Soziale Netzwerke:"Facebook spricht unser Reptilienhirn an"

Two Days in the Life of a Model at Paris Fashion Week

Eine Smartphone-Nutzerin in der Pariser Métro.

(Foto: Yoan Valat/dpa)
  • Prominente Vertreter der Tech-Branche kritisieren Facebook scharf. Darunter ist auch eine Gruppe von Mitarbeitern der ersten Stunde von Facebook und Google.
  • Sie möchten, dass die Firmen gezielt gegen negative Auswirkungen sozialer Netzwerke und von Smartphones vorgehen.
  • Dafür haben sie die Kampagne namens "Die Wahrheit über Tech" gestartet.

Von Helmut Martin-Jung

Das vergangene Jahr war für Facebooks Image ziemlich hart, im Heimatmarkt tat dem Unternehmen besonders die Diskussion um die Beeinflussung der Präsidentschaftswahl aus Russland weh. Doch auch dieses Jahr steht das soziale Netzwerk vor Problemen. Mehr und mehr prominente Vertreter der eigenen Branche melden sich zu Wort und kritisieren Facebook scharf. Und nun hat sich sogar eine Gruppe von Mitarbeitern der ersten Stunde bei Facebook und Google gebildet, die gezielt gegen negative Auswirkungen sozialer Netzwerke und von Smartphones vorgehen wollen.

Sie nennt sich Center for Humane Technology, etwa: Zentrum für menschenfreundliche Technik, und hat bereits sieben Millionen Dollar für eine Kampagne namens "Die Wahrheit über Tech" gesammelt. Sie will Schüler, Lehrer und Eltern ansprechen. Der Gruppe, die mit der medienkritischen Non-Profit-Organisation Common Sense zusammenarbeitet, wurden außerdem Sendezeit und Medienpräsenz im Wert von 50 Millionen Dollar zugesagt.

"Wir waren dabei", sagte Tristan Harris, der früher für die Firmenethik bei Google zuständig war, der New York Times, "wir wissen, was die Firmen erfassen. Wir wissen, wie sie reden und wie die Technik dahinter funktioniert." Die größten Supercomputer der Welt seien in den Händen zweier Unternehmen, Google und Facebook, "und worauf setzen wir sie an? Auf die Hirne der Menschen, auf Kinder".

Prominente Mitglieder

Der Zusammenschluss der Silicon-Valley-Veteranen ist nur die jüngste mehrerer kritischer Äußerungen in Bezug auf soziale Medien und extensive Smartphone-Nutzung. Erst kürzlich hatte der Chef des Firmensoftware-Herstellers Salesforce, Marc Benioff, gefordert, man solle Facebook behandeln wie die Tabakindustrie. Facebook mache süchtig und es schade den Menschen. Apple-Chef Tim Cook bekannte, er wolle nicht, dass sein Neffe soziale Netzwerke benutze.

Dem Center for Humane Technology haben sich prominente Mitglieder angeschlossen, darunter zum Beispiel der frühere Facebook-Manager Justin Rosenstein, der den "Gefällt-mir"-Knopf erfunden hat. Roger McNamee, einer der frühen Investoren bei Facebook, bereut es mittlerweile sehr, dass es unter anderem mit seinem Geld möglich wurde, etwas wie das soziale Netzwerk zu schaffen: "Facebook spricht unser Reptilienhirn an - vor allem Furcht und Wut. Und mit den Smartphones haben sie einen ständig am Wickel solange man wach ist."

Als erstes konkretes Projekt will die Gruppe der Kritiker eine Webseite veröffentlichen, die schädliche Effekte verschiedener Technologien zeigen und Programmierern als Leitfaden dienen soll. Außerdem will die Gruppe auch Lobbyarbeit betreiben mit dem Ziel, die Macht der großen Digitalkonzerne zu beschränken. Dazu sollen Gesetzesvorhaben unterstützt werden wie etwa das des demokratischen Senators Edward J. Markey: Er will eine Untersuchung des Einflusses von Technik auf Kinder durchsetzen.

Erst vor einigen Tagen hatten sich mehrere Kinderärzte und Psychologen an Facebook mit der Forderung gewandt, eine Chat-App wieder einzustellen, die sich an Kinder von sechs Jahren richtet. Der "Messenger Kids", den Eltern für ihre Kinder einrichten müssen, ziele auf eine verletzliche Gruppe, die von ihrer Entwicklung her nicht darauf vorbereitet sei, an einem sozialen Netzwerk teilzunehmen, heißt es in einem Schreiben an Facebook.

Auf die Zahlen von Facebook haben diese Aktionen bis jetzt keinen Einfluss. Das Unternehmen verdient prächtig mit Werbung. Immerhin aber ist erstmals in der Geschichte der Firma die Zahl der täglich aktiven Nutzer in den USA und Kanada zurückgegangen. Als Anzeichen für einen Niedergang taugen diese Zahlen aber freilich nicht.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: