Familien-Selbstversuch:"Bitte keine Plastiktüte!"

Familien-Selbstversuch: Eine der leichtesten Übungen zur Vermeidung von Plastik: auf die Tüte verzichten.

Eine der leichtesten Übungen zur Vermeidung von Plastik: auf die Tüte verzichten.

(Foto: imago stock&people)

Ein Leben ohne Plastik? Geht das? Eigentlich wollten Sandra Krautwaschl und ihre Familie dies nur vier Wochen ausprobieren. Mittlerweile sind es mehr als vier Jahre. Jetzt gibt es Seife statt Duschgel, Birkenzucker statt Zahnpasta. Aber manchmal geht es nicht ohne.

Von Pia Ratzesberger

Keine Plastiktüten, keine Plastikflaschen - und auch kein Plastikspielzeug mehr: Im Jahr 2009 startete die Österreicherin Sandra Krautwaschl mit ihrer Familie ein Experiment. Schaffen wir es, einen Monat lang fast vollkommen auf Kunststoffe zu verzichten? Zuvor hatte die Familie ihren Urlaub in Kroatien verbracht, der viele angeschwemmte Plastikmüll am Strand machte sie nachdenklich. Als Krautwaschl danach die Dokumentation "Plastic Planet" im Kino sah, stand für die 42-jährige Physiotherapeutin fest: Sie, ihr Mann und ihre drei Kinder wollten versuchen, vier Wochen ohne Kunststoffe auszukommen. Mittlerweile sind aus diesen vier Wochen mehr als vier Jahre geworden. In dieser Zeit haben die Krautwaschls viele Wege gefunden, den Kunststoff zu umgehen.

SZ.de: Wenn man durch den Supermarkt geht, ist eigentlich alles in Plastik verpackt: Brot, Süßigkeiten, Getränke. Wie schaffen Sie es, auf Kunststoffe zu verzichten?

Sandra Krautwaschl: Ich gehe kaum mehr in die großen Supermärkte. Wir haben unser gesamtes Einkaufsverhalten stark verändert. Ich vermeide dieses Rumstehen zwischen den Regalen, bei dem man am Ende wahllos alles zusammenkauft, was man sich vorher nicht gut überlegt hat.

Wo kaufen Sie stattdessen ein?

Mittlerweile gehe ich oft zum Bauern oder zum Bioladen, jetzt im Sommer pflanze ich auch einiges im eigenen Garten an. Das funktioniert natürlich nicht für alle, das ist mir klar. Mein Ziel wäre es aber, dass es für jeden wieder einfacher wird, ohne Plastik einzukaufen. Dass Supermärkte ihr Angebot entsprechend verändern.

Bioläden sind nicht billig. Geben Sie mehr Geld aus als früher?

Im Lebensmittelbereich geben wir wahrscheinlich tatsächlich mehr aus. Aber am Ende gleicht sich das aus, weil wir vieles gar nicht mehr kaufen. Insgesamt haben wir also weniger Ausgaben für den Konsum als früher.

Manche Produkte sind so gut wie immer in Plastik eingepackt, zum Beispiel viele Süßigkeiten oder Chips. Das süße Leben ist nun vorbei?

Ja, viele Dinge fallen einfach weg. Ich hab früher total gerne am Abend mal ein Packerl Chips gegessen, das gibt es nicht mehr. Wenn jemand unseren Kindern mal was mitbringt, verbieten wir das allerdings nicht. Die meisten Lebensmittel, die in Plastik verpackt sind, braucht man sowieso nicht - gesund sind Chips ja nicht.

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Billig. Vielseitig. Haltbar. Plastik hat sich über alle Welt verbreitet - mit Folgen: Es ist selbst in entlegensten Weltregionen allgegenwärtig, und seine Haltbarkeit ist zum Fluch geworden.

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Und was ist mit Kosmetika wie zum Beispiel Haarshampoos und Duschgels?

Für diese Pflegeprodukte - die man ja eigentlich kaum so nennen darf, wenn man weiß, was da alles drin ist - haben wir nach und nach Alternativen gefunden. Statt Duschgels verwenden wir einfach Seife in fester Form, und statt Zahnpasta nehmen wir Birkenzucker. Bei diesen Alternativen hat man auch viel mehr Sicherheit, was die Inhaltsstoffe anbelangt. Es geht uns beim Verzicht auf Plastik eben nicht nur um die Verpackung, sondern auch um die schädlichen Stoffe in den Produkten selbst.

Was haben Sie durch den Plastikverzicht gelernt?

Man merkt, dass man nicht immer alles haben muss und schon gar nicht immer alles sofort. Ein Grund für die vielen Verpackungen ist die Haltbarkeit, wir wollen heutzutage immer alles langfristig verfügbar haben. Der Kühlschrank ist dann voll mit Dingen, die man irgendwann mal gebrauchen kann. Dieser Drang zur ständigen Verfügbarkeit zeigt sich in unserer Gesellschaft auch bei den Getränken: Jeder muss zu jeder Sekunde etwas trinken und eine Plastikflasche dabei haben.

Wo der Plastikverzicht noch nicht gelingt

Und das ist schlecht?

Natürlich bin ich auch dafür, dass alle Menschen genug trinken. Aber ich gehe mal davon aus, dass in Österreich und Deutschland Trinkwasser so gut wie immer innerhalb der nächsten ein, zwei Stunden verfügbar ist. Fälle, in denen man tatsächlich ständig die Plastik-Wasserflasche braucht, sind wohl eher selten. Für mich ist das ein Ausdruck von Abhängigkeit.

Auch Sie leben nur "fast" ohne Plastik. Wo schaffen Sie es nicht, auf den Kunststoff zu verzichten?

Verpackungen aus Plastik nutzen wir gar nicht mehr. Nach wie vor verwenden wir aber Elektronik aus Plastik: Handys, Telefone, Computer. Auch Wasserleitungen oder Lichtschalter enthalten Plastik, all diese Dinge nutzen wir noch - aber sehr viel bewusster als früher.

Was heißt: bewusster?

Neulich ist unser Geschirrspüler kaputt gegangen, mein Mann hat den zerlegt und gesehen: Da ist nur ein kleines Schaltteil kaputt. Für 60 Cent hat er das neu gekauft und wieder eingebaut. Wäre er mit dem Problem in einen Laden gegangen, hätte man ihm sicher gesagt: Das lohnt sich nicht, kaufen Sie einen neuen Spüler. Unser war immerhin schon zwölf Jahre alt. Früher hat man auch nicht permanent alles nachgekauft, meine Schwiegereltern haben eine Geschirrspülmaschine, die ist sicher doppelt so alt wie unsere und hat jahrelang funktioniert.

Auf Plastik zu verzichten muss man sich auch leisten können. Was entgegnen Sie Menschen, die ihnen vorwerfen, dass dies nur aus einer sehr priviligierten Situation heraus möglich ist?

Das stimmt natürlich. Aber ich sehe es gerade deshalb als Auftrag von Menschen wie uns, denen es finanziell relativ gut geht und die sozial eingebettet sind, erste Schritte zu machen. Von anderen, die wenig Geld haben, erwarte ich das nicht unbedingt als Erstes. Ich bin zwar in meinen Gedanken oft schon sehr radikal, aber in der Umsetzung nicht, weil ich meine eigenen Schwächen nur zu gut kenne. Deshalb finde ich: Jeder, der sich in der glücklichen Situation befindet, über solche Themen wie Plastikverzicht überhaupt nachdenken zu können, sollte etwas verändern.

Wenn man einmal vom Einzelnen weggeht, was müsste sich ändern?

Es müsste ein System geben, das alle Menschen und Unternehmen dazu ermuntert, Plastik nicht mehr als Wegwerfprodukt zu verwenden - zum Beispiel einen Pfand auf alle Verpackungen, auf alle Tüten. Wenn das Zeug keinen Wert hat, wird es eben auch so verwendet. In der Politik wird sich aber nichts bewegen, solange kein Druck von außen, von den Leuten selbst kommt.

Ist es heute einfacher geworden, ohne Plastik zu leben als noch vier, fünf Jahren?

Ja. Es gibt Beispiele, wo ich merke, da hat sich wirklich was verändert. Wenn ich mit meinen Metalldosen heute an Lebensmitteltheken gehe und die Produkte da direkt eingefüllt haben möchte, stößt das auf weniger Unverständnis als früher. Ich werde an Kassen auch öfter gefragt, ob ich überhaupt eine Plastiktüte will, und bekomme sie nicht automatisch. Ich muss nicht mehr so oft sagen: "Bitte keine Plastiktüte, danke". Zudem hat sich in der Kosmetik einiges getan, es gibt heute viel mehr Biokosmetik in den Regalen der Drogeriemärkte - oder auch Holzzahnbürsten.

Wo soll man anfangen, wenn man weniger Plastik verwenden will?

Bei den einfachen Dingen. Wir Menschen neigen dazu, uns mit unserem eigenen Perfektionismus alles zu erschweren. Man lebt zum Beispiel in einer Großstadt und will dann unbedingt die Milch vom Bauern holen. Das wird einen nicht unbedingt motivieren. Also sollte man sich eher fragen: Was fällt mir leicht? Zum Beispiel immer ein Stoffsackerl oder einen Rucksack zum Einkaufen mitzunehmen. Das sollte kein Problem sein - und es ist ein Anfang, immerhin.

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