Faber-Castell:Adel verpflichtet

Es ist einer der ältesten Industriebetriebe der Welt. Seit dem Tod des alten Grafen aber herrscht Unruhe, seine Nachfolge ist nicht geregelt. Die Witwe sucht einen neuen Chef, und - der Sohn hält sich schon mal bereit.

Von Caspar Busse, Stein

Das prachtvolle Schloss aus dem 19. Jahrhundert erhebt sich in einem grünen Park, nicht weit entfernt stehen die langen Backsteingebäude, in denen noch immer die Maschinen laufen, daneben eine schmucke Villa. Tradition ist hier ganz wichtig: Parkettböden, hohe Stuckdecken, gediegenes Ambiente, an den Wänden hängen die Ölbilder der Vorfahren. In Stein am Stadtrand von Nürnberg sitzt einer der ältesten Industriebetriebe überhaupt, das weltweit bekannte Familienunternehmen Faber-Castell.

Schon Vincent von Gogh war begeistert von den Stiften aus Franken. Das Unternehmen ist der weltweit größte Hersteller von Bleistiften, bis zu 2,5 Milliarden werden in diesem Jahr hergestellt, in Deutschland, in Indonesien und in Brasilien. Das Holz stammt aus eigenen Wäldern. Dazu kommen Schreibwaren aller Art und Produkte für die Kosmetikindustrie. Das Unternehmen ist zu einem kleinen Konzern geworden, der gerade von einem erstaunlichen Boom bei Malbüchern weltweit profitiert.

Nun aber gibt es in Stein Unruhe. Nach dem Tod von Anton-Wolfgang Graf von Faber-Castell sucht das Unternehmen nach einer neuen Führung, von Auseinandersetzungen in der Familie ist die Rede. Es steht einiges auf dem Spiel, es geht auch um den künftigen Einfluss der Familie. Dazu kommt: Finanzvorstand Thomas Dippold, der erst 2014 gekommen war und die Geschäfte seitdem nach vorne gebracht hat, wird die Firma wohl bald verlassen.

"Für meinen Vater war Kontinuität das Wichtigste", sagt Charles Graf von Faber-Castell, 36. Der Sohn des Patriarchen sitzt an diesem sonnigen Tag mit seiner Stiefmutter Mary, 64, im ersten Stock der Villa zusammen, sie wollen Gemeinsamkeit demonstrieren. Im Januar war in Houston/Texas nach langer Krankheit Anton-Wolfgang Graf von Faber-Castell mit 74 Jahren gestorben. Er hatte das Unternehmen fast 40 Jahre lang geführt, es groß und international gemacht. Heute macht Faber-Castell etwa 630 Millionen Euro Umsatz mit 8000 Mitarbeitern, davon 1100 in Deutschland. Es werden Gewinne erwirtschaftet, die Rendite gilt aber als verbesserungswürdig. "Mein Vater stand für die Marke, er hat sie symbolisiert. Wir haben die Verantwortung, seinen Weg weiter zugehen," sagt sein Sohn Charles, kurz Charlie, fast beschwörend - Familie vepflichtet.

Bilanz-Pk Faber-Castell

Die Stifte gibt es in mehr als 120 Farben. Bis zu 2,5 Milliarden davon stellt die Firma Faber-Castell im Jahr her.

(Foto: Jens Kalaene/dpa)

Doch der Firmenpatriarch hat wie so viele andere erfolgreiche Familienunternehmer versäumt, seine Nachfolge eindeutig zu regeln. Seine Frau Mary hatte in seinen letzten Wochen viel mit ihm gesprochen. "Gute alte Freunde haben ihn durchaus direkt gefragt: Wie wird das Unternehmen nach Dir geführt werden?", erzählt sie heute: "Er hat daran gearbeitet, er hat Charlie ins Unternehmen geholt und zuletzt neue Vorstandsmitglieder ernannt." Aber: "Er hatte natürlich erwartet, dass er diese Krankheit überleben wird." Aber Toni, wie ihn viele nannten, galt auch als harmonieliebend, eine Entscheidung über die künftige Führung hat er nicht getroffen.

So hat sich kurz nach seinem Tod seine Witwe Mary zur Vorstandssprecherin wählen lassen, für manche Außenstehende durchaus überraschend. Machtansprüche weist sie aber weit von sich: "Ich habe eine Übergangsrolle, ich helfe nur beim Übergang von der achten auf die neunte Generation", sagt sie. 1987 hatte die Amerikanerin, eine ehemalige Chanel-Managerin, Toni geheiratet, sie hatten sich auf einer Dienstreise in New York kennen gelernt. Das Paar hat drei Töchter: Katharina, 28, die heute wie ihre Mutter in der Kosmetikbranche arbeitet, und die Zwillinge Sarah und Victoria, 20, die beide noch studieren. Die Drei hätten durchaus einen Bezug zur Firma, sagt ihre Mutter, doch sie sind noch zu jung und unerfahren, um im Betrieb aktiv zu werden. Charles wiederum ist der Stiefsohn von Mary, er stammt aus der kurzen Ehe des Grafen mit der Luxemburgerin Carla Lamesch, die nach ein paar Monaten wieder geschieden wurde. Die vier Kinder müssen nun miteinander auskommen, denn ihnen gehört die Firma zu gleichen Teilen, Mary hat nur einen kleinen Anteil.

Viele haben Charles, der nach Ansicht von Weggefährten sehr nach seinem Vater kommt, schon als neuen Unternehmenschef gesehen. Der ehemalige Unternehmensberater mit dem zurückgegelten Haar ist seit 2013 im Unternehmen und kümmert sich bislang um die Luxusprodukte der teuren Marke "Graf von Faber-Castell". Er werde "hoffentlich der Familie helfen, das Unternehmen auf eine nächste Stufe zu bringen", sagt er. Aus seinen Ambitionen macht er keinen Hehl: "Das Ziel ist, dass ich vielleicht später mit mehr Erfahrung die Führung der Firma übernehme, das war wohl auch die Absicht meines Vaters." Doch bisher ist er nicht einmal Mitglied des Vorstands. Manche vermuten, dass Stiefmutter Mary, mit der er offenbar nicht immer einer Meinung ist, vor allem das Wohl ihrer jungen Töchter, den Halbschwestern von Charles, bedenkt. "Der Wunsch meines Mannes war, dass seine Kinder oder eines der Kinder das Unternehmen einmal übernimmt", sagt sie dazu. Von Unstimmigkeiten in der Familie wollen die beiden aber nichts wissen.

Hochzeit im Hause Faber-Castell

Die Familie vor dem Schloss in Stein bei der Hochzeit von Charles Graf von Faber-Castell (Mitte) mit Melissa im Jahr 2012. Daneben der inzwischen gestorbene Anton-Wolfgang Graf von Faber-Castell, seine Frau Mary und die Töchter Victoria und Sarah sowie die Familie der Braut (von rechts).

(Foto: Daniel Karmann/dpa)

Nun soll erst einmal ein externer Chef verpflichtet werden und so Ruhe ins Unternehmen bringen. "Wir brauchen jetzt jemanden von außen mit viel Erfahrung", sagt Mary Gräfin von Faber-Castell. Und Charles fügt an: "Die Suche ist angelaufen. Wir müssen die richtige Person finden, die mit dem Team hier gut arbeiten kann und auch zur Familie passt." Es werde nichts überstürzt: "Wir nehmen uns die notwendige Zeit." Insider verweisen aber darauf, dass die Suche nicht leicht werden dürfte. Zu schwierig scheint die Gemengelage, zudem sei die Aufgabe offenbar nur übergangsweise angelegt. Die öffentliche Diskussion mache die Suche nicht einfacher.

Es wäre jedenfalls der erste Chef von außen, seit die Firma 1761 vom Schreiner Kaspar Faber gegründet wurde. Der hatte sich schon damals auf die Herstellung auf Bleistiften aus Holz und Grafit spezialisiert, bis heute das Kerngeschäft. Als Nachfahre Lothar Faber die Firma 1829 in vierter Generation übernahm, gelang der internationale Durchbruch. 1849 wurde die erste Auslandsniederlassung in New York gegründet, bald folgte London. Ihm gelang es auch, erstmals Bleistifte in unterschiedlichen Härtegraden herzustellen, was Faber-Castell Weltruhm einbrachte. Lothars Enkelin Ottilie heiratete schließlich 1898 den Grafen Alexander zu Castell-Rüdenhausen, dadurch entstand der Namen Faber-Castell.

Die Zeiten sind also turbulent, aber immerhin: Die Geschäft laufen gut, erstaunlich gut. 2015 war das beste der Firmengeschichte. Der Umsatz stieg um zehn Prozent, auch für 2016 wird wohl ein ähnliches Plus erwartet. Grund ist die weltweit steigende Nachfrage nach Faber-Castell-Buntstiften, seit immer mehr Erwachsene ihre Nerven mit dem Ausmalen von Bildern beruhigen und damit Zuflucht aus dem hektischen Alltag am Computer suchen. Ausmalbücher sind in, zuerst in Korea, Brasilien, Frankreich, jetzt in aller Welt. Blumen, Blätter, Tiere, seitenfüllende Mandalas oder gar ganze Märchenschlösser - Ausmalen versetzt viele in ihre Kindheit zurück und gibt ein beruhigendes Gefühl. "Es ist eine Bewegung, ein weltweites Phänomen", freut sich Charles. Selbst hat er es aber noch nicht ausprobiert. Er entspannt sich lieber mit seiner E-Gitarre.

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