Familienunternehmen:Wenn die Provision die Rente frisst

Direktversicherungen als Altersvorsorge sind beliebt - viele Verträge sorgen jedoch für eine böse Überraschung.

Marco Völklein

Wenn unter Mittelständlern das Gespräch auf das Thema betriebliche Altersvorsorge kommt, verdreht so mancher Firmenchef die Augen. "Wir haben anderes zu tun, als uns darüber Gedanken zu machen", heißt es dann oft.

Familienunternehmen: Viele Direktversicherungen sind "gezillmert". Das sorgt für böse Überraschungen: Wird der Vertrag vorzeitig aufgelöst, sieht es schlecht aus mit der Rente.

Viele Direktversicherungen sind "gezillmert". Das sorgt für böse Überraschungen: Wird der Vertrag vorzeitig aufgelöst, sieht es schlecht aus mit der Rente.

(Foto: Foto: dpa)

Zwar hat seit 2002 jeder Mitarbeiter in einem Unternehmen laut Gesetz Anspruch auf eine betriebliche Altersvorsorge, doch insbesondere in kleineren und mittleren Unternehmen fragen viele Beschäftigte gar nicht danach. Entweder, weil sie gar nicht wissen, dass sie einen solchen Anspruch haben - "oder weil sie die Sorge haben, es könnte dem Chef nicht gefallen, sich mit dem Thema beschäftigen zu müssen", sagt Klaus Stiefermann, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersvorsorge.

Dabei sparen nicht nur die Mitarbeiter durch die betriebliche Altersvorsorge Steuern und Sozialabgaben - auch die Firma selbst muss weniger Abgaben an den Staat abführen.

"Haftungsfalle für den Arbeitgeber"

Dennoch nutzen derzeit nur etwa 47 Prozent der Beschäftigten in mittelständischen Unternehmen die betriebliche Altersvorsorge, hat eine Studie des Versicherers Delta Lloyd ergeben. In Betrieben der Großindustrie beträgt die Quote dagegen zum Teil weit über 80 Prozent. Gründe dafür sieht Stiefermann zum einen in der Tradition vieler Großunternehmen, zum anderen aber auch in der mangelnden Bereitschaft vieler kleinerer Unternehmen, sich auf das Thema betriebliche Altersvorsorge einzulassen.

Oft komme es auch vor, dass die Unternehmen es ihren Beschäftigten selbst überlassen, sich eine Direktversicherung zu beschaffen und diese dann vom Arbeitgeber abschließen zu lassen. Die Direktversicherung ist sozusagen die Basisversion der betrieblichen Altersvorsorge - und daher gerade in Klein- und Mittelbetrieben gerne genutzt, sagt Experte Stiefermann.

"Aber Vorsicht", warnt Josef Gietl, Anwalt bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ecovis, die vor allem mittelständische Unternehmen betreut: "In vielen Direktversicherungsverträgen lauert eine Haftungsfalle für den Arbeitgeber." Eine Direktversicherung funktioniert im Prinzip wie eine Kapitallebens- oder Rentenversicherung: Der Mitarbeiter zahlt regelmäßig Geld in den Vertrag ein, und am Ende der Vertragslaufzeit (meist also mit Renteneintritt) erhält er entweder einen Einmalbetrag oder eine monatliche Rentenzahlung oder auch beides.

Warnung vor "gezillmerten" Verträgen

Der einzige Unterschied: Die Versicherung schließt nicht der Mitarbeiter selbst ab, sondern sein Arbeitgeber vereinbart den Vertrag zugunsten des Mitarbeiters. Und die Beiträge führt der Chef direkt aus der Lohntüte an die Versicherung ab - das können monatliche Beiträge sein, in vielen Fällen fließen aber auch jährliche Einmalzahlungen wie Urlaubs- oder Weihnachtsgeld an die Direktversicherung. Der Fachbegriff lautet "Entgeltumwandlung", weil Teile des Einkommens (des Entgelts) in eine künftige Rente umgewandelt werden.

Allerdings sind viele Direktversicherungen "gezillmert", warnt Gietl. Dieser Begriff (benannt nach einem Mathematiker) bedeutet, dass die Versicherung die regelmäßig eingezahlten Beiträge anfangs nicht dem Kapitalstock der Police zuführt, sondern dafür verwendet, die Kosten der Versicherung zu decken - etwa die Provisionen für den Vertreter oder Ausgaben für die Verwaltung der Verträge.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wieso bei gezillmerten Verträgen ein Schadenersatzanspruch entstehen kann.

Wenn die Provision die Rente frisst

Arbeitgeber büßen bei Zillmerung

Erst wenn diese ganzen Kosten abgedeckt wurden, kann sich ein Kapitalstock ansammeln, der auf lange Sicht Zinsen bringen soll. Bis es aber so weit ist, fließt kein Geld in den Topf, aus dem der Versicherte künftig seine Altersversorgung beziehen soll. Die Folge: Wird ein Vertrag vorzeitig aufgelöst, ist weniger Geld vorhanden, als ursprünglich eingezahlt wurde. Bei vielen Versicherten sorgt das für eine böse Überraschung.

Daraus kann auch eine Gefahr für den Arbeitgeber entstehen: "Hat er es nämlich versäumt, seinen Mitarbeiter über die Funktionsweise der gezillmerten Verträge zu informieren, kann unter Umständen ein Schadenersatzanspruch entstehen", sagt Gietl. So entschied das Arbeitsgericht Siegburg, dass der Chef seinem Mitarbeiter den Differenzbetrag ersetzen muss, der ihm durch die Zillmerung entgangen war. Denn das Gesetz schreibt "Wertgleichheit" vor - die Versorgungsleistungen müssen dem entsprechen, was der Arbeitnehmer eingebracht hat.

Das Landesarbeitsgericht München ging sogar noch weiter und sprach einer Mitarbeiterin Schadenersatz zu, obwohl die Frau vor Abschluss des Vertrags von ihrem Chef über das Problem gezillmerter Verträge aufgeklärt worden war. Bei zwei weiteren Klagen von Mitarbeitern sahen die beiden Gerichte allerdings nicht den Arbeitgeber in der Pflicht. "Letztlich wird über die Frage das Bundesarbeitsgericht urteilen müssen", sagt Klaus Stiefermann.

Haftungsrisiko bei übernommenen Verträgen

Bis zu einer höchstrichterlichen Klärung rät Anwalt Gietl den Unternehmern, "bei einer Entgeltumwandlung ausschließlich nicht gezillmerte Verträge zu akzeptieren". Dies gelte insbesondere dann, wenn ein Arbeitnehmer seinem Chef eine Police seiner Wahl als Direktversicherung vorschlägt, "was nicht selten vorkommt, da es viele Feierabendvertreter gibt, die dem Mitarbeiter eine solche Police empfehlen", sagt Gietl.

Immer wieder geschieht es auch, dass ein Arbeitnehmer, der neu im Betrieb anfängt, von seinem alten Arbeitgeber eine bestehende Direktpolice mitbringt. Übernimmt der neue Chef den gezillmerten Vertrag, geht das Haftungsrisiko auf ihn über, so Gietl: "Der Arbeitgeber sollte die zugrunde liegende Versicherung von einem Fachmann überprüfen lassen."

Übertragung besser als Übernahme

Noch besser sei es, statt einer Übernahme des Vertrags eine Übertragung zu wählen, sagt Gietl. Dabei stellt der Versicherer zunächst fest, wie hoch der bisher angesammelte Kapitalstock ausfällt. Dieser wird dann auf einen neuen Entgeltumwandlungsvertrag übertragen, der nicht gezillmert sein sollte. Gietl: "Der Arbeitgeber sollte den Mitarbeiter dann umfassend aufklären und einen Verzicht auf Schadenersatz vereinbaren."

Klaus Stiefermann rät den Arbeitgebern ohnehin, nicht zu warten, bis die Mitarbeiter nach einer betrieblichen Altersvorsorge fragen oder gar fertig ausgearbeitete Verträge vorlegen: "Wer aktiv zum Beispiel einen Gruppenvertrag für eine Direktversicherung vereinbart, kann die Bedingungen mitbestimmen - und auch noch weit bessere Konditionen aushandeln als einzelne Personen."

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