Familienunternehmen: Tengelmann:"Man muss dem Eigentümer die Ehre lassen"

Jens-Jürgen Böckel, Geschäftsführer Finanzen der Tengelmann-Gruppe, über schnelle Entscheidungen und die Einflussnahme ferner Verwandter.

Stefan Weber

Mitten im Gespräch surrt das Handy: eine SMS von Karl-Erivan Haub, dem geschäftsführenden Gesellschafter der Tengelmann-Gruppe. "Das ist der Reiz eines Familienunternehmens: der kurze Draht zum Eigentümer'', sagt Jens-Jürgen Böckel, der bei Tengelmann für Finanzen verantwortlich ist. Seine gesamte Karriere hat der 64-Jährige in Führungspositionen von Familienunternehmen verbracht, bei Henkel, Bahlsen, Werhahn und Schickedanz. Er kommt selbst aus einer Unternehmerfamilie und weiß, dass es Fremdmanager mitunter nicht leicht haben, "wenn viele Tanten und Onkel ihren Einfluss geltend machen''.

Familienunternehmen: Tengelmann: Jens-Jürgen Böckel: Familienunternehmen bieten die Chance, in Abstimmung mit ganz wenigen Leuten rasch Entscheidungen zu treffen. Das macht ungeheuren Spaß.

Jens-Jürgen Böckel: Familienunternehmen bieten die Chance, in Abstimmung mit ganz wenigen Leuten rasch Entscheidungen zu treffen. Das macht ungeheuren Spaß.

(Foto: Foto: Karlheinz Jardner)

SZ: Herr Böckel, Ihre Familie besaß ein florierendes mittelständisches Unternehmen. Sie hatten als 34-Jähriger die Chance, die Geschäftsführung zu übernehmen. Warum haben Sie das Angebot ausgeschlagen und stattdessen Karriere als Fremdmanager in Familienunternehmen gemacht?

Böckel: Als Angestellter bei Henkel war ich damals klug genug, der Versuchung zu widerstehen, als geschäftsführender Gesellschafter mit Fahrer und Mercedes im familieneigenen Unternehmen anzufangen. Das hätte eine Sackgasse sein können.

SZ: Warum?

Böckel: Bei mehr als 40 Familiengesellschaftern, verteilt auf sechs Stämme, und fünf familieneigenen Geschäftsführern wäre es möglicherweise schwierig gewesen, rasch klare Entscheidungen zu treffen. Deshalb habe ich mich anders entschieden.

SZ: Warum aber nicht für einen Konzern, wo die Strukturen häufig klarer und die Entscheidungen oft transparenter sind als bei Unternehmen, in denen möglicherweise viele Familienmitglieder ihren Einfluss geltend machen?

Böckel: Familienunternehmen bieten die Chance, in Abstimmung mit ganz wenigen Leuten rasch Entscheidungen zu treffen. Das macht ungeheuren Spaß. Es gibt keine Gremien, die lange debattieren, und es ist auch nicht üblich, vier Wochen vor einer Sitzung seitenlange Vorlagen zu erarbeiten, wie das in manchen großen Konzernen an der Tagesordnung ist.

SZ: Das letzte Wort hat die Familie.

Böckel: Ja, natürlich. Deshalb muss man als Fremdmanager den Eigentümern die Ehre lassen. Man muss akzeptieren, dass ihnen das Unternehmen gehört und sie mitunter nicht streng rollenkonform agieren. Das ist aber doch verständlich: Wer sein Unternehmen zwanzig, dreißig Jahre geführt hat, dem fällt es schwer loszulassen und die Verantwortung einem Fremdmanager zu übertragen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite mehr über Nachfolge und Aufstiegschancen.

"Man muss dem Eigentümer die Ehre lassen"

SZ: Mancher Topmanager fühlt sich gerade deshalb bei einem Konzern wohl, weil er sicher sein will vor der möglichen Willkür von Familieneigentümern. Haben Familienunternehmen deshalb Probleme, Führungskräfte an sich zu binden?

Böckel: Davon bin ich überzeugt. Wer einmal ein Unternehmen geführt hat, auch mit voller Verantwortung nach außen, muss bei einem Wechsel zu einem Familienunternehmen oft ins Glied einrücken. Davor schreckt mancher zurück.

SZ: Für Sie war das kein Problem?

Böckel: Ich habe früh gelernt, mit den Gepflogenheiten in Familienunternehmen umzugehen. Ich weiß, wie es ist, wenn viele Tanten und Onkel ihren Einfluss geltend machen wollen. Weil ich aus einer Unternehmerfamilie komme, habe ich mich immer auf Augenhöhe mit den Eigentümern gesehen. Aber ich habe kein Problem damit, mich zurückzunehmen.

SZ: Familienunternehmen sind bekanntlich nicht immer Horte der Harmonie. Besonders häufig wird über Fragen der Nachfolge gestritten. Ist es da nicht klug festzulegen, dass niemand aus der Familie operativ im Unternehmen tätig sein darf - so wie es beispielsweise im Haniel-Konzern üblich ist?

Böckel: Das kann eine gute Lösung sein. Denn eine Fehlbesetzung auf dem Chefsessel lässt sich oft nur schwer korrigieren, wenn es sich um ein Mitglied der Familie handelt. Ein Fremdmanager dagegen lässt sich aus Sicht der Firma sehr viel weniger schmerzhaft austauschen.

SZ: Wie sollten Familienunternehmen die Nachfolgefrage angehen?

Böckel: Ich halte es für wichtig, dass ein potentieller Nachfolger seine Sporen außerhalb des familieneigenen Unternehmens verdient. Er muss sich in freier Wildbahn bewähren - möglichst bis Mitte 30. Dann sollte er selbstbewusst gleich an die Spitze der eigenen Firma rücken, möglicherweise noch eine Weile gemeinsam mit dem Vater. Wenn er dann auch noch Namensträger ist, ist alles wunderbar. Und noch eins gehört dazu: Er muss Vorbild sein. Dazu gehört, Reichtum nicht nach außen zu tragen.

SZ: Und wenn der Senior nicht loslassen möchte?

Böckel: Das funktioniert nur, wenn Senior und Junior klare Absprachen treffen und sich auch daran halten.

SZ: Bei Hochschulabsolventen und qualifizierten Kräften, die schon erste Berufserfahrungen haben, sind Familienunternehmen begehrte Arbeitgeber. Woran liegt das?

Böckel: Das ist ein neuer Trend. Es hat sich herumgesprochen, dass Familienunternehmen häufig gute Aufstiegschancen bieten und sich Entscheidungen dort schnell und unbürokratisch vollziehen. Das schätzen junge Leute.

SZ: Mancher hält einen Arbeitsplatz im Familienunternehmen für sicherer als im Konzern. Ist das so?

Böckel: Als wir vor einigen Jahren bei Tengelmann Personal abbauen mussten, haben wir manchen älteren Mitarbeiter nicht entlassen, auch wenn wir streng genommen nicht sofort ausreichende Beschäftigung für ihn hatten. Das konnten wir uns erlauben, weil wir nicht direkt unter dem Druck des Kapitalmarktes standen, der eine hohe Rendite fordert. Entscheidendes Kriterium ist die Sicherung des Familienvermögens und nicht dessen Mehrung in kürzester Zeit.

Lesen Sie zum Abschluss mehr über das Alter und den Spaß an der Arbeit.

"Man muss dem Eigentümer die Ehre lassen"

SZ: Aber hat sich nicht auch der Druck auf Familienunternehmen stark erhöht?

Böckel: Ja, das ist so, weil in den meisten Märkten der Wettbewerbsdruck zugenommen hat und man viel stärker auf die Rendite achten muss.

SZ: In einem Familienunternehmen wie Henkel gibt es für Manager eine klare Regel: Mit 62 Jahren ist Schluss. Sie vollenden in Kürze ihr 65. Lebensjahr und bleiben als Finanzchef bei Tengelmann weiter an Bord. Wie lange noch?

Böckel: Ich bleibe bis zum Frühjahr 2009. Ab Mai arbeite ich meinen Nachfolger ein. Aber auch nach meinem Abschied als Finanzchef werde ich noch einige Mandate in- und außerhalb des Unternehmens übernehmen. So rasch werde ich nicht zum Müßiggänger. Denn ich habe richtig viel Spaß an dem, was ich tue.

SZ: Was macht den Spaß aus?

Böckel: Da sind wir wieder bei der Struktur eines Familienunternehmens: Entscheidungen werden zügig und konsequent getroffen. Man trifft sich zu zweit oder zu dritt, ist sich einig, und am nächsten Tag wird die Entscheidung umgesetzt. Wenn man Vertrauen zueinander hat, muss man nicht fürchten, dass sich einer aus der Runde nicht daran erinnert, dass er zugestimmt hat, falls das Ganze schief geht. Solche Erfahrungen habe ich nie gemacht. Deshalb schreibe ich auch keine Aktennotizen.

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