenten wird bekannt.

Von Hans Leyendecker

Uli Hoeneß ist es gewohnt, dass sein Name polarisiert. Außerhalb des Bayern-Kosmos war er, früher zumindest, eine Hassfigur, und für die innerhalb ist er der Inbegriff des Patrons geblieben: "Mia san Uli" schreiben Leser dieser Tage an Redakteure und versprechen ihm "SULIDARITÄT". Freund und Feind spielen auch in seinem Steuerfall, der die Steuerfahndung, die Staatsanwaltschaft, die Nation beschäftigt, eine große Rolle.

Die Staatsanwaltschaft München I führt seit Kurzem ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Bedrohung gegen einen Unbekannten, der unter falscher Adressangabe als "Revierjäger und Heger" Hoeneß ein Pamphlet geschickt hat: "Dich haben wir im Fadenkreuz." Hoeneß sei "allerorten zum Abschuss freigegeben". Zwei gekreuzte Patronen sind im Bild zu sehen, und der Hoeneß-Hasser hat noch notiert: "Diese Patronen sind für Dich bestimmt." Solche Wirrköpfe werden oft durch große Verfahren angelockt, aber auch die Hoeneß-Freunde aus Politik und Medien machen das komplizierte Verfahren, in dem Staatsanwaltschaft und Verteidigung keine Auskünfte erteilen, noch komplizierter.

Ausgerechnet ein Fahnder

Und zu allem Überfluss taucht in dem Drama jetzt auch noch ein unglücklicher Steuerfahnder auf, der Hoeneß bei der Abfassung seiner missglückten Selbstanzeige zur Seite stand. Ausgerechnet ein Fahnder. Er wurde vernommen, bei ihm wurde durchsucht, und seine Geschichte ist voller Missverständnisse wie so vieles andere in diesem schrägen Fall, bei dem es in der Summe um vielleicht 3,2 Millionen Euro nicht bezahlter Steuern geht.

Der Finanzbeamte war viele Jahre Sachgebietsleiter bei der Steuerfahndung München - und er kannte Hoeneß. Seit einer Weile ist er kein Sachgebietsleiter mehr, sondern in Altersteilzeit. Das heißt, er ist formal noch nicht in Pension, geht aber schon lange nicht mehr in den Dienst und wartet auf seine Urkunde. Hoeneß wird ihn für einen Pensionär gehalten haben. Der Mann selbst wird sich auch so gesehen haben. Aus seiner Rolle bei der Abfassung der Selbstanzeige lassen sich nur schwer politische Schlüsse ziehen. Aber misslich ist eine nicht genehmigte Nebentätigkeit auch bei Nachbarschaftshilfe. Doch irgendwie passt sein Fall zu der ganzen Causa, die von Unbeholfenheit nur so strotzt.

Die Ermittler sollen, was für den Ausgang ihrer Prüfung nicht ganz unerheblich ist, mittlerweile davon ausgehen, dass Hoeneß im Zuge eines geplanten Steuerabkommens mit der Schweiz anonym seine Steuern nachzahlen wollte. Die Bank soll im Herbst 2012 im Auftrag von Hoeneß die zu zahlende Summe ermittelt haben, angeblich zwischen 5,8 und 6,8 Millionen Euro. Also deutlich mehr, als heute im Feuer ist.

Mitte Dezember 2012 wusste Hoeneß, was die meisten Deutschen zu diesem Zeitpunkt wussten: Das Steuerabkommen würde scheitern. Er wollte, davon ist auszugehen, eine Selbstanzeige abgeben. Es kamen die Weihnachtstage, es gab Verzögerungen.

Harakiri in Bad Wiessee

Mitte Januar sollen dann die beiden entscheidenden Tage gewesen sein. Am Morgen des 15. Januar saß Hoeneß mit seinem Freund Hans-Ulrich Jörges, der Mitglied der Stern-Chefredaktion ist, in Berlin im Café Einstein, Unter den Linden. Sie unterhielten sich über Politik - wie immer. Am Mittag traf sich Hoeneß mit der Kanzlerin zum Essen. Danach soll ihn die Bank Vontobel darüber informiert haben, dass ein Stern-Reporter im Zusammenhang mit einem Konto Fragen nach einer deutschen Sportgröße gestellt habe.

Er fragte nicht nach Hoeneß - aber vielleicht war er auf der richtigen Spur. Jörges sagt heute, er habe von der Recherche des Kollegen nichts gewusst. Hoeneß fragte ihn aber auch nicht danach. Stattdessen soll er noch am selben Tag den Steuerfahnder und seinen Steuerberater nach Hause gebeten haben, um Kriegsrat zu halten. Freunden hat er erzählt, dass er sich nach dem Gespräch mit der Kanzlerin endgültig entschlossen habe, die Selbstanzeige abzugeben. Am nächsten Morgen, es war ein Mittwoch, soll dann der Steuerberater nach Zürich geflogen sein, um die Unterlagen für die Selbstanzeige abzuholen.

Dort soll der Pressechef der Bank, Reto Giudicetti, in die Runde geplatzt sein. Der Stern-Mann hatte am Montag noch einmal schriftlich nachgefragt. Immer noch nicht auf der richtigen Spur, wieder nicht der Name Hoeneß, aber viele "Trifft es zu"-Fragen. Der Steuerberater soll dann gleich wieder zurückgeflogen sein. Ohne Unterlagen. Es brannte. Angeblich. Ob diese in München kolportierte Geschichte genau so war, ist nicht ganz klar. Aber die Quellen, die sie verbreiten, sind gewöhnlich nicht schlecht informiert.

Panik ohne Not

In Bad Wiessee sollen sich dann am Abend der Steuerberater, der Steuerfahnder und ein weiterer Anwalt mit Hoeneß zusammengehockt haben, um die Selbstanzeige zu formulieren. Zwei Konten, nur die Jahres-Endstände wurden saldiert. So eine Selbstanzeige ist Harakiri, selbst bei einer sehr hohen freiwilligen Abschlagszahlung. Sie soll bei gut neun Millionen Euro liegen.

Dabei wäre es leicht möglich gewesen, an jenem Mittwoch schon den Stern-Artikel zu besorgen. Die Geschichte deutete in keiner Zeile auf Hoeneß hin. Panik ohne Not. Selbst Jörges ist bei der flüchtigen Lektüre der Geschichte nicht in den Sinn gekommen, dass am Ende möglicherweise seinem Freund Hoeneß das geheimnisvolle Vontobel-Konto zuzurechnen war.

Am 17. Januar, einem Donnerstag, wurde dann frühmorgens die Selbstanzeige bei der Bußgeld-und Strafsachenstelle in Rosenheim eingereicht. Ein Steuerstrafverfahren wurde eingeleitet. Hoeneß' Haus wurde durchsucht, ein Haftbefehl wurde gegen Zahlung einer Kaution aufgehoben. Trotz des Steuergeheimnisses wusste bald das halbe Kabinett in München, dass gegen Hoeneß ermittelt wurde. Das ist ungewöhnlich. Indizien deuten darauf hin, dass Journalisten aus dem politischen Raum einen Tipp bekamen. Ganz sicher ist das noch nicht. Normalerweise schreiben Journalisten nie über Quellen, auch nicht über die anderer Journalisten, aber ein Tipp aus der Politik wäre schon ein Politikum.

Was für ein absurder Fall: Ausgerechnet Focus, dessen Herausgeber Helmut Markwort seit der Gründung der FC Bayern München AG im Aufsichtsrat sitzt, brach als erstes Blatt im Fall Hoeneß das Steuergeheimnis, und alles, was dann medial folgte, kam danach: "Jeder, jeder, jeder redet über ihn, weil das Steuergeheimnis verletzt worden ist", lamentierte Markwort im Deutschlandfunk. Man kann Mitleid mit dem Alten haben oder nicht, aber echtes Mitleid verdient der verirrte Fahnder.

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