Faraday Future:Nie wieder Parkplatzsuche

Der amerikanische Autobauer stellt am Montagabend auf der Elektronikmesse CES in Las Vegas seine Vision der Mobilität vor. Ist es eine Revolution oder doch bloß heiße Luft?

Von Jürgen Schmieder, Las Vegas

Sie sind angetreten, um die Welt zu verändern. Das Start-up Faraday Future und seine 400 Mitarbeiter sorgen in der Autobranche für Aufsehen, so auch jetzt wieder bei der Elektronikmesse CES in Las Vegas. Hier soll am Montagabend Visionäres präsentiert werden, wie ein Werbespot andeutet. Zu sehen sind in Sonnenstrahlen getauchte Highways, eine smogfreie Innenstadt, eine Party auf einem leeren Parkplatz. Ein Erzähler berichtet von einer besseren Welt. Um keine andere Veranstaltung wird so viel Wirbel gemacht wie um die des mysteriösen Autobauers, der 2014 in Kalifornien gegründet wurde. Und eines muss man den Menschen von der Westküste der USA lassen: Sie können einen Hype kreieren wie sonst kaum jemand auf der Welt. Das wird in dieser Woche auf der CES zu sehen sein, der weltweit größten Fachmesse für Unterhaltungselektronik, die inzwischen auch für die Autoindustrie enorm wichtig geworden ist.

In diesem Jahr ist VW-Markenvorstand Herbert Diess einer der Hauptredner. Er wird über Elektromobilität reden und angeblich einen elektrisch betriebenen VW-Bus enthüllen. Das klingt erwartbar. Jedenfalls im Vergleich zu dem, was Faraday Future vorzuhaben scheint: "Was wäre, wenn wir mal alles vergessen, was wir über Autos wissen? Was wäre, wenn die Rückbank der neue Fahrersitz wäre? Was wäre, wenn ein geparktes Auto ein interessanteres Leben hätte? Was wäre, wenn wir kein Auto mehr besitzen würden - sondern eins benutzen, wann immer wir es brauchen?", fragt der Erzähler im Werbevideo.

Offiziell verkündet wird erst am Montag

Zusammengefasst: Was wäre, wenn wir nur noch Kilometer für selbstfahrende, miteinander kommunizierende und vor allem elektrische Fahrzeuge kaufen würden und zu jeder Gelegenheit das passende und vor allem perfekt präparierte und voll aufgeladene Gefährt geliefert bekämen? Einen Einsitzer für den Arbeitsweg am Morgen, einen Kleinbus für den Familienausflug am Wochenende und ein spritziges Cabrio fürs Picknick mit dem Partner. Aus dem Umfeld von Faraday Future heißt es, dass das Unternehmen genau das plane, die Mitarbeiter-Aussagen deuten ebenfalls darauf hin - offiziell verkündet wird erst am Montag.

"Wir glauben daran, dass sich die Bedürfnisse der Menschen stark verändern werden", sagt Entwicklungschef Nick Sampson, einer von derzeit 400 Mitarbeitern: "Für diese Bedürfnisse werden wir neue Besitz- und Nutzungsmodelle entwerfen, ähnlich dem Abonnementservice in der Musikindustrie." Parkplätze braucht es bei dieser Vision kaum noch, weil das gerade benutzte Auto ja sogleich weiterfährt zum nächsten Nutzer. Deshalb die Party auf dem Parkplatz im Werbevideo.

Car-Sharing ist keine neue Idee

Was Faraday Future da - wohl von 2017 an - vorhat, hört sich zunächst einmal futuristisch und doch irgendwie realisierbar an, vor allem klingt es wie eine Revolution auf dem Automarkt, der ja seit Anbeginn nach dem Immer-mehr-bauen-und-verkaufen-Prinzip funktioniert und damit auch immer mehr die Luft verpestet. Bei näherer Betrachtung allerdings ist es dann doch keine völlig neue Strategie. Car-Sharing ist keine neue Idee, so sind Fahrservices wie Uber und Lyft und Verleih-Modelle wie Turo, GoGet und Zipcar entstanden. Verschiedene Versionen selbstfahrender Autos wurden 2015 vorgestellt.

Das Faszinierende an Faraday Future scheint eher, dass die Firma all diese Geschäftsmodelle unter einem Dach vereinen möchte. Dafür hat das Unternehmen hochkarätige Mitarbeiter angeworben, sie kommen von BMW, dem Elektroautohersteller Tesla, dem Raumfahrtunternehmen SpaceX. Derzeit tüfteln sie in einer unscheinbaren Fabrik im Süden von Los Angeles.

Doch keine Sorge: Das Unternehmen hat kürzlich einen Deal mit dem Bundesstaat Nevada geschlossen, der dem von Teslas Gigafactoy ähnlich ist. Im Norden von Las Vegas wird eine Fabrik gebaut, die eine Milliarde Dollar kosten und für 4500 Arbeitsplätze sorgen soll. Im Gegenzug erhält Faraday Future von Nevada Zuschüsse und Vergünstigungen im Wert von 335 Millionen Dollar. Bei der Gelegenheit wurde bekannt, wer denn nun eigentlich hinter dem Unternehmen steckt: Um die Verhandlungen mit Nevada zu beschleunigen, schrieb der chinesische Milliardär Jia Yueting einen Brief an den Gouverneur. Darin steht: "Wir wollen die Automobilindustrie durch ein integriertes, intelligentes Mobilitätssystem revolutionieren, das die Erde schützt und die Lebensbedingungen der Menschheit verbessert."

Keine Luftverschmutzung und Staus mehr

Faraday Future will kein Tesla-Konkurrent sein, sondern viel mehr: ein Elektroautobauer mit Selbstfahr-Mechanismus, Car-Sharing-Service und integrierter Werkstatt, von dem die Menschen keine Autos, sondern Entfernungen kaufen. Gefördert wird diese wahnsinnig klingende Idee von einem reichen Investor aus China. In seinem Internet-Tagebuch schreibt Jia: "Wir werden so gute Konzepte anbieten, dass wir sämtliche Probleme mit Luftverschmutzung und Staus in China lösen werden." Klingt wie ein Silicon-Valley-Chef.

Am Montagabend wird Faraday Future auf dem Las Vegas Boulevard sein Konzept vorstellen, in dieser Stadt gilt wie in keiner anderen auf der Welt: Wer Erfolg haben möchte, muss irgendwann die Karten auf den Tisch legen. Es könnte eine Erfindung vorgestellt werden, die tatsächlich den Transport des Menschen revolutioniert - aber eben auch nur heiße Luft. Das nämlich ist eine andere herausragende Eigenschaft der Westküsten-Tüftler und dieser Messe in Las Vegas: Zwischen weltverändernder Vision und unnützem Quatsch ist alles möglich.

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