Fahrgastverband:"Wir brauchen frisches Geld für die Bahn"

Pro-Bahn-Chef Karl-Peter Naumann findet es gut, dass nach den Plänen der SPD das Schienennetz in staatlicher Hand bleiben soll. Zugleich kritisiert er, dass die Sozialdemokraten nur ein Viertel der Rest-Bahn verkaufen wollen.

Thorsten Denkler, Berlin

sueddeutsche.de: Herr Naumann, die SPD will jetzt nur noch 29,9 Prozent und nicht 49,9 Prozent der rollenden Bahn verkaufen. Das Schienennetz soll in staatlicher Hand bleiben. Ist das gut oder schlecht für die Bahnkunden?

Fahrgastverband: Die Bahn wird ohne eigenes Netz sogar besser funktionieren, sagt Pro-Bahn-Chef Naumann.

Die Bahn wird ohne eigenes Netz sogar besser funktionieren, sagt Pro-Bahn-Chef Naumann.

(Foto: Foto: dpa)

Karl-Peter Naumann: Dass das Netz nicht verkauft wird, ist gut. Das ist eine sehr alte und wichtige Forderung der Verkehrsverbände. Netz und Infrastruktur lassen sich kaum sinnvoll bewirtschaften.

sueddeutsche.de: Und dass mit 24,9 Prozent nur ein Viertel der Bahn an Private gehen soll?

Naumann: Das ist eher schlecht. Wir brauchen frisches Geld für die Bahn und viele Unternehmer, die sich an der Bahn beteiligen. Die können einen größeren Druck aufbauen, das System Bahn weiter auszubauen. Bisher entscheidet hier fast ausschließlich die Politik. Wir haben gesehen, dass das nicht immer hilft.

sueddeutsche.de: Befürchten Sie nicht, dass Strecken stillgelegt werden, wenn private Geldgeber das Sagen haben?

Naumann: Nicht mehr als jetzt schon. Seit 1949 ist es auch unter der Behördenbahn immer wieder zu Stilllegungen unrentabler Strecken gekommen. Das gibt es unter der reformierten Bahn genauso. In diesem Sommer werden wieder einige schlecht ausgelastete ICE-Verbindungen gestrichen. Das hat mit der Privatisierung alleine nichts zu tun.

sueddeutsche.de: Also keine Angst vor einer Privatisierung?

Naumann: Überhaupt nicht, solange das Netz beim Staat bleibt und er zugleich auf der Schiene für gute Rahmenbedingungen für einen freien Wettbewerb sorgt. Die Politik muss dafür ihre Rolle genau definieren. Wir sagen: Sie muss die Verantwortung für die Infrastruktur übernehmen. Der Rest kann gerne privatisiert werden.

sueddeutsche.de: Sie scheinen optimistischer zu sein als viele Parteilinke in der SPD.

Naumann: Dass es funktionieren kann, zeigt doch der recht intensive Wettbewerb im Regionalverkehr. Das kann auch im Fernverkehr funktionieren.

sueddeutsche.de: Macht die Bahn eine Strecke dicht, könnte sich schnell ein Privatunternehmen finden, das die Lücke wieder schließt?

Naumann: Klar, warum nicht?

sueddeutsche.de: Weil es sich möglicherweise auch für die Privaten nicht rechnet, unrentable Strecken zu betreiben?

Naumann: Die Bahn hat sich im Fernverkehr schon aus der Fläche zurückgezogen. Das wird weitergehen, egal ob null Prozent, 24,9 oder 49,9 Prozent der Bahn privatisiert sind. Gegensteuern kann der Staat nur mit einer intelligenten Ausschreibungs- und Infrastrukturpolitik oder indem er die Trassenpreise besser steuert.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: