Familienunternehmen: Melitta:"Es gibt Menschen, die den Unterschied schmecken"

Melitta-Gesellschafter Thomas Bentz über Kaffeefilter, seine Großmutter und den Preiskampf der Röstereien.

Elisabeth Dostert

Als eine kraftvolle Persönlichkeit hat Thomas Bentz seine Großmutter Melitta in Erinnerung. Sie hat vor hundert Jahren den Kaffeefilter erfunden und das Unternehmen gegründet. Söhne und Enkel haben daraus einen Konzern mit mehr als einer Milliarde Euro Umsatz gemacht.

Familienunternehmen: Melitta: Thomas Bentz, der Enkel von Melitta Bentz: Die Erfinderin erhielt vor 100 Jahren das Patent für ihren Filtrierapparat.

Thomas Bentz, der Enkel von Melitta Bentz: Die Erfinderin erhielt vor 100 Jahren das Patent für ihren Filtrierapparat.

(Foto: Foto: dpa)

SZ: Herr Bentz, vor hundert Jahren hat Ihre Großmutter Amalie Auguste Melitta in Dresden den Kaffeefilter mit Papiereinsatz erfunden. Können Sie sich noch an Ihre Großmutter erinnern?

Thomas Bentz: Klar. Ich war sechs Jahre alt, als sie 1950 starb. Sie wohnte hier in Minden und wir haben sie oft besucht.

SZ: Was war sie für eine Frau?

Bentz: Für uns Enkel war sie eine ganz normale Großmutter, gütig und wohlwollend. Ich erinnere mich noch genau an ihre Stimme. Sie war eine sehr kraftvolle, lebhafte Persönlichkeit. Sie hatte eine enorme Willenskraft, großes Durchhaltevermögen und einen unbändigen Drang, unabhängig zu bleiben.

SZ: Ende der zwanziger Jahre wurde der Firmensitz von Dresden nach Minden verlegt. Was gefiel Ihrer Großmutter denn an Minden so gut?

Bentz: Das war reiner Pragmatismus: In Dresden war es meinen Großeltern auch mit Hilfe der Stadt nicht gelungen, ein passendes Grundstück zu finden, und sie brauchten dringend Platz. Hier in Minden gab es eine leerstehende Schokoladenfabrik mit einem großen Grundstück, auf das sie aber eher zufällig gestoßen sind.

SZ: Wie das?

Bentz: Wenn meine Großeltern von Dresden zu unserem Papierlieferanten ins Rheinland reisten, übernachteten sie immer in Minden im König von Preußen. Das Hotel gibt es nicht mehr. Bei einem ihrer Aufenthalte in Minden haben meine Großeltern von der alten Fabrik erfahren. Und dem Angebot der Stadtväter, ihnen fünf Jahre die Realsteuern zu erlassen, wenn sie nach Minden ziehen und Arbeitsplätze schaffen, konnten sie nicht widerstehen.

Lesen Sie weiter: Wie Melitta den Kampf um den Kaffeepreis kompensiert.

"Es gibt Menschen, die den Unterschied schmecken"

SZ: Die Firma Melitta feiert im Juni ihren 100. Geburtstag. Geben auch die Geschäftszahlen Anlass zum Feiern?

Bentz: Ja. Mit einem Umsatzwachstum von vier Prozent haben wir im vorigen Jahr unser Ziel erreicht. Und das, obwohl das Kaffeegeschäft in Deutschland rückläufig war.

SZ: Woran liegt das? Trinken die Deutschen weniger Kaffee?

Bentz: Der Markt für Röstkaffee schrumpft und der Wettbewerb - sowohl im Lebensmitteleinzelhandel als auch unter den Markenröstereien - ist gnadenlos. Nach meiner Erfahrung ist der Konkurrenzkampf im Handel in keinem anderen Land so stark wie in Deutschland. Der Preiskampf in den vergangenen Jahren war für alle Beteiligten sehr teuer. Der Markt ist sehr wechselhaft. Aber irgendwann will man auch wieder ordentliche Margen verdienen.

SZ: Planen Sie, den Preis für Kaffee zu erhöhen?

Bentz: Wir hatten zu Jahresbeginn eine Preiserhöhung von 30 bis 50 Cent pro Pfund. Eine zweite, die wir gebraucht hätten, konnten wir nicht durchsetzen.

SZ: Werden Sie es nochmal versuchen?

Bentz: Die Idee, mehr Marge zu haben, ist unsterblich.

SZ: Machen Sie mit Kaffee denn noch Gewinn?

Bentz: Ja. Alle neun Unternehmensbereiche haben einen positiven Beitrag zum Konzernergebnis geleistet.

SZ: Gilt das auch für Ihren größten Bereich, die Tochter Melitta Haushaltsprodukte Europa?

Bentz: Ja. Wir haben die Restrukturierung im vergangenen Jahr abgeschlossen und die Kosten binnen zwei Jahren um 33 Millionen Euro gesenkt. Die Landesgesellschaften, die bislang sehr selbständig agierten, konzentrieren sich künftig mehr auf den Vertrieb. Controlling und strategisches Marketing wurden in Minden zentralisiert. Wir hatten an manchen Stellen etwas Speck angesetzt, der ist nun weg. Jetzt nehmen wir wieder Fahrt auf und bringen zum Beispiel neue Kaffeemaschinen und Filtertüten für den privaten Haushalt.

SZ: Ist das wirklich eine gute Idee? Der Markt für Elektrogeräte ist doch auch hart umkämpft. Kaffeemaschinen gibt es beim Discounter auch schon mal für 9,95 Euro.

Bentz: Ja. Aber wir bewegen uns im mittleren und höheren Preissegment und sind seit ein paar Jahren auch designorientiert. Wir wollen auch gar nicht den Markt dominieren. Aber da wir die Filtertüten liefern, wollen wir auch Geräte bieten. Das gesamte System der Kaffeezubereitung ist unsere Kompetenz.

SZ: Können Sie denn schmecken, ob ein Kaffee in einer Melitta-Tüte aufgebrüht wurde oder in einer Billigtüte?

Bentz: Wahrscheinlich nicht. Ich bin aber auch kein Kaffeetester. Auch das muss man können.

Lesen Sie weiter: Warum Melitta keine Akquisitionen tätigt.

"Es gibt Menschen, die den Unterschied schmecken"

SZ: Auch die meisten Verbraucher sind keine Kaffeetester. Warum sollte man mehr Geld für eine Ihrer Tüten ausgeben, wenn man den Unterschied gar nicht schmeckt?

Bentz: Es gibt Menschen, die den Unterschied schmecken. Der Geschmack ist ja nicht der einzige Qualitätsunterschied, sondern unsere Tüten reißen nicht. Mit der Marke kauft der Endverbraucher ein Versprechen. Er vertraut darauf, dass er Qualität bekommt und vernünftige Rohstoffe eingesetzt wurden.

SZ: Ihr Vater, Horst Bentz, hat das Geschäft mit neuen Produkten wie Kaffeemaschinen, Frischhaltefolien, Müll- und Staubsaugerbeuteln und Beteiligungen ausgebaut. Als Sie und Ihre Brüder 1981 die Geschäfte übernahmen, setzte Melitta schon rund eine Milliarde Mark um. Ähnlich große Würfe wie Ihrem Vater sind Ihnen und Ihren Brüdern nie gelungen.

Bentz: Als wir das Unternehmen Anfang der 80er Jahre übernommen haben, stand nicht alles zum Besten. Wir haben uns aus schrumpfenden Märkten verabschiedet, wie beispielsweise vom Porzellan mit der Marke Friesland und Zigarren mit der Marke Dannemann, mit einem Umsatz von insgesamt 600 Millionen Mark. Wir haben das Unternehmen in die heutige Struktur gebracht: Bis 1988 liefen alle Produkte unter der Marke Melitta; wir haben jedes Produktsegment unter einer eigenen Marke gebündelt. Nach der stürmischen Wachstumsphase gab es einiges zu tun.

SZ: Denken Sie über neue Geschäftsfelder nach?

Bentz: Ja. Wir schauen uns um, aber es gibt nichts Konkretes. Solange wir vier bis sechs Prozent im Jahr wachsen, brauchen wir nicht unbedingt Akquisitionen. Bei Kaffee zählen wir zu den stärksten Einzelmarken. Mit den Marken Toppits und Swirl sind wir eher ein Nischenanbieter. Das hat auch Vorteile: Eine Produktvielfalt wie wir kann ein Billiganbieter sich gar nicht leisten. Deshalb kann der Handel nicht auf uns verzichten, wenn er dem Verbraucher die Vielfalt bieten will, am besten von einem einzigen Lieferanten.

SZ: Im nächsten Jahr werden Sie 65. In diesem Alter ist Ihr Bruder Jörg aus der Führungsholding ausgeschieden und in den Beirat gewechselt. Wie wollen Sie es halten?

Bentz: Genauso wie er.

SZ: Rücken dann Ihre Kinder, Nichten oder Neffen in die Führung nach?

Bentz: Nein, nicht sofort. Wir werden dann, zum ersten Mal in der Firmengeschichte, Familienfremde ins Leitungsgremium berufen. Aber natürlich sind wir daran interessiert, dass auch wieder Familienmitglieder in die Führung einziehen.

Lesen Sie weiter: Warum Familienunternehmen eher vorsichtig agieren.

"Es gibt Menschen, die den Unterschied schmecken"

SZ: Ihr Vater und Ihr Onkel haben Mitte der 50er Jahre die Firma nach einem grundlegenden Dissens aufgeteilt: Ihr Vater bekam damals das Geschäft mit Filterpapier, Ihr Onkel das Schreibpapier. Wie bauen Sie und Ihre Familie einer Realteilung vor?

Bentz: Die Stärke von Melitta liegt doch gerade in unserem Portfolio. Mein Vater und mein Onkel wollten oder konnten ihren Konflikt nicht anders lösen als durch Realteilung. Zwischen mir und meinen beiden Brüdern gibt es klare Absprachen und Regeln dafür. Wir haben schriftlich festgelegt, welche Entscheidungen einstimmig und welche mit Mehrheit getroffen werden müssen.

SZ: Und wenn Sie sich nicht einigen?

Bentz: Dann bleibt alles beim Alten.

SZ: Ist das schon vorgekommen?

Bentz: Ja.

SZ: Hat das der Firma geschadet?

Bentz: Im Nachhinein lässt sich das schwer beurteilen. Ich glaube, eher nicht. Es kann auch gut sein, dass uns die kritische Haltung eines Einzelnen vor Irrtümern bewahrt hat.

SZ: Haben Sie manchmal das Gefühl, dass Sie als Familienunternehmer ängstlicher oder träger agieren als andere?

Bentz: Überhaupt nicht. Wir sind vorsichtiger als börsennotierte Unternehmen und richten unser Wachstum an unserer Finanzkraft aus. Ich kann nicht einfach zu meinen Aktionären gehen und irgendwas versprechen, um Geld zu kriegen. Unser Risikobewusstsein ist wohl größer, und das ist gut so. Es geht in der persönlichen Haftung ja immer und direkt um das eigene Geld.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: