Facebook:Was ist Hass?

Lesezeit: 1 min

Das soziale Netzwerk Facebook hat Regeln, um Hassreden zu unterbinden. Der Algorithmus hat nun wohl rassistische Äußerungen gegen die Indianer entdeckt und kurzerhand die US-Unabhängigkeitserklärung gelöscht.

Von Marvin Strathmann

Würden die Gründerväter der USA die Unabhängigkeitserklärung von 1776 heute aufschreiben, der Text würde Facebooks Algorithmen wohl nicht überleben. Die texanische Lokalzeitung Liberty County Vindicator stellte nun das komplette Dokument auf Facebook, doch einer der Posts war zu viel für das soziale Netzwerk: Facebook löschte den Eintrag, weil er gegen die Regeln für "Hassrede" verstoßen habe.

Warum genau Facebook den Eintrag löschte, ist nicht klar. Allerdings ist in einer Passage die Rede von "gnadenlosen Indianer-Wilden", die alle vernichten würden. Die Algorithmen des Netzwerks erkannten wohl eine rassistische Beleidigung der Ureinwohner und schlugen an. "Hätte ein menschlicher Mitarbeiter von Facebook den Post überprüft, wäre er ohne Zweifel erlaubt worden", schreibt Chefredakteur Casey Stinnett. Allerdings, führt er weiter aus, enthalte die Unabhängigkeitserklärung tatsächlich "so einiges, was als Hassrede eingestuft werden kann".

Später entschuldigte sich das soziale Netzwerk für das Löschen des Posts und stellte ihn wieder her. Immer wieder versagen die automatischen Algorithmen von Facebook, die problematische Posts erkennen sollen. Beiträge verschwinden dann im digitalen Nirwana, die eigentlich unproblematisch sind. Vor allem mit Abbildungen von Kunst hat das Netzwerk Probleme: Die 30 000 Jahre alte Figur "Venus von Willendorf" war dem Netzwerk zu nackt, die personifizierte Freiheit in dem Gemälde "die Freiheit führt das Volk" von Eugène Delacroix zeigt ihre Brüste und die Statue des Meeresgottes Neptun in Bologna hat keine Hose an - all diese Bilder wurden gelöscht.

Das Netzwerk mag seinen Lösch-Algorithmus mit den amerikanischen Moralvorstellungen über Nacktheit gefüttert haben, aber Kunstverständnis oder die Fähigkeit zur historischen Einordnung wurden dem Programm offenbar nicht mitgegeben.

© SZ vom 07.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: