Familien Piëch und Porsche:Kleiner Kulturwandel

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Gehört der Porsche SE: die Volkswagen-Fabrik in Wolfsburg. (Foto: Markus Schreiber/AP)

Die Holding des Porsche-Clans macht Milliardengewinn  und bereitet den Generationswechsel im Aufsichtsrat vor - inklusive neuer Schwerpunkte.

Von Max Hägler und Stefan Mayr, Stuttgart

Für gewöhnlich ist eine Jahrespressekonferenz bei der Porsche SE (PSE) in Stuttgart ein Termin von begrenztem Unterhaltungswert. Die Finanzholding, die von den Familien Porsche und Piëch bestimmt wird, verwaltet die Mehrheit am Volkswagen-Konzern, diesem Reich der zwölf Fahrzeugmarken. Ein Machtzentrum, das schon, aber auch eher eines für Zahlenfreunde: Es dreht sich stets vor allem um die Frage, was man mit dem ganzen Geld anstellen will, das sich da anhäuft. 2017 etwa gab es unterm Strich einen Gewinn in Höhe von 3,3 Milliarden Euro - mehr als doppelt so viel wie 2016.

Doch diesmal geht es nicht nur um Bankkonten oder Investitionsziele, sondern auch um Kulturfragen. Denn der größte Industriekonzern Europas wird jünger und vielleicht anders. Es rücken Vertreter der sogenannten vierten Generation nach in den Aufsichtsrat der Familienholding, die sehr pointierte Lebensläufe haben: Daniell Porsche, Stefan Piëch, Josef Michael Ahorner. Zwar bleiben die Senioren aus der sogenannten dritten Generation, Wolfgang Porsche und Hans Michel Piëch, bis auf weiteres dabei. Doch es beginnt ein Generationswechsel ganz an der Spitze dieses verzweigten Imperiums, der viel ändern könnte.

Matthias Müller, als Chef von Volkswagen und PSE-Vorstand einer der obersten Angestellten, erklärt das an diesem Tag so: Weniger hierarchisch wird es nun zu gehen, dezentraler, mit mehr Zusammenarbeit. "Es ist nicht schädlich, auch nicht-automobilistische Leute im Aufsichtsrat zu haben", sagt er. Und die Porsche-Holding könnte deshalb wohl eine Unternehmung werden, bei der es vielleicht nicht nur um die Rendite gehen soll. Sondern auch, tatsächlich, um Anthroposophie. Das liegt an Peter Daniell Porsche, so er und die anderen im Mai bei der Hauptversammlung ins Gremium gewählt werden. Der 44-jährige ist gelernter Waldorfpädagoge und Musiktherapeut. Er war jahrelang als Lehrer tätig, spendete einer Schule für benachteiligte Kinder viel Geld und schrieb ein Buch mit dem provokanten Titel: "Es gibt noch mehr im Leben als Autos bauen." Eine bemerkenswerte Aussage für einen Autoerben. Damals - 2012 - kam das bei einigen Verwandten nicht allzu gut an. So wie auch ein fehlendes "S" für Verstimmung sorgte: In seinem Buch schrieb er das Porsche-Modell Boxster konsequent falsch - ohne das S im Namen. So jemand nun im Aufsichtsrat - das ist ein Kulturwandel im Vergleich etwa zu der Zeit, als der Patriarch Ferdinand Piëch dieses Gremium noch mit harscher Hand führte.

Die jungen Aufsteiger seien Leute "mit hohem Intellekt" und offen für Neues

Mittlerweile habe sich Daniell Porsche weiterentwickelt, denke wirtschaftlicher, beteuern sie im Umfeld der Firma. Tatsächlich ist er nicht mehr als Lehrer tätig, sondern hat sich mittlerweile selbst eine kleine Firmengruppe aufgebaut, zu der eine Brauerei gehört, ein Biogasthof, ein Verlag und eine Firma, die Kunststoff-Fenster wiederverwertet. Eines Tages könnte der 45-Jährige, der mit Frau und Kindern in Salzburg lebt, der größte Einzelerbe sein.

Wobei VW-Chef Müller gar kein Problem zu haben scheint mit dessen Philosophie, im Gegenteil: So wie er selbst Anthroposophie und Waldorfpädagogik begreife, sagt Müller, stehe ja unter anderem der Mensch im Mittelpunkt: "Das stimmt mit meinem Wertesystem überein."

Der zweite Neuling im PSE-Aufsichtsrat wird Stefan Piëch sein. Auch seine Firma hat nichts mit Autos zu tun, und auch er nimmt für sich in Anspruch, als Unternehmer gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. Mit seiner Your Family Entertainment AG produziert und vertreibt der Sohn von Hans Michel Piëch Filme für Kinder und Familien. Der dritte Aufsteiger ist Josef Michael Ahorner. Der 57-jährige Unternehmensberater aus Wien kommt auch aus dem Piëch-Stamm und war bislang im Audi-Aufsichtsrat tätig.

Sie alle werden in einem Unternehmen sitzen, das sich mit dem Verwalten und Investieren von Geld beschäftigt, das zum Teil auch eigenes ist - 269 Millionen Euro fließen den Familien in diesem Jahr über die Dividende zu. "Die vierte Generation ist offen für Dinge, die sich entwickeln, die perspektivisch von Bedeutung sind", so formuliert es Hans Dieter Pötsch, der PSE-Chef ist und bei Volkswagen wiederum Aufsichtsratsvorsitzender. Wobei es in diesem Unternehmen auch viel um die Vergangenheit geht. Am Tag der Pressekonferenz wird bekannt, dass es jüngst mal wieder eine Razzia gegeben hat: Volkswagen habe den Spritverbrauch von Autos und damit den CO₂-Verbrauch falsch ausgewiesen.

© SZ vom 21.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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