Facebook:Hauptsache, es bleibt in der Familie

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Lockere Kleidung, straffe Ziele: Facebook-Chef Zuckerberg will die Nutzer immer stärker an sich binden. (Foto: Eric Risberg/AP)

Der Konzern will zur Anlaufstelle Nummer eins werden und seine Nutzer so lange wie möglich im eigenen App-Universum halten. Die Konkurrenz wird nervös - zu Recht.

Von Johannes Kuhn und Helmut Martin-Jung, San Francisco/München

Das berühmte Schicksals-Tatata-taaaa aus Beethovens Fünfter oder doch lieber etwas weniger Dramatisches? Egal: Der Kunde hat die Wahl, wie er seinen Freunden eine Nachricht vorsingen lassen will. Braucht man das, ein Programm, im Jargon App genannt, das so etwas kann? Nun, es wird sich zeigen, ob die App "Ditty" der amerikanischen Start-up-Firma Zya ein Renner wird. Eines aber steht schon fest: Der Messenger von Facebook, eine App zum Versenden und Empfangen von Nachrichten, ist nicht mehr, was er einst war. Man könnte sogar sagen: Facebook ist kein soziales Netzwerk mehr. Es sei vielmehr "eine Familie von Apps" geworden, verkündete Gründer und Chef Mark Zuckerberg auf der firmeneigenen Entwicklerkonferenz F8 in San Francisco.

Es ist längst mehr als das.

Denn zu Facebook, der meistbenutzten App der Welt, gehören nicht nur das Chat-Programm Whatsapp, das Bildernetzwerk Instagram und eben der Messenger, zusammen haben sie mehrere hundert Millionen Nutzer. In Zuckerbergs App-Familie kommt es vor allem darauf an, viele Inhalte einzubinden. Die Nutzer sollen dazu gebracht werden, viel Zeit darin zu verbringen. Zeit, in der Facebook werberelevante Informationen sammeln kann.

Es geht darum, möglichst alles aufzusaugen, von harten News bis hin zu Katzenvideos

Die Hausmesse F8 ist Facebooks jährliches Werben um die Entwickler. Und das wichtigste Ziel dabei ist, neue Rezepte dafür zu entwickeln, dieses Konzept erfolgreich weiterzutreiben. Möglichst alles aufzusaugen, von harten News bis hin zu Katzenvideos, und jetzt noch Apps von Drittanbietern - wichtig ist allein, dass die Nutzer nicht das Gefühl bekommen, sie müssten auch noch woanders vorbeischauen, um nichts zu verpassen.

Mit dem Schritt, den Zuckerberg dieses Jahr angekündigt hat, tut Facebook nichts Revolutionäres. Wenn Drittanbieter wie Zya künftig für den Facebook Messenger eigene Apps entwickeln können, folgt das Zuckerberg-Imperium asiatischen Konkurrenten wie Line oder WeChat. Diese haben ihre Messenger-Apps schon länger zu Plattformen ausgebaut. Wie bei den asiatischen Netzwerken sollen künftig auch Geschäfte und Marken im Messenger mit Facebook-Nutzern kommunizieren können. Bestellt jemand ein T-Shirt, kann der Händler Quittungen und Sendestatus verschicken oder Rückfragen beantworten.

Mit 600 Millionen Menschen hat der Messenger einen gewaltigen Nutzerstamm, der für Entwickler und Marken interessant ist. "Das verkürzt die Zeit, um massiv zu wachsen und eine große Nutzerbasis anzusprechen", freute sich Matt Serletic vom Start-up Zya. Facebook erfährt im Gegenzug mehr über Interessen und Konsumverhalten seiner Mitglieder und kann darauf hoffen, zu einer Shopping-Plattform zu wachsen.

Facebooks geschäftlicher Anker ist mehr denn je die Identität der Nutzer, und es wird zunehmend egal, bei welcher der Apps aus der großen Facebook-Familie man angemeldet ist. Künftig lassen sich Fotos, Videos und Status-Updates mit einem einzigen Knopfdruck über Facebook, Messenger, Whatsapp und Instagram hinweg teilen - es bleibt ja in der Familie.

Mit einer Entwickler-Software für die Steuerung von Anwendungen im Internet der Dinge hat Facebook schon den nächsten Markt zur Verknüpfung der Identität im Blick. Da geht es dann um vernetzte Alltagsgegenstände. Die Bewegbild-Offensive geht auch weiter. Der Konzern wird bald 360-Grad-Videos unterstützen, zudem kann man Facebook-Videos bald in andere Seiten einbinden. Und mit der Virtual-Reality-Brille "Oculus Rift " will die Facebook-Plattform auch in einigen Jahren noch so fesselnd bleiben, dass niemand auf die Idee kommt, einer der Apps den Rücken zuzukehren.

Das Geld für all die Neuerungen kommt vor allem aus der Werbung. Auch hier investiert Facebook weiter und nähert dabei Inhalt und Anzeigen einander an. Anzeigen in Facebook-Apps sollen künftig so aussehen können, dass sie von ihrer Umgebung, also etwa den Nachrichten von Freunden, kaum zu unterscheiden sind.

Der Plan hat sich also nicht geändert: Facebook will der Eigentümer jener Orte sein, an denen die Welt digital kommuniziert - und damit auch die Bedingungen vorgeben für alle, die Werbung machen oder ihre Ideen, Inhalte und Botschaften präsentieren wollen. Mit der Marktmacht seiner Apps im Mobilbereich hat das Unternehmen derzeit gute Aussichten, ein schwer ersetzbarer Mittelsmann zu bleiben - und notfalls die aufstrebende Konkurrenz weiter aufzukaufen. So wie man das mit Instagram, Oculus und Whatsapp gemacht hat. Je erfolgreich der Facebook-Kosmos ist, desto schwerer hat es die Konkurrenz. Bei Google etwa ist man längst nervös geworden, weil Facebook auf mobilen Geräten viel Geld verdient.

Und die nächsten, die sich Sorgen machen müssen, sind Telekommunikationsfirmen und Handy-Hersteller. Wenn Facebook es schafft, wie jetzt für eine Kooperation mit dem Handy-Fabrikanten HTC angekündigt, eine Schicht über das komplette Handy zu legen, dann würden die Hersteller kaum noch unterscheidbar sein. Und die Mobilfunkprovider endgültig in der Rolle des bloßen dummen Dienstleisters.

© SZ vom 27.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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