Fahndung britischer Behörden:Steuerhinterzieher stehen am digitalen Pranger

Auf der Jagd nach flüchtigen Steuerhinterziehern schlägt die britische Regierung einen harten Weg ein: Sie macht die Identität der Kriminellen öffentlich. Mit Fotos fahndet sie im Internet.

Andreas Oldag, London

Es ist eine Galerie von Ganovenbildern, die in jeder Polizeistation hängen könnten. Scheinbar unbeteiligt schauen die zur Fahndung ausgeschriebenen Beschuldigten in die Kamera. Die britische Steuerbehörde (HMRC) hat erstmals die Namen und Fotos von den 20 meistgesuchten Steuerflüchtlingen des Landes veröffentlicht (hier auf Flickr). Gleichzeitig bittet die Behörde bei ihrer spektakulären Internet-Aktion um Unterstützung der Öffentlichkeit, bei der Fahndung zu helfen. Die Verdächtigen werden allesamt beschuldigt, aus Großbritannien geflohen zu sein, um der Zahlung mehrerer Millionen Pfund an Steuern zu entgehen.

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In ihrer Schurken-Galerie gibt die britische Steuerbehörde Informationen über Namen, Alter, Staatsangehörigkeit und vermutlichen Aufenthaltsort der Gesuchten.

(Foto: AFP)

"Diese Täter haben den Steuerzahler zusammen mehr als 765 Millionen Pfund gekostet", erklärte der britische Finanzstaatssekretär David Gauke. Bei den Gesuchten handele es sich um Kriminelle, die nach der Anklage oder während eines Verfahrens untergetaucht seien. Die Londoner Regierung sei "absolut entschlossen, gegen Steuerflucht und Steuerbetrug vorzugehen", so Gauke.

In ihrer Schurken-Galerie gibt die britische Steuerbehörde Informationen über Namen, Alter, Staatsangehörigkeit und vermutlichen Aufenthaltsort der Gesuchten. Einer der dicksten Fische ist Hussain Asad Chohan. Der 44-Jährige, der die britische und pakistanische Staatsbürgerschaft besitzt, soll unter anderem durch Tabakschmuggel dem Fiskus 200 Millionen Pfund (250 Millionen Euro) vorenthalten haben. Der dubiose Geschäftsmann ist in seiner Abwesenheit von einem britischen Gericht schuldig gesprochen worden. Er hat sich vermutlich nach Dubai abgesetzt, um seiner elfjährigen Haftstrafe zu entkommen.

Zur Fahndung ist auch der Brite Timur Mehmet ausgeschrieben. Er soll in einen Mehrwertsteuerbetrugsfall verwickelt sein und dadurch einen Schaden von 25 Millionen Pfund verursacht haben. Sein vermutlicher Aufenthaltsort ist Zypern.

An einem anderen spektakulären Zigaretten- und Alkoholschmuggel soll die Britin Emma Elizabeth Tazey beteiligt sein. Die 38-Jährige habe dem Fiskus durch ihre kriminellen Machenschaften 15 Millionen Pfund entzogen, heißt es bei der britischen Steuerbehörde.

Die Internet-Aktion reiht sich ein in die Kampagne der britischen Regierung, härter gegen Steuerflüchtlinge und -betrüger vorzugehen. Hintergrund ist die schwerste Wirtschaftskrise seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Viele Briten mussten den Konjunkturbruch mit Arbeitslosigkeit bezahlen, nicht wenige mit einer Senkung ihrer Gehälter- und Reallöhne. Außerdem machen sich die harten Sparmaßnahmen der Regierung im Sozial-, Gesundheits- und Bildungsbereich schmerzhaft bemerkbar. Jeder müsse sein Scherflein beitragen, erklärte der Londoner Schatzkanzler George Osborne.

David Cameron wirbt um reiche Franzosen

In diesem Zusammenhang werden auch die Rufe nach mehr Steuerehrlichkeit in Großbritannien lauter. Nur: Häufig ist eine juristische Grauzone zwischen Steuerbetrug und Steuerflucht. Durch trickreiche Sparmodelle gelingt es vor allem Wohlhabenden, Steuern am Fiskus vorbei zu schleusen. Dies verstößt allerdings nicht zwangsläufig gegen geltende Gesetze des Landes.

So erwischte es erst vor kurzem eine ganze Reihe von britischen Prominenten, darunter Popstar Gary Barlow von der Pop-Gruppe Take That, die Sängerin Cheryl Cole und den englischen Fußballer Steven Gerrard. Sie stehen in der Öffentlichkeit am Pranger, weil sie Firmen in Steuerparadiesen genutzt haben sollen, um ihre Millionen-Einnahmen möglichst brutto gleich netto zu kassieren.

Besonders hilfreich sind dabei die britischen Kanalinseln wie Jersey und Guernsey, die sich als Steueroasen und Fluchtburgen des Geldes anbieten. Dies verlockte offenbar auch den millionenschweren britischen Komiker Jimmy Carr dazu, Einnahmen aus seinen Auftritten einer Finanzgesellschaft mit dem Namen "K2" mit Sitz auf Jersey zu überweisen. Die Firma zahlt ihm die Mittel dann als einen Kredit zurück. Die Steuern lassen sich dadurch auf 1,5 Prozent drücken.

Der 40-jährige Komiker soll etwa 3,3 Millionen Pfund dem Zugriff des britischen Finanzamts entzogen haben. Carr, der sich in seinen Sketchen immer wieder über die Gier von Boni-Bankern lustig macht, hat sich nun entschuldigt. Er habe einen kolossalen Irrtum begangen, erklärte der Star.

Nach Meinung von Kritikern verhält sich allerdings auch die Regierung in ihrer Kampagne gegen Steuerflüchtlinge nicht konsistent. So warb erst vor kurzem Premierminister David Cameron um reiche Franzosen, nach London umzuziehen. Ihnen werde an der Themse ein "roter Teppich ausgerollt", hieß es. Solche Sprüche sorgten prompt für Ärger in Paris, da der französische Staatspräsident François Hollande die Einkommenssteuern für Wohlhabende drastisch erhöhen will.

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