Banken:Die EZB schenkt den Banken Milliarden

Banken: Europäische Zentralbank, EZB, Frankfurt am Main Hessen Deutschland *** European Central Bank, ECB, Frankfurt am Main Hesse Germany

Europäische Zentralbank, EZB, Frankfurt am Main Hessen Deutschland *** European Central Bank, ECB, Frankfurt am Main Hesse Germany

(Foto: Norbert Neetz/imago images)

In der Aufregung um die jüngste Zinserhöhung der Zentralbank ging eines fast unter: Eine Milliarden-Subvention für Europas Geldhäuser.

Von Meike Schreiber und Markus Zydra, Frankfurt

Die Energiekrise belastet nicht nur die Bürger, auch viele Mittelständler sind von der Pleite bedroht. Doch anders als in der Pandemie werden die EU-Staaten diesmal wohl nicht mit breit angelegten Hilfsprogrammen reagieren können. Weitere Geldgeschenke würden die Staatsschulden in die Höhe treiben und womöglich auch die Inflation anheizen, so zwei der Argumente gegen neue Stützen.

Eine Branche aber kann sich durchaus über Subventionen freuen, nicht im klassischen Sinne, aber dennoch: es geht um viele Milliarden Euro, und es kommt überraschend. Allenfalls von der Fachwelt bemerkt, beschenkt die Europäische Zentralbank (EZB) im Nebeneffekt zur jüngsten Zinserhöhung ausgerechnet Europas Banken. Die Rede ist von bis zu 40 Milliarden Euro risikoloser Zusatzerträge, welche die Geldhäuser der Euro-Zone wohl in den nächsten Monaten einfahren können. Die EZB könnte diese risikolosen Profite deckeln. Doch tut sie es? Eine Sprecherin der Notenbank teilte mit, die Währungshüter würden das Problem derzeit diskutieren - wann eine Entscheidung fällt, sei offen.

Die Geldgeschenke sind brisant: Zum einen entgehen der EZB diese Milliarden, sprich die Finanzminister der Euro-Mitgliedsstaaten erhalten zum Jahresende weniger Geld, was wiederum dem Steuerzahler schadet. Zum anderen weigerte sich die EZB bislang, den Bürgern in Form von "Helikoptergeld" Hilfen zukommen zu lassen, gleichzeitig werden aber die Banken bedient.

Die Basis ist ein spezielles Kreditprogramm der EZB für den Bankensektor nach Ausbruch der Covid-Krise. Es trägt den Namen TLTRO 3 und hat einen Nebeneffekt: Die Institute bekommen Geld quasi geschenkt. Und das geht so: Wenn sich eine Bank von der EZB eine Million Euro leiht, braucht sie nach Ablauf der Laufzeit nur 990 000 Euro zurückzahlen. Ein Prozent der Kreditsumme darf sie behalten.

"Zuwendung der öffentlichen Hand"

Damit wollte die EZB die Wirtschaft ankurbeln und sicherstellen, dass Firmen von den Banken genug Liquidität erhielten, wobei die Frage ist, wie die Zentralbank wirklich kontrollieren will, ob die Kredite dort angekommen sind, wo sie gebraucht wurden: Insgesamt haben die Institute bislang subventionierte Kredite in Höhe von 2,2 Billionen Euro abgerufen. Seit Ende Juni gibt es zwar keine weiteren TLTRO-Kredite mehr, doch die vergebenen Darlehen laufen erst im Jahr 2024 vollständig aus. Vermutlich haben mehr als 700 Kreditinstitute daran teilgenommen, genaue Zahlen gibt es nicht. Die Zinserträge daraus verbuchen Banken bilanziell als "Zuwendung der öffentlichen Hand".

Nun, da die Leitzinsen steigen, wird das Geschäft plötzlich richtig interessant für die Banken. Je nachdem, wie schnell und kräftig die Zinsen steigen, können Europas Geldhäuser bis zum Auslaufen des Programms überschüssige Liquidität einfach bei der EZB parken und 0,75 Prozent Zins kassieren - ohne das unternehmerische Risiko einer Kreditvergabe eingehen zu müssen. Fachleute von der US-Bank Morgan Stanley waren bislang davon ausgegangen, die Zinserhöhung bringe den Instituten zusätzlich 24 Milliarden Euro. Die Analysten der Ratingagentur Scope rechnen nun sogar mit bis zu 40 Milliarden Euro Zusatzertrag für alle Banken in der Eurozone.

Will die EZB die Banken indirekt stützen?

In der Fachwelt hatten daher einige erwartet, dass die Notenbank diese risikolosen Gewinne in irgendeiner Form deckeln würde. Auch der EZB-Rat soll darüber diskutiert haben, schrieb unlängst die Financial Times, es sei schließlich nicht akzeptabel, dass die EZB den Banken Gewinne beschere, von Steuerzahlern garantiert, während sich die Refinanzierungskosten aller anderen Unternehmen und Privathaushalte deutlich erhöhten. "Die höhere Zinsvergütung" könne "als kontroverser Schritt" angesehen werden, schrieben auch die Analysten der Ratingagentur Scope. Womöglich aber ging es der EZB darum, den Banken Anreize zu geben, "überschüssige Liquidität" zu halten, "während die Wirtschaft des Euroraumes in einen schwierigen Winter" eintreten würde.

Mit anderen Worten: Hält die EZB die Banken für schwächer als bislang bekannt? Oder misstraut sie den Geldhäusern gar, dass diese eigenverantwortlich auf schlechtere Zeiten reagieren, indem diese weniger Dividende oder Bonus an Aktionäre und Mitarbeiter zahlen und weswegen die Notenbank sie nun rein vorsorglich stützen muss? Eigentlich unterzieht die EU-Bankenaufsicht - die ebenfalls bei der EZB angesiedelt ist - die Banken regelmäßig Stresstests, in denen Krisen-Szenarien durchgespielt werden. Und tatsächlich hatten die EZB-Bankenaufseher die Banken unlängst ermahnt, ihre Kapitalentwicklungen unter einem "stärker negativen Konjunkturszenario" neu zu berechnen, etwa für den Fall eines Gasembargos oder einer Rezession. Die Aufsicht werde diese Informationen "bei der Überprüfung der Ausschüttungspläne" der Banken nutzen, hieß es. Ob es hilft? Auf Basis der letzten Jahren muss man damit rechnen, dass die Banken weiter kräftig ausschütten werden, zum Wohle der Aktionäre und Mitarbeiter - aber auf Kosten der Steuerzahler. Seit Tagen steigen die Aktienkurse von Europas Banken deutlich an - so als wäre die große Krise für sie bereits vorbei.

"Die Zentralbank hat bei der Auflage von TLTRO offenbar zu kurz gedacht", sagt Michael Peters, Volkswirt bei der bankenkritischen Organisation Finanzwende. "Die Banken haben davon bereits massiv profitiert. Nun ist das Mindeste, dass die EZB sicherstellt, dass Banken nicht schon wieder die Gewinner einer Krise sind", sagt Peters. Die Ökonomin Alexandra Janssen von der Schweizer Vermögensverwaltung Ecofin Portfolio Solutions kritisiert auf Twitter, das Geldgeschenk an die Banken erhöhe sich die Liquidität im Euroraum, was potentiell die Inflation treibe statt sie zu bekämpfen.

Die Regeln, wann eine Bank im Rahmen der TLTRO-Programms günstige Kredite erhielt, sind für die Bürger und Steuerzahler eigentlich nicht nachzuvollziehen - es ist alles sehr kompliziert. Die EZB wollte, dass Banken Kredite an Haushalte und Firmen vergeben und so die Wirtschaft ankurbeln. Jede Bank konnte die günstigen Notenbankdarlehen erhalten: Wenn das Institut die Kreditvergabe steigerte, war der Zins günstiger als wenn die Bank das Geld auf dem EZB-Konto gewinnbringend parkte - ein gutes Geschäft machten die Kreditinstitute in jedem Fall.

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