EZB-Chef Draghi in Harvard:"Die Amerikaner haben den Euro nicht verstanden"

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Mario Draghi, Chef der Europäischen Zentralbank, wehrt sich gegen kritische Kommentare aus den USA. All diejenigen, die an das Scheitern der Gemeinschaftswährung glauben, hätten sich geirrt - und den Integrationswillen der Europäer unterschätzt.

Von Brian Blackstone, Wall Street Journal Deutschland

Der Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, hat in einer Rede an der renommierten Harvard-Universität in den USA kräftig gegen amerikanische Euro-Kritiker gestänkert. Wer in den USA geglaubt habe, die europäische Währungsunion sei zum Scheitern verdammt, habe die Stärke des Integrationswillens in der Euro-Zone nicht begriffen, sagte Draghi.

Auf dem Höhepunkt der Schuldenkrise hätten sich viele US-Kommentatoren "die Euro-Zone angeschaut und waren überzeugt, dass sie scheitern würde. Sie haben sich geirrt. Sie haben die Tiefe der Verbundenheit der Europäer zum Euro unterschätzt", so Draghi. Weiter sagte er, die amerikanischen Kritiker des Euro würden die Währungsunion "mit einem festen Wechselkurssystem verwechseln, obwohl der Euro tatsächlich eine unumkehrbare Einheitswährung ist".

In seiner Rede bezog sich der Notenbankchef insgesamt auf den philosophischen Unterbau der Währungsunion. Er äußerte sich weder zur künftigen Zinsentwicklung in der Euro-Zone noch zu anderen geldpolitischen Maßnahmen.

Vor vier Jahren flackerte die Schuldenkrise der Euro-Zone erstmals in Griechenland auf und griff rasch auf Irland und Portugal über. Im Sommer 2012, als die Renditen spanischer und italienischer Anleihen derart stark gestiegen waren, dass den beiden Ländern die Zahlungsunfähigkeit drohte, rechneten einige Beobachter mit dem Zusammenbruch der Währungsunion. Auch die Finanzmärkte wurden von dieser Angst erfasst.

Allein Draghis Ankündigung trug zur Beruhigung bei

Heute hat sich die Furcht vor dem Kollaps der Euro-Zone weitgehend verflüchtigt, was unter anderem an dem Versprechen von EZB-Chef Draghi im Juli 2012 lag, die Europäische Zentralbank werde alles tun, was in ihrer Macht stehe, um den Euro zu retten. Wochen später stellte die EZB ein neues Programm vor, mit dem sie - unter bestimmten Voraussetzungen - in unbegrenztem Umfang Staatsanleihen schwacher Euro-Staaten kaufen würde.

Die bloße Ankündigung dieses Hilfsprogramms reichte aus, um die Anleiherenditen in Südeuropa drastisch sinken zu lassen. Selbst in der Zeit turbulenter Wahlen in Italien und einer chaotischen Finanzrettung Zyperns Anfang dieses Jahres blieben die Anleiherenditen niedrig. Bisher hat die EZB ihr angekündigtes Anleiheprogramm noch nie eingesetzt.

Im kommenden Jahr wird die Europäische Zentralbank ihre Befugnisse deutlich erweitern. Sie wird dann eine neue Aufgabe übernehmen und die Banken der Euro-Zone überwachen - Kernbestandteil einer "Bankenunion", mit der die europäischen Krisenmanager die Bankenbranche stärker an gemeinsame Regeln binden wollen. Sie wollen zudem eine neue Abwicklungsbehörde schaffen, die sich um finanziell angeschlagene Geldhäuser kümmern wird.

"Wir vertrauen darauf, dass der einheitliche Abwicklungsmechanismus Anfang 2015 in Kraft treten wird", sagte Draghi am Mittwoch. "Eine echte Bankenunion kann Bürgern mehr Vertrauen in ihr Geld einflößen als es verschiedene nationale Ansätze tun", sagte er.

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