Sitzung der Notenbanker:EZB lässt den Leitzins bei 0,75 Prozent

Weiter nach unten geht es nicht: Die Europäische Zentralbank lässt den Leitzins unverändert - auf dem historischen Tiefststand von 0,75 Prozent. Viel wichtiger als die Zinsenentscheidung ist aber das von EZB-Präsident Draghi angekündigte Aufkaufprogramm für Staatsanleihen von Krisenstaaten.

Die Krise greift auf der Welt um sich, doch an den Börsen ist davon nichts zu spüren. Die Händler sind sicher, dass die Zentralbanken für gute Laune sorgen werden, indem sie massiv in den Markt für Staatsanleihen eingreifen. Besonders im Fokus: die Europäische Zentralbank (EZB). An diesem Donnerstag hat sie weitere Details darüber bekanntgegeben, wie sie die Schuldenkrise auf dem Kontinent eindämmen will.

Die klassische Zinspolitik rückt dadurch in den HIntergrund. Sie spielt in der Krise eine immer geringere Rolle. Die meisten Beobachter hatten damit gerechnet, dass die EZB den Leitzins, zu dem sich Banken dort Geld leihen, auf dem Rekordtief von 0,75 Prozent belässt - und genau so kam es.

EZB-Präsident Mario Draghi erläuterte die Zinsentscheidung am Nachmittag. Dabei kündigte er ein neues Zentralbank-Programm zum Aufkauf der Staatsanleihen kriselnder Euro-Staaten an - in unbegrenzter Höhe.

Die EZB will Papiere angeschlagener Euro-Staaten erwerben und verfolgt damit zwei Ziele: Sie hofft, dass so die Zinsen der Krisenländer sinken und diese sich am Kapitalmarkt leichter finanzieren können. Außerdem soll durch das Eingreifen der Notenbank das Vertrauen der Finanzmärkte in die Gemeinschaftswährung steigen.

In Deutschland ist dieser Schritt jedoch hoch umstritten. Bundesbankpräsident Jens Weidmann hatte sich mehrfach öffentlich dagegen ausgesprochen und auch im EZB-Rat Widerstand geleistet. Er ist dort jedoch mit seiner Position in der Minderheit. Wie die Abstimmung an diesem Donnerstag ausging, verriet Draghi bei der Pressekonferenz nicht. Er sagte nur, dass sie nicht einstimmig, aber mit großer Mehrheit gefallen sei. Möglicherweise war Weidmann der Einzige, der gegen die Aufkaufpläne votierte.

Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte sich nicht direkt zu den EZB-Plänen. "Die EZB reagiert unabhängig und im Rahmen ihres Mandates", sagte sie am Rande ihres Besuchs beim spanischen Regierungschefs Mariano Rajoy in Madrid. ie Bemühungen der EZB könnten allerdings nicht die Reformen in den von der Schuldenkrsie betroffenen Staaten ersetzen.

Die EZB hatte Draghis öffentliche Erklärung bereits vorbereitet, indem sie dezent andeutete, wie ihr Plan aussieht. So wolle sich die EZB auf Käufe von Anleihen mit bis zu drei Jahren Laufzeit beschränken, so Draghi am Montag im Europäischen Parlament. Dass die EZB zehnjährige Papiere kauft, schloss er aus.

Außerdem sei die Zentralbank bereit, künftig auch Verluste aus den von ihr gehaltenen Staatsanleihen auf sich zu nehmen. Das berichtete die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf zwei hochrangige Notenbanker. Bisher hat die EZB jeden Schuldenerlass strikt abgelehnt, und hat nicht an der Umschuldung Griechenlands im Frühjahr teilgenommen. Sie hatte ihre Kredite mit Sonderrechten ausgestattet, so dass der Staat immer zuerst der EZB Geld zurückzahlen muss. Auf dieses Vorrecht könnte sie nun verzichten. Ob damit bei einem teilweisen Schuldenerlass tatsächlich Verluste entstehen, kommt darauf an, zu welchem Preis die EZB die Staatsanleihen kaufen wird. Es kann auch sein, dass ihr nur mögliche Gewinne entgehen.

EZB will von "Fall zu Fall" entscheiden

Denn bislang sind die Staatsanleihenkäufe ein gutes Geschäft für die EZB. Derzeit hat die Notenbank Papiere aus Griechenland, Spanien, Portugal, Irland und Italien im Wert von mehr als 200 Milliarden Euro in ihrer Bilanz. Draghi hatte bereits vor vier Wochen angedeutet, dass das Eingreifen der EZB dieses Mal ohne Limit erfolgen könnte. Der EZB-Rat wolle den Spielraum behalten, von "Fall zu Fall" zu entscheiden.

Außerdem erwarten manche Beobachter von Draghi, dass die EZB Maximalzinsen festlegt, die ein Land am Finanzmarkt höchstens zahlen soll. Steigen die Renditen über diese Marke, würde die EZB eingreifen. Doch diese Erwartung könnte enttäuscht werden.

Die neuen Anleihenkäufe könnten ferner so gestaltet werden, dass das dafür geschöpfte Geld über Gegengeschäfte wieder aus dem Finanzkreislauf gezogen werden könnte, damit sich kein Inflationspotenzial aufbaut. Fachleute nennen dies Sterilisation.

Voraussetzung für ein Eingreifen ist ein Antrag des betreffenden Staates auf Hilfe des Euro-Rettungsfonds, hatte Draghi bereits klar gemacht. Auch an diesem Donnerstag betonte er diese Botschaft erneut, indem er das Wort "Konditionalität" oft benutzte. Gemeint sind Sparauflagen und Reformen, denen sich die Länder nur ungern unterwerfen.

Das wichtigste Argument der Kritiker um Weidmann ist, dass die EZB mit dem Aufkauf von Staatsanleihen indirekt in die Staatsfinanzierung einsteigt, was der Zentralbank verboten ist. Die Gegner der Käufe sehen die Glaubwürdigkeit und die Unabhängigkeit der Notenbank bedroht - und fürchten darum um die Geldwertstabilität.

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