EZB-Chef im Bundestag:Abgeordnete laden Draghi ein

Mario Draghi möchte den Deutschen seine Krisenstrategie erklären. Das könne er gerne tun, sagen die Abgeordneten des Bundestages - aber nur im kleinen Kreis. Die ersten Einladungen von den Ausschüssen sind schon unterwegs. Eine Rede vor dem gesamten Parlament wird vor allem von der Union kritisch gesehen.

Ob Mario Draghi überrascht ist, auf welch große Resonanz seine Idee in Deutschland stößt? Die Notenbanker müssten "mehr erklären", um das Vertrauen der deutschen Bevölkerung zu gewinnen, hatte der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung gesagt. "Sollte mich der Bundestag einladen, komme ich gerne", so der Italiener. Und der Bundestag lädt ihn ein - unklar ist nur noch, wie der Besuch des obersten europäischen Währungshüters genau aussehen soll.

Draghi wirbt um Vertrauen

Mario Draghi will in Deutschland um Vertrauen werben. Der EZB-Chef hatte deshalb vorgeschlagen, den Bundestag zu besuchen. In Berlin findet man die Idee gut.

(Foto: dapd)

Die Unionsfraktion im Bundestag lehnte eine Rede des EZB-Chefs im Plenum des Parlaments ab. "Ein großer Auftritt im Plenum wäre nicht angezeigt, weil dieser leicht dahingehend missverstanden werden könnte, dass die Zentralbank in eine Abhängigkeit von der Politik rückt", erklärte ein Fraktionssprecher. Draghi müsse die politische Unabhängigkeit seiner Institution wahren.

"Unbedingt annehmen"

Die Grünen hingegen haben das Angebot Draghis begrüßt. "Das Angebot von EZB-Chef Draghi sollte der Bundestag unbedingt annehmen", erklärte der finanzpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Gerhard Schick. Jede Aktion, die die Transparenz der Geldpolitik erhöhe, sei wünschenswert. In Bezug auf das Vorhaben der EZB, Anleihen von Euro-Krisenländern aufzukaufen, kursierten viele falsche Behauptungen, erklärte Schick. "Erläuterungen von Draghi können daher nur hilfreich sein und dazu beitragen, die Anti-Euro- und Anti-EZB-Polemik aus CSU und FDP zu entkräften."

In der vergangenen Woche hatte Draghi angekündigt, Staatsanleihen verschuldeter Euro-Länder in unbegrenztem Umfang aufkaufen zu wollen. Diese Papiere würden nicht direkt bei den Staaten, sondern lediglich am sogenannten Sekundärmarkt - also etwa an der Börse - erworben.

So sollen die Renditen für die Papiere gesenkt und der Druck der Finanzmärkte auf die Staaten verringert werden. Kritiker, allen voran Bundesbank-Chef Jens Weidmann, fürchten, dass die Geldflut eine stärkere Inflation auslösen könne. Außerdem verstoße die EZB gegen das Verbot der Staatenfinanzierung durch die Zentralbank.

Vor allem in Deutschland gibt es Zweifel an der Krisenstrategie der EZB: Fast die Hälfte der Bundesbürger vertrauen Draghi nicht, ergab eine im Stern veröffentliche Umfrage. Ein Drittel der Deutschen kennt den Italiener demnach gar nicht.

Auch wenn es nicht zu einer Rede Draghis vor dem gesamten Parlament kommen sollte, könnte der EZB-Chef zumindest im kleinen Rahmen mit den Abgeordenten sprechen. Hiefür gibt es auch Zustimmung in der Unionsfraktion: "Gegen Gespräche mit den zuständigen Fachausschüssen wäre nichts einzuwenden", sagte ein Sprecher.

Der Europa-Ausschuss des Bundestages hat seine Einladung an Draghi auch schon rausgeschickt. Das sagte der Vorsitzende des Ausschusses, Gunther Krichbaum (CDU). Ein Termin stehe aber noch nicht fest. "Wir greifen das Angebot gerne auf", sagte Krichbaum. Und auch den Haushaltsausschuss soll der EZB-Chef besuchen. "Die Einladung an Mario Draghi wird gerade vorbereitet, und wir freuen uns sehr auf einen Gedankenaustausch mit dem EZB-Präsidenten im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages", teilte die Ausschussvorsitzende Petra Merkel (SPD) mit.

Wie Draghi selbst die Idee findet, nur auf der kleinen Bühne in den Ausschüssen aufzutreten anstatt auf der ganz großen Bühne vor dem gesamten Parlament, ist noch nicht bekannt.

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