Facebook:Und was denkst du so?

Facebook

Bald kann man über die Seite des sozialen Netzwerks Facebook alles finden, was Nutzer öffentlich "teilen".

(Foto: Jens Büttner/dpa)

Ein bisschen Google, etwas Twitter - das Internet-Netzwerk Facebook lässt Nutzer in zwei Billionen Beiträgen stöbern.

Von Hakan Tanriverdi

Facebook bekommt eine Suchfunktion. Das heißt, das soziale Netzwerk kann in Zukunft so genutzt werden, wie es für Menschen mit Internetzugang spätestens seit der Suchbox von Google Standard ist. Aber: Suchen auf Facebook könnte viel interessanter sein als auf Google. Die Frage, die sich sofort stellt, lautet: Für wen? Die Antwort: Für beide Seiten, für Facebook und die Nutzer.

Die neue Funktion heiße "Search FYI", hat Facebook auf dem hauseigenen Blog verkündet. FYI - der Zusatz deutet bereits darauf hin, was der Unterschied zur Suchfunktion von Google sein wird. FYI ist eine im amerikanischen Raum geläufige Abkürzung, sie steht für "For your interest". In aller Regel wird sie genutzt, um andere Menschen auf etwas aufmerksam zu machen. Typische Verwendung in schriftlicher Kommunikation: "Wir hatten doch letztens über XYZ geredet. Hier ein guter Artikel dazu, FYI". Übertragen auf Facebook bedeutet das: "Wenn etwas passiert auf der Welt, schauen die Menschen meist auf Facebook nach, wie ihre Freunde und Familie reagieren" - schreibt Tom Stocky im Blog, der die Suchfunktion bei Facebook als leitender Manager verantwortet.

Momentan werden auf Facebook zwei Billionen Beiträge erfasst, dazu kommen 1,5 Milliarden Suchanfragen täglich. Bis jetzt war es möglich, sich Suchergebnisse aus dem (erweiterten) Freundeskreis anzeigen zu lassen. Wer hat aktuell etwas zum Thema Flüchtlinge geschrieben? Neben der Antwort darauf spuckte Facebook noch Seiten aus, die sich mit der Flüchtlingskrise auseinandersetzen. Das konnte viel sein, aber oft nicht genug. Nun hingegen ist es möglich, wirklich alles zu finden, was Nutzer öffentlich "teilen".

Die Funktion ist vorerst nur für Nutzer verfügbar, die in den USA leben. Die Suchergebnisse werden kategorisiert angezeigt: Erst ein paar so genannte vertrauenswürdige Quellen (vor allem Nachrichtenseiten), und Wortmeldungen von Freunden, schließlich öffentliche Beiträge von allen Nutzern. Und das auch, wenn diese schon vor Jahren veröffentlicht wurden.

Facebooks Nutzer sollen näher ran an die Echtzeit-Welt - statt zu Twitter zu gehen

Facebook ist ein soziales Netzwerk, das inzwischen eher passiv verwendet wird. Der Algorithmus des Nachrichtenstroms entscheidet, welche Geschichte für einen bestimmten Nutzer interessant sein könnte - in der Regel bis zu 100 Beiträge pro Tag. Zu dieser passiven Bespaßung gehören auch Nachrichten, die Facebook mit einer eigenen App namens Paper und der Initiative "Instant Articles" an sich zieht, die Medienfirmen dazu motivieren soll, Artikel direkt auf Facebook zu veröffentlichen. Die starke Gewichtung von Interessen hat eine Nebenwirkung: Als Medium hinkt Facebook der Welt meist etwas hinterher. Als zum Beispiel in den USA die schwarze Bevölkerung anfing, gegen Polizeigewalt zu protestieren, sprach das gesamte Land darüber. Auf Facebook fand diese Debatte erst am nächsten Tag statt. Die Algorithmen verzögern eine Diskussion, haben sogar das Potenzial, sie zu verhindern. Das ist einer der Gründe, warum andere Netzwerke, allen voran Twitter, als Echtzeit-Medium viel aktiver genutzt werden. Dort sind die Menschen live bei Ereignissen dabei, die sie für wichtig halten.

Facebooks neue Suchfunktion ändert das zwar nicht grundlegend, aber gibt Nutzern die Möglichkeit, per Suche näher an die Echtzeit-Welt zu gelangen. Denn das Versprechen lautet: alle Nachrichten, von allen gewünschten Quellen, sofort und so präsentiert, dass ein rascher Überblick garantiert ist. Das Ziel dieses Versprechens ist klar: Es soll keinen Grund mehr geben, das Netzwerk zu verlassen und bei der Konkurrenz zu suchen. Die Zeit, die ein Nutzer im Netz ist, soll er komplett auf Facebooks Servern verbringen.

Soziale Netzwerke verdienen Geld, wenn Nutzer ihnen Aufmerksamkeit und verwertbares Verhalten schenken. Wenn Facebook Milliarden Menschen dazu bewegen kann, noch mehr Zeit mit dem Produkt zu verbringen, ist das sehr profitabel.

Dazu kommt: Facebook sammelt nun noch mehr Daten. Likes, Freunde, geklickte Artikel ohnehin schon, dazu kommt nun noch das Suchinteresse. Diese Informationen sind vor allem deswegen wichtig, weil sie signalisieren, was einen Menschen gerade im Augenblick interessiert. Das hilft bei der Personalisierung. Facebook zufolge soll jeder Datenpunkt, den ein Nutzer hinterlässt, für die Anzeige der Suchergebnisse genutzt werden. Die Frage ist: Werden diese Informationen verwendet, um noch stärker personalisierte Werbung anzuzeigen? Dazu gibt es eine offizielle Antwort: nein. Zumindest vorläufig wird das wohl so sein. Doch Facebook wird den neuen Datenschatz der Suchanfragen, den es sich gerade anlegt, irgendwann auch heben wollen.

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