EZB:Widerstand gegen Weidmann

Conference de presse mensuelle du President de la BCE, Banque Centrale Europeenne

EZB-Chef Mario Draghi und Jens Weidmann: Der Bundesbank-Präsident kritisiert die Geldpolitik der EZB, das nehmen ihm viele übel.

(Foto: Eric Tschaen/REA/laif)

Wer folgt auf Europas Notenbankchef Draghi? Der Bundesbank-Präsident ist im Gespräch, doch seine Berufung ist alles andere als ein Selbstläufer.

Von Alexander Mühlauer und Markus Zydra, Frankfurt/Straßburg

In der nun 20-jährigen Geschichte der Europäischen Zentralbank (EZB) hatte jeder Präsident seine eigene pikante Aufgabe. Der erste, Wim Duisenberg, hatte der neuen Währung Euro von 1998 an Respekt zu verschaffen in der internationalen Finanzwelt. Der zweite, Jean-Claude Trichet, musste - von der globalen Finanzkrise 2007 kalt erwischt - Europas Banken mit unbegrenzt viel Notenbankgeld versorgen. Mario Draghi, seit 2011 der dritte an der EZB-Spitze, verhinderte mit einem einzigen Satz den Kollaps der Euro-Zone, führte Nullzinsen ein und kauft bis heute Anleihen der Euro-Zone, bislang im Wert von 2,5 Billionen Euro.

Die zweitwichtigste Notenbank der Welt ist also von einem Niederländer, einem Franzosen und einem Italiener geführt worden. Nur Deutschland, das wirtschaftlich stärkste Mitglied der Währungsunion, ging bei der Spitzenposition in der EZB bislang leer aus. Eigentlich scheint die Sache klar: Der nächste Zentralbankchef müsste ein Deutscher werden.

Mit Bundesbankpräsident Jens Weidmann ist auch ein deutscher Kandidat im Gespräch. Doch seine Berufung ist alles andere als ein Selbstläufer. Die Staats- und Regierungschefs der EU müssen 2019 zahlreiche Top-Posten neu besetzen, darunter die neuen Präsidenten der EU-Kommission und des Europäischen Rates.

In Frankfurt hört Danièle Nouy, Chefin der Europäischen Bankenaufsicht, Ende des Jahres auf. Darüber hinaus werden im EZB-Direktorium gleich vier Stellen frei. Der portugiesische Notenbank-Vizepräsident Vítor Constâncio geht Ende Mai, EZB-Chefvolkswirt Peter Praet, ein Belgier, genau ein Jahr später. Draghis Vertrag endet im Oktober 2019, und der Franzose Benoît Cœuré verlässt Europas Zentralbank Ende des kommenden Jahres.

Das EZB-Direktorium verliert in relativ kurzer Zeit vier von sechs Mitgliedern. Das gab es noch nie. Die Notenbank muss in der abrupten Rochade einen Erfahrungsverlust verdauen. "Wenn in dieser Phase des Führungswechsels eine unerwartete Finanzkrise aufkäme, dann wäre eine erfahrene und gut eingespielte Führungsspitze nötig, um diese unsichere Situation optimal zu meistern", sagt der Managementberater Eberhard Hauser, Geschäftsführer von Hauserconsulting.

Doch das Tagesgeschäft der Notenbank hat es auch ohne Finanzkrise in sich. Die EZB versucht, so geräuschlos wie möglich ihre lockere Geldpolitik zu straffen. Das zieht sich schon viel zu lange hin, weil die Inflation in der Euro-Zone nach Ansicht von Draghi noch zu niedrig ist. Weidmann will die umstrittenen Anleihekäufe der EZB so schnell wie möglich beenden, doch Draghi zögert noch. Der Notenbankpräsident und sein potenzieller Nachfolger sind sich nicht einig. Dieser Zwist strahlt auch nach Brüssel ab, wo das Geschacher über die Personalentscheidungen begonnen hat.

Die irische Regierung hat ihren Notenbank-Chef Philip Lane offiziell ins Rennen um den Posten als EZB-Vizepräsident geschickt. Damit gibt es nun zwei Interessenten, denn auch Spanien hat offiziell einen Kandidaten ernannt: Spaniens Wirtschafts- und Finanzminister Luis de Guindos. Für Irland wäre es der erste EZB-Direktoriumsposten überhaupt, die Spanier sind seit 2012 außen vor, damals endete der Direktoren-Vertrag von José Manuel Gonzalez-Paramo.

Die Euro-Finanzminister wollen schon bei ihrem nächsten Treffen am 19. Februar einen Kandidaten wählen, der nach Anhörung durch das Europaparlament und den EZB-Rat von den Staats- und Regierungschefs auf ihrem Gipfeltreffen im März bestätigt werden soll. Eigentlich galt bei der Besetzung lange die Proporzregel, dass die Spitze des EZB-Direktoriums aus einem Nord- und Südländer bestehen soll, wobei dem Nord-Vertreter eine strenge Einstellung zur Geldpolitik, dem Süd-Länder eine lockere unterstellt wird. In den vergangenen sieben Jahren standen mit Draghi und Constâncio zwei Südeuropäer an der Spitze. Die EZB fuhr die lockerste Geldpolitik aller Zeiten. Erhöht dieser Umstand die Chancen für den strengen Weidmann?

Der frühere Berater von Bundeskanzlerin Angela Merkel gilt als fachlich versierter Geldpolitiker, er ist im persönlichen Umgang angenehm und verbindlich, gleichzeitig kann Weidmann aber in der Sache unangenehm hart sein. Der Volkswirt hat sich in den vergangenen Jahren ein paar Mal öffentlich gegen Draghis lockere Geldpolitik gestellt, das nehmen ihm einige Politiker in Italien und Frankreich bis heute übel. Außerdem, so sieht man es dort, hätten die Deutschen ihre Chance gehabt. Der frühere Bundesbankpräsident Axel Weber galt 2011 als wahrscheinlicher Nachfolger von Trichet, doch Weber trat damals zurück, weil er Trichets lockere Geldpolitik nicht mittragen wollte.

Viele der 25 EZB-Ratsmitglieder wollen die lockere Geldpolitik fortsetzen - Weidmann nicht

Als EZB-Präsident müsste Weidmann den Rat der Notenbank für sich gewinnen. Doch die meisten der 25 EZB-Ratsmitglieder möchten die lockere Geldpolitik mit den niedrigen Zinsen noch lange fortsetzen - und das, obwohl Europas Wirtschaft mittlerweile so stark wächst wie seit 2007 nicht mehr. "Die geldpolitische Meinung von Weidmann ist im EZB-Rat nicht mehrheitsfähig, er wird sich damit auch als EZB-Präsident kaum durchsetzen können", sagt Stefan Bielmeier, Chefvolkswirt der DZ Bank. Die Bundesregierung werde Weidmann daher wohl nicht mit allen Mitteln durchsetzen, zumal man dafür auch einen Preis bezahlen müsste, etwa die Zustimmung zur Gründung eines Europäischen Währungsfonds.

Wer könnte Draghi sonst noch beerben? Der französische Notenbankpräsident François Villeroy de Galhau und der Niederländer Klaas Knot gelten als mögliche Kandidaten. Wieder ein Franzose, wieder ein Niederländer - geht das? Und was ist mit den anderen Direktorenposten? Der EZB-Rat ist immer noch ein Männer-Club. Unter den 25 Mitgliedern sind gerade einmal zwei Frauen: Die EZB-Direktorin Sabine Lautenschläger und die zyprische Notenbankchefin Chrystalla Georghadji. Das stößt EU-Parlamentariern bitter auf. Viele Abgeordnete wollen mehr Frauen im EZB-Direktorium sehen. Im Jahr 2012 hatte sich das EU-Parlament gegen die Nominierung von Yves Mersch ausgesprochen, um ein Zeichen zu setzen - pro femina. Mersch kam am Ende doch ins Amt, aber der Druck, mehr Frauen an die EZB-Spitze zu hieven, ist weiter gewachsen.

Vielleicht hat der französische Staatspräsident Emmanuel Macron deshalb die ehemalige französische Verteidigungsministerin Sylvie Goulard ins Amt der Vizegouverneurin der französischen Notenbank berufen. Dort kann sie bis 2019 Erfahrung sammeln und - schwupp - haben die Franzosen eine aussichtsreiche Kandidatin für die EZB im Rennen. So geht das. Oder auch nicht. 2019 steht im Frühjahr die Europawahl an. Mit ihr ist die Postenverteilung fast aller wichtigen EU-Spitzenämter verknüpft. Die Verteilung der Top-Jobs wird im Paket beschlossen werden, wobei gemäß der Brüsseler Macht-Arithmetik alle irgendwie zum Zug kommen müssen. Linke, liberale und rechte Parteien, Frauen und Männer, große und kleine Länder - nicht zu vergessen alle Himmelsrichtungen.

Bereits im Herbst steht der erste Schritt an. Dann wählen die europäischen Parteienfamilien ihre Spitzenkandidaten für die Europawahl. Ob der oder die Siegreiche aber automatisch Kommissionspräsident wird, ist längst nicht ausgemacht. Die Parteien werden sich vermutlich erst ihre Mehrheiten im EU-Parlament suchen müssen. Steht der neue Kommissionspräsident aber einmal fest, wählen die EU-Staaten danach den neuen Präsidenten des Europäischen Rates. Diese beiden Personalien haben Einfluss auf die Draghi-Nachfolge. Der neue EZB-Präsident darf auf keinen Fall aus demselben Land kommen wie einer der beiden Präsidenten im Brüsseler Europaviertel. Ein deutscher Kandidat für diese zwei Ämter ist zurzeit eher unwahrscheinlich. Von dem her wäre es gut möglich, dass Draghis Nachfolger aus Deutschland käme. Das kann so kommen. Muss es aber nicht.

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